Gärtnern auf Betonplätzen
Diese Urban Gardening-Projekte gibt es in Bremen
Weg mit Betonwüste, hin mit viel Grün und essbaren Pflanzen: In Bremen entstehen immer mehr Urban Gardening-Projekte. Bei einigen kann sogar selbst gepflanzt und geerntet werden.
Dort, wo noch vor wenigen Monaten Wildnis war, befindet sich heute ein urbaner Garten. Hier wachsen unter anderem Mais, Rhabarber, Zuckererbsen, Wasabi-Rucola und alte Kartoffelsorten. Das Besondere: Sie sprießen nicht in Kübeln, sondern in Bettgestellen, Spülbecken, Bäckerkisten und Schuhschränken.
Vanessa Ranft
"Wir wollen zeigen, was man aus gebrauchten Gegenständen machen kann", sagt Ulrich Ipach, Geschäftsführer des Arbeit und Lernzentrums. So werden auf dem Gelände in Bremen-Vegesack alte Skier zum Zaun, das Stück einer Skaterbahn zur Picknickstation und Krawatten zum Anbinden von Pflanzen an Rankhilfen oder als Vogelscheuche genutzt.
Vanessa Ranft
Die Idee dahinter hatte Sabine Heinsohn: "Die Menschen sollen sehen, was auf dem heimischen Balkon so möglich ist. Das man dort auch Mangold statt Margeriten pflanzen kann", sagt sie.
Selber Mitgärtnern oder gar Ernten kann man nicht, denn der Garten ist ein gemeinnütziges Projekt und beschäftigt sieben Geflüchtete sowie drei Langzeitarbeitslose. Zudem kümmert sich eine Kindergartengruppe regelmäßig um ihre Bäckerkisten.
Wer will, erhält in dem Garten jedoch jede Menge Inspirationen und Tipps für den eigenen Balkon oder Garten. Das 2000 Quadratmeter große Areal ist immer dienstags und donnerstags von 9.30 bis 12.30 Uhr geöffnet sowie im Sommer einmal im Monat samstags von 9 bis 15 Uhr: und zwar am 14. Juli, 11. August und 8. September. Weitere Einblicke in den Garten gibt diese Fotostrecke.
Hermann-Fortmann-Straße 18, 28759 Bremen
Vanessa Ranft
Wallmühle
Zucchini und Mangold zwischen Blühpflanzen: Vor der Mühle am Wall sind im Mai jeweils 100 Mangold- und Zucchini-Setzlinge gepflanzt worden. Damit unternimmt Bremen einen ersten zaghaften Versuch in Richtung"Essbare Stadt". Das Blumenmeer, das gerade auch bei Touristen ein beliebtes Fotomotiv ist, soll aber bleiben: Die klassische Bepflanzung solle nicht durch Essbares ersetzt werden, erklärt Kerstin Doty, Sprecherin des Umweltbetriebs Bremen.
Vanessa Ranft
Wenn das Gemüse am Wall reif ist, will der Umweltbetrieb einen großen Erntetag veranstalten, bei dem auch Bürger Mangold und Zucchinis mitnehmen können. Selber ernten und in die Beete gehen sollen sie jedoch nicht. (Weitere Informationen gibt es in diesem Artikel.)
Am Wall, 28195 Bremen
Vanessa Ranft
Dachgarten der Volkshochschule
Auf dem Dach der Volkshochschule im Bamberger-Haus liegt einem nicht nur die Stadt zu Füßen, sondern auch diverse Bäckerkisten, in denen heimische Gemüsesorten wie Kürbis, Aubergine, Grünkohl, Radieschen und Paprika wachsen. Aber auch Basilikum, Zitronengras und Borretsch (auch Gurkenkraut genannt) wachsen vor Ort.
Vanessa Ranft
Der Garten ist während der Öffnungszeiten der Volkshochschule in der Bremer Altstadt öffentlich zugänglich (Montag bis Freitag von 8 bis 19 Uhr). Betreut und gepflegt wird er durch eine offene, gebührenfreie Dachgarten-Gruppe, der Interessierte jederzeit beitreten können. Sie trifft sich 14-tägig mittwochs in ungeraden Kalenderwochen von 17 bis 18.30 Uhr.
Vanessa Ranft
Die Gruppe kann den Dachgarten zudem mit eigenen Ideen weiterentwickeln, selber ernten tun die Mitglieder jedoch nicht. Das übernehmen Teilnehmer von Kochkursen, die die Volkshochschule anbietet.
