Osterfeuerberg. Gemeinsam mit anderen das zukünftige Zuhause nach den eigenen Vorstellungen planen und bauen: Immer mehr Menschen liebäugeln mit der Idee, als Teil einer Gruppe ein gemeinschaftliches Wohnprojekt zu realisieren. Unterschiedliche Gründe sprechen in ihren Augen für diese alternative Wohnform in einer Art Hausgemeinschaft, zum Beispiel der Kontakt und Austausch verschiedener Generationen oder ein verbindliches nachbarschaftliches Miteinander.
Auf dem Grundstück an der Ecke Theodorstraße/Holsteiner Straße wohnen seit dem Herbst 14 Erwachsene und fünf Kinder in den zehn Wohnungen ihres Neubaus, den sie „Theovida“ getauft haben. Namensgeberin war die Theodorstraße, auch wenn dem Gebäude schließlich die Postadresse Holsteiner Straße zugeordnet worden ist.
Die Wurzeln des Wohnprojekts reichen zurück bis in den Sommer 2014. Damals hatte Projektmanager Joachim Böhm von der Plan A Wohnprojekte GmbH eine erste E-Mail zu dem Vorhaben verschickt, woraufhin im Herbst drei Gründungsmitglieder zusammengefunden hatten.
„Alle weiteren Interessenten sollten sich das Ganze dann erst mal zwei Monate anschauen und von den vorhandenen Mitgliedern ein einstimmiges Ja bekommen. Es geht ja schließlich darum, womöglich über Jahrzehnte zusammenzuleben. Da sollten Sympathien schon entscheidend sein“, erzählt Norbert Stippler, Gründungsmitglied der ersten Stunde. Nach der „ersten Welle“ habe die Gruppe dann aus sieben Personen bestanden, zu denen nach und nach weitere Interessenten hinzustießen.
Interessenten überwiegend weiblich
Was sich dabei als besondere Herausforderung herausstellte: Die beabsichtige Altersmischung innerhalb des Hauses. „Wir hatten viele Interessenten hier, und zwar fast nur weibliche“, erzählt Norbert Stippler. Nur zwei ernsthafte alleinstehende männliche Interessenten seien dabei gewesen, und noch schwieriger gestaltete sich die Suche nach ganz jungen Bewohnern. „Wir hätten gerne mehr Familien gehabt. Aber wer gerade dabei ist, eine Familie zu gründen, hat vielleicht gerade nicht die Finanzen, um sich einer Baugruppe anzuschließen“, vermutet der 59-Jährige. „Und viele denken vermutlich: Wir machen uns dann Gedanken, wenn die Kinder aus dem Haus sind.“ „Ich wollte aber nicht in einem Projekt wohnen, in dem der Altersdurchschnitt bei 58 liegt. Ich wollte gerne eine gute Durchmischung“, sagt Martina Detken, die selbst 58 Jahre alt ist.
„Wir haben deshalb massiv versucht, Familien anzuwerben“, erzählt Silvia Schade, die mit ihrem zehnjährigen Sohn Niko ganz bewusst ins Theovida eingezogen ist. „Ich komme aus einer WG und wollte, dass mein Kind mit anderen Kindern aufwächst und Familienstrukturen mit älteren Menschen erlebt.“ Verschiedene Aktionen hat sich die Gruppe ausgedacht: „Wir haben Anzeigen geschaltet, Handzettel in Kitas verteilt und Aushänge in Schulen gemacht. Und zwar in Findorff und Walle, wo den Familien der Schritt nach Osterfeuerberg unserer Ansicht nach leichter fiele.“
Dennoch sei es schwierig gewesen, Familien für das Projekt zu gewinnen – einigen fehlte ein Garten am Haus, andere befürchteten Krach durch die benachbarte Union-Brauerei.
Das Projekt Theovida ist dabei kein Einzelfall, weiß Joachim Böhm. Er beschäftigt sich schon lange mit dem Thema gemeinschaftliches generationenübergreifendes Wohnen und hat unter anderem ab 2005 das Projekt „Haus am Fleet“ in Findorff initiiert, betreut und beraten. Er kann sich noch gut an die Treffen der Initiative damals erinnern. „Da waren viele Ältere dabei. Die Familien, die kamen, guckten sich um – und gingen wieder. Wenn man also altersgemischt wohnen will, dann müssen sie Familien auch garantieren, dass auch andere Familien kommen.“
So treffe er bei Informationsveranstaltungen zum Thema Baugruppen immer wieder auf alleinstehende Frauen um die 60, die für ihre Zukunft nun gerne die Weichen in Richtung Mehrgenerationenwohnen stellen wollten: „Sie machen sich Gedanken darüber, wie sie im Alter leben wollen. Und werden dann aktiv. Die Männer sind in der Regel die, die mitkommen. Alleinstehende Männer als Interessenten sind die absolute Seltenheit.“ Weshalb das so ist, darüber können die Bewohner im Theovida aber auch nur spekulieren.
Auch Theovida-Bewohnerin Magitta Wülpern-Klauck hat vor einigen Jahren überlegt, wie es für sie weitergehen soll. „Bei Frauen kurz vor der Rente geht der Blick zurück. Wenn zum Beispiel die eigenen Eltern pflegebedürftig sind, dann sieht man, wie es wird, wenn man gar nichts macht“, sagt die 61-Jährige, die es mit den Nachbarkindern im Theovida jetzt richtig toll findet. „Mein Sohn ist 30. Er wohnt selber in einer WG und findet meine Riesen-WG supergut. Was ihm auch gefallen hat: Als er mich besuchen kam, konnte er bei den Nachbarn übernachten.“
Auch wenn im Theovida alle ihre eigenen Wohnungen haben, so gibt es doch regelmäßig Möglichkeiten für gemeinsame Aktivitäten wie zum Beispiel Fahrradtouren ins Blockland, zusammen frühstücken im Gemeinschaftsraum des Hauses, Doppelkopf-Abende oder Wochenend-Tripps der Hausgemeinschaft. Mal in voller Besetzung, mal in kleineren Runden. Außerdem haben die Theovida-Bewohner eine gemeinsame Parzelle, auf der sie unter anderem regelmäßig gemeinsam grillen.
Im Theovida hat es unterm Strich mit der richtigen Mischung geklappt, auch wenn es dort nach Ansicht der Bewohner ruhig noch ein paar Kinder mehr hätte geben können. Joachim Böhm rät zukünftigen Baugruppen deshalb, schon frühzeitig eine feste Quote für Familien festzulegen. Und auch für alleinstehende Frauen um die 60 hat er einen Tipp: „Selber aktiv werden und am besten zu den Gründern gehören. Und nicht zu denken, dass sie ja später noch in einer Gruppe einsteigen können!“