Bremen. Mehr als ein Jahrzehnt lang hat sie Freimarkt, Osterwiese und Weihnachtsmarkt geplant: Nun wechselt Marktmeisterin Claudia Lange ins Umweltressort. Sie nimmt Abschied mit gemischten Gefühlen.
Nur noch zwei einsame Metallbögen mit der Aufschrift „Herzlich willkommen“ stehen auf der Bürgerweide. Ansonsten erinnert nichts mehr an die vielen bunten Buden und Karussells, die hier noch wenige Tage zuvor standen. „Das ist schon verblüffend, wie schnell so ein Jahrmarkt jedes Mal verschwindet“, sagt Claudia Lange und klingt ein bisschen traurig. Aufbau, Abbau –sie hat das viele Male miterlebt. Doch diesmal ist es anders, denn die Osterwiese, die vor acht Tagen zu Ende ging, ist ihre letzte. Ein großes Lebkuchenherz haben ihr die Schausteller geschenkt, um am Ende noch einmal Danke zu sagen.
„Ich hätte auch weitergemacht“, sagt Claudia Lange. Doch das Innenressort hatte andere Pläne. Marktmeister, so findet man in der Behörde von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), sollten grundsätzlich nach einigen Jahren wechseln. Klüngelei und Korruption sollen so vermieden werden. Ein Erbe der Vergangenheit: Gegen Claudia Langes Vorgänger Wolfgang Ahrens wurde Ende der 90er-Jahre wegen des Verdachts der Bestechlichkeit ermittelt, Lange übernahm das Amt zunächst kommissarisch, dann offiziell. Ihr Vorgänger wurde im Jahr 2000 aus Mangel an Beweisen freigesprochen, doch das öffentliche Bewusstsein für die Versuchungen des Amtes war geweckt. „Es war damals nicht leicht für mich, den Posten unter diesen Vorzeichen zu übernehmen“, sagt Lange. „Hinzu kam, dass viele Schausteller anfangs schon etwas skeptisch waren, dass plötzliche eine Frau diesen Job macht. Es hat eine Weile gedauert, bis sie sich daran gewöhnt haben“, sagt sie und schmunzelt. „ Schausteller haben ja oft sehr konservative Wertvorstellungen.“
Kampf um die Standplätze
Marktmeister – das ist ein Amt, das besonderen Begehrlichkeiten ausgesetzt ist. Schließlich gehören Freimarkt, Osterwiese und Weihnachtsmarkt zu den beliebtesten Volksfesten in Deutschland. Viele Schausteller wollen dorthin. Und jeder, der eine Zulassung bekommt, will einen guten Standort für sein Karussell oder seine Bude: „Am begehrtesten sind natürlich die Plätze gleich am Eingang. Aber da kann nun mal nicht jeder stehen, es sei denn, wir würden die Geschäfte übereinander stapeln“, sagt Claudia Lange.
Eine professionelle Distanz zu den Marktbeschickern zu wahren, ist ihr wichtig: „Damit hatte ich auch nie ein Problem“, sagt Lange. „Wenn ich mit einzelnen Schaustellern befreundet wäre, dann könnte ich diesen Job nicht unbefangen machen.“ Um dem Verdacht der Klüngelei zu entgehen, habe sie immer mindestens einen Kollegen dabei, wenn sie auf Volksfesten unterwegs sei. „So hat man immer einen Zeugen.“
Eine, die weiß, was sie will
Die 43-Jährige mit den kurzen rot-blonden Haaren wirkt bodenständig und freundlich. Schausteller, die regelmäßig mit ihr zu tun haben, beschreiben sie allerdings auch als Frau, die weiß, was sie will und es auch mit entsprechender Konsequenz einfordert. Stammplätze für Karussell-Klassiker, die jedes Jahr dabei sind? Nicht mit Claudia Lange. „Es ist langweilig, wenn der Besucher jedes Jahr dasselbe Bild vor Augen hat.“ Auch wenn Buden und Karussells zu spärlich dekoriert sind, kann die Marktmeisterin ungemütlich werden: „Das Gesamtbild muss stimmen. Aber zum Glück haben wir viele Schausteller, die das einsehen, und ihre Geschäfte entsprechend nachgerüstet haben. Zum Beispiel mit LED-Beleuchtung oder originellen Figuren.“
