An der östlichen Spitze der Überseeinsel hat sich eine sogenannte Stadtwirtschaft angepflanzt. Die Anbaufläche für Lebensmittel mit integriertem Gartenlokal soll noch in diesen Sommermonaten für Besucher öffnen. Betreiber ist die Gesellschaft für integrative Beschäftigung (GiB). Michael Scheer, Geschäftsführer des sozialen Dienstleisters, ist überzeugt: Die Bremer und ihre Gäste werden dieses ganz besondere Stück Land in ihre Herzen schließen.
Überseeinsel – so heißt nun das ehemalige Kelloggs-Betriebsgelände. Auf dem zuvor unzugänglichen 15-Hektar-Areal zwischen Europahafen und Weser soll im Laufe des kommenden Jahrzehnts ein völlig neues Quartier zum Wohnen und Arbeiten entstehen. 2000 Quadratmeter mit Weserblick überließ Eigentümer und Projektentwickler Klaus Meier der Gesellschaft für integrative Beschäftigung. Keine zehn Minuten habe das Verhandlungsgespräch gedauert, erklärt Scheer. Dem Investor, der sein Grundstück nach dem Leitsatz „lebendig, sicher, gesund und ökologisch“ aufbauen will, passten die Ideen des ungewöhnlichen Partners offensichtlich genau ins Konzept. Die GiB ist ein gemeinnütziger Beschäftigungsträger, der gleichzeitig gesellschaftlich und wirtschaftlich profitabel sein will.
Seit einigen Wochen blüht und gedeiht es auf dem Asphalt des früheren Werksparkplatzes vor der Reishalle. In rund 350 Hochbeeten wachsen Gemüse, Kräuter und Beeren heran. Gehegt und gepflegt werden die Pflanzen von Menschen mit geistiger, psychischer oder seelischer Beeinträchtigung. Bereits seit 2015 bestellt Scheers Gärtnerteam die 3000 Quadratmeter große Gemüsewerft an der Basdahler Straße. 2016 kam eine ebenso große zweite Anbaufläche an der Stephanikirchenweide dazu. Dort werden Bio-Obst und -Gemüse unter anderem für das betriebseigene Café Brand an der Gröpelinger Heerstraße gezogen. Außerdem ist die Gemüsewerft nach eigenen Angaben größtes deutsches Anbaugebiet für Hopfen in Hochbeeten.
Erstmals die Möglichkeit Gäste zu bewirtschaften
Mit dem dritten Gemüsewerft-Standort am Weserufer in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt bietet sich der produktiven Gesellschaft nun erstmals die Möglichkeit, Gäste zu bewirten. Sie sollen zwischen den Beeten Platz nehmen. Ein alter Arbeitstriebwagen der Bremer Straßenbahn AG, der vorher auf einem Abstellgleis verrostete, wird als wettergeschützter Gastraum eingerichtet. Das Pförtnerhäuschen „Tor 2“ wird zurechtgemacht zum Ausschank unter anderem für Bier aus den eigenen Hopfenpflanzen. „Wir möchten, dass die Menschen hier herunterschalten und die Geräusche der Stadt wahrnehmen“, sagt Scheer. Bald soll auch ein kleines Speisenangebot dazukommen, regional und saisonal.
Urbane Agrikulturprojekte sind in den vergangenen Jahren in vielen Städten der Welt herangewachsen. Oft sind sie geduldete Zwischennutzer auf Flächen, die nicht im Fokus der Stadtentwicklung waren. Dabei würden Projekte wie diese immer wichtiger, wenn eine Stadt auch in Zukunft lebenswert bleiben wolle, mahnt der Biologe Scheer. „Immer mehr Menschen drängt es in die Städte. Grünflächen wie diese müssen daher städtebaulich verankert werden“. Zwar könnten sie nie mehr als nur einen Bruchteil dessen produzieren, was die Bevölkerung konsumiert. Doch Scheer ist davon überzeugt: Sie werden nachhaltig dazu beitragen, sparsam und respektvoll mit den Früchten der Natur umzugehen.