Noch bevölkern Handwerker und nicht die werdenden Mütter die sechs Kreißsäle im vierten Stock des Eltern-Kind-Zentrums (Elki) des Klinikums Bremen Mitte. Es fehlen auch noch einige Schränke, Armaturen und Badewannen. Betten und anderes Mobiliar stehen unter Plastikplanen in den Fluren und Zimmern verteilt, Maler legen letzte Hand an, dazwischen Bohrmaschinen, Werkzeugkästen und auch erste Mitarbeiter. Im bereits vollständig fertigen neuen Operationssaal für die Kaiserschnitte etwa sind einige Anästhesiepflegerinnen damit beschäftigt, Medikamente und Materialien zu verstauen. Eben das typische Gewusel, das mit Umzügen verbunden ist.
Hier wird keine neue Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe eröffnet, sondern eine vorhandene komplett verpflanzt, inklusive der Abteilung für Frühgeburten (Neonatologie). Das alles ist derzeit noch im Klinikum Links der Weser (LDW) zu Hause. Am 5. Juli, 0 Uhr, werden die Kreißsäle dort aber geschlossen und 46 Stunden später, am 6. Juli ab 22 Uhr, stehen sie in Mitte wieder bereit. "Für diesen kurzen Zeitraum haben alle umliegenden Geburtskliniken in Bremen und den Nachbargemeinden ihre Personalpläne etwas ausgebaut", versichert Carsten Oberhoff, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe im LDW und ab kommender Woche in Mitte. Auch die Versorgung von Notfällen sei jederzeit sichergestellt.
Fast 300 Angestellte siedeln vom LDW nach Mitte über
Hans Thorsten Körner, Leitender Arzt der Neonatologie, sagt, der Umzug sei wie Start und Landung eines Raumschiffs. "Am alten Standort heben wir komplett ab, am neuen landen wir." Mit "wir" meint er fast 300 Angestellte des medizinischen Personals, darunter 50 Hebammen und auch einige kleinere und größere Patienten. Dass nahezu das komplette Personal übersiedelt, bezeichnen die verantwortlichen Mediziner als Glücksfall. "Das bedeutet nämlich, dass wir vom ersten Tag an am neuen Standort eingespielte Abläufe weiterführen können", sagt Melanie Nordmann, leitende Hebamme.
Oberhoff, Nordmann und Körner sind davon überzeugt, dass das Elki bessere Bedingungen bietet als der alte Standort. "Wir haben hier einen eigenen Operationssaal gleich neben den Kreißsälen", sagt Körner. Für unerwartete Kaiserschnitte sei keine Verlegung in die Chirurgie notwendig. Unmittelbar daran grenzt die Frühchenversorgung, die hier im sogenannten Level Eins ab der 24. Schwangerschaftswoche möglich ist. Die Aufwachräume nach Operationen sind im Elki ebenfalls eigens für die Mütter reserviert und nicht Bestandteil der allgemeinen Intensivstationen. Körner nennt das alles zusammen einen "Quantensprung in der Versorgungssicherheit."

In den neuen Kreißsälen sind Handwerker aktuell noch mit letzten Arbeiten beschäftigt.
Nordmann hebt auch die zahlreichen neuen Räumlichkeiten für die sogenannte Latenzphase unmittelbar vor dem eigentlichen Geburtsvorgang hervor. "Dann müssen die Frauen noch nicht unbedingt in den Kreißsaal, benötigen aber unter Umständen dennoch Betreuung." Das sei hier nahezu optimal möglich und damit erfülle man als vermutlich eine von sehr wenigen Kliniken die gerade erst angepassten medizinischen Leitlinien. Sie messen dieser vorgeburtlichen Phase einen deutlich höheren Wert bei.
Kapazitäten für bis zu 3000 Geburten im Jahr
Das angestrebte Ziel der Rundumversorgung für Schwangere und Kinder an einem Standort sei damit erreicht, sagt Oberhoff. Kapazitäten für bis zu 3000 Geburten und die Nachsorge auch aller Frühgeburten im Jahr seien jetzt personell und architektonisch vorhanden. Mehr als zwei Jahre Vorplanung gingen dem Vorhaben voraus. Laut Nordmann habe sich das Team der Geburtshilfe im LDW zusätzlich zum regulären Klinikbetrieb sehr dabei engagiert, seine Vorstellungen in die Planung einzubringen. Um viele Details sei mit Architekten und Planern gerungen worden. "Am Ende haben wir wirklich gute Rahmenbedingungen", sagt Nordmann.

Ab 7. Juli bestimmen werdende Mütter das Geschehen im vierten Stock des Eltern-Kind-Zentrums.
Ursprünglich war eine etwas kleinere Lösung geplant: Nur die Neonatologie und drei Kreißsäle für etwa 1000 Risikogeburten im Jahr sollten vom LDW in die Stadtmitte übersiedeln. Die reguläre Geburtshilfe sollte im Bremer Süden verbleiben. Doch für zwei Standorte war es schwierig bis unmöglich, das notwendige Personal zu finden. Ein zentrales, integriertes Konzept erschien realistischer, und so kamen entsprechende Vorschläge und Konzepte Ende 2020 zuerst aus dem Kreis der medizinisch Verantwortlichen, wie Chefarzt Oberhoff bestätigt.
Gegen dieses schließlich auch politisch beschlossene Vorhaben regte sich bis zuletzt allerdings auch Protest. Vor allem die Beiräte in Huchting und Obervieland sorgten sich um die wohnortnahe Versorgung und fürchteten langfristig negative Folgen für das Klinikum Links der Weser. Auch die Betriebsräte der Gesundheit-Nord zeigten sich skeptisch und warnten vor Einsparungen beim Personal. Insgesamt ist derzeit auch noch unklar, welche langfristigen Perspektiven es für das LDW gibt.