Vermitteln, Kompromisse finden – aber manchmal auch hart bleiben, das gehöre für sie und ihr Team zum Alltag, sagt Claudia Lange. Eigenschaften, die im Laufe der Jahre immer wichtiger geworden sind: „Der Wettbewerb unter den Schaustellern hat sich verschärft, denn es gibt nicht mehr so viele lukrative Volksfestplätze in Deutschland.“
Manchmal wird es im Marktbüro auch laut. Zum Beispiel dann, wenn ein Schausteller, noch müde vom letzten Gastspiel, auf die Bürgerweide fährt kommt, und mit seinem zugewiesenen Standplatz unzufrieden ist. Claudia Lange hat sich daran gewöhnt: „Es gibt unter Schaustellern nun mal aufbrausende und ruhigere Charaktere. So wie in jedem anderen Bereich der Gesellschaft auch. Und die meisten, die ausfallend geworden sind, kommen später noch mal wieder und entschuldigen sich.“
Manche ziehen vor Gericht
Komplizierter wird es, wenn Karussell- und Budenbetreiber keine Zulassung auf der Bürgerweide bekommen und diese Entscheidung vor Gericht anfechten. Das komme seit ein paar Jahren häufiger vor, sagt Lange. „Aber bislang konnten wir es immer gut begründen, weshalb wir uns für ein anderes Geschäft entschieden haben.“ Wohl auch deshalb, weil die Marktverwaltung ihre Entscheidungen mittlerweile genau dokumentieren muss. So werde zu jedem Geschäft, das erstmals in Bremen zugelassen wird, ein detaillierter Bewertungsbogen ausgefüllt.
Auch der Bau der Messehalle 7 fiel in Claudia Langes Amtszeit: „Das war für uns nicht leicht, weil für den Freimarkt auf einmal deutlich weniger Fläche zur Verfügung stand.“ Die Marktmeisterin und ihr Team arbeiteten lange an einer neuen Wegeführung, um möglichst viele Besucher an allen Buden und Karussells vorbeizulotsen. „Wenn die Leute schon in der Mitte des Platzes abbiegen, haben die Schausteller, die weiter hinten stehen, das Nachsehen. Das wollten wir vermeiden.“
Die Unfälle haben sie nachdenklich gemacht
Überschattet wird ihr Abschied von den beiden Karussell-Unfällen. Erst die „Krake“ auf dem Freimarkt, jetzt der „Commander“ auf der Osterwiese: Zwei Unglücke in so kurzer Zeit. In beiden Fällen war es wohl Glück im Unglück, dass durch die losgelösten Gondeln niemand ums Leben kam. Doch diese Ereignisse haben Lange nachdenklich gemacht. „Vorher war ich immer froh, dass es während meiner Zeit als Marktmeisterin nie einen Karussell-Unfall gegeben hat. Und dann passiert so etwas gleich zweimal hintereinander.“ Eines steht für sie nach den Unfällen fest: „Die Kontrollen müssen verschärft werden - und so wird es wohl auch kommen.“
Als gewöhnlichen Job habe sie die Planung der Bremer Volksfeste nie gesehen, sagt Lange: „Man braucht schon ein Interesse für diese Veranstaltungen, und man muss die Jahrmarktswelt mögen – sonst kann man diese Arbeit auf Dauer nicht machen.“ Ihren Abschied sieht Claudia Lange denn auch mit gemischten Gefühlen: „Einerseits werde ich diese Arbeit schon vermissen, weil sie so abwechslungsreich ist - aber die unregelmäßigen Arbeitszeiten machen die Arbeit als Marktmeisterin auch sehr anstrengend. Ich freue mich, dass die Oster- und Vorweihnachtszeit künftig etwas ruhiger werden.“ Lange wechselt in die Umweltbehörde und wird sich dort um Planungsverfahren kümmern, die mit Gewässern zu tun haben. Wann genau sie wechselt, ist unklar, die Stelle ist ausgeschrieben, wer sie übernimmt, steht jedoch noch nicht fest. Und so wird es wohl ein fließender Übergang, denn den kommenden Freimarkt hat Claudia Lange noch geplant – besonders schön solle er diesmal werden, sagt sie. Zum Abschied.