Faulenstraße 69, 28195 Bremen
Vanessa Ranft
Gemüsewerft
Lauchzwiebeln, Rote Beete, Kohlrabi, Tomaten – auf dem Gelände der Gemüsewerft auf der alten Industriebrache in der Bremer Überseestadt wächst allerlei Gemüse in großen Holzkisten.
Frank Thomas Koch
Doch neben dem Gemüse ist vor allem der Hopfen das Aushängeschild der Gemüsewerft und macht das urbane Landwirtschaftsprojekt auch über die Grenzen Bremens hinaus beliebt. Die 300 Hopfenpflanzen ranken an einem Holzgestell in die Höhe und werden am Samstag, 15. September, gemeinschaftlich gezupft und später zu Bier weiterverarbeitet.
Die Gemüsewerft ist kein Gemeinschaftsgarten, kann aber seit dem 23. Juni jeden Samstag von 10 bis 18 Uhr besichtigt werden, sagt Leiter Michael Scheer. Dann finde ein Hofverkauf statt, bei dem Gemüse erworben werden könne. Sonst versorge die Gemüsewerft ihr Café Brandt sowie das Restaurant Canova mit frischem Gemüse. "Das wird aber durch den Hofverkauf sicherlich weniger werden", sagt Scheer.
Stephanikirchenweide 25, 28217 Bremen
Karsten Maatz
Hanseatenhof
Begrünt ist in diesem Jahr auch wieder der Hanseatenhof. Direkt vor dem City Lab wurden 50 Palettenbeete aufgebaut, in denen unter anderem dicke Bohnen, Kohlrabi, Rhabarber, Zwiebeln, Erdbeeren und Kartoffeln wachsen. Ein Hopfenpavillion mit Palettenmöbeln lädt zudem zum Verweilen ein.
Vanessa Ranft
Gepflegt werden Mangold und Co. bis zur Ernte von der Gemüsewerft, ab Mitte August soll dann laut Annika Mysegades von der CityInitiative gemeinsam geerntet und ein großes Fest gefeiert werden.
Vanessa Ranft
Domshof
Essbare Nutzpflanzen wachsen auch in den 50 Pflanzkisten auf dem Domshof. Dort ranken Tomaten an Pflanzspiralen hoch, klettert Hopfen um einen Pavillon und gucken Salatköpfe, Rot- und Grünkohlpflanzen, Erbsen und Kräuter aus der Erde.
Vanessa Ranft
Von dem temporären Garten aus hat man nicht nur eine schöne Sicht auf das Marktreiben auf dem Domshof, sondern ebenso auf Dom und Rathaus. Die Beete wurden übrigens von der Gemüsewerft mit Unterstützung des Bremer Großmarktes und der "BioStadt Bremen" errichtet.
Vanessa Ranft
Arbeit und Ökologie
Als Anja Wirthmann 2013 das Urban Gardening-Projekt auf dem Gelände von "Arbeit und Ökologie" in Huchting startete, dachte sie, es würde großen Anklang finden. Im Stadtteil wohnen viele Menschen in Wohnungen mit Balkon und haben keinen eigenen Garten. Denen wollte sie eine Möglichkeit geben, zu gärtnern. Aber es kam anders: "Die Leute hatten viele Berührungsängste", sagt sie.
Anja Wirthmann
Heute werden die 13 Beete daher überwiegend von Mitarbeitern von "Arbeit und Ökologie" selbst, Rollstuhlfahrern der Arbeiterwohlfahrt (Awo) und einer Vorschulklasse begrünt. Gerade seien daher alle Beete besetzt – mit Feuerbohnen, verschiedenenen Kohlsorten, Radieschen, Kresse, Walderdbeeren, Kartoffeln und Salaten. "Neue Leute können sich aber jederzeit bei mir melden und im nächsten Jahr ein Beet übernehmen oder nach Absprache mit mir den Kräuter- und Gemüsegarten pflegen", sagt Wirthmann. Das ginge auch noch in diesem Sommer.
Anja Wirthmann
Wer nicht immer Zeit hat, sein Beet selbst zu bewässern, muss keine Sorge haben, dass seine Pflanzen eingehen. "Arbeit und Ökologie" kann das Gießen übernehmen. Ende der Saison im Oktober lädt Wirthmann alle zum Apfelsaftpressen ein – quasi als Erntedankfest.
Der urbane Garten ist übrigens eines von elf Klimaprojekten in Bremen, das vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und der nationalen Klimaschutzinitiative gefördert wird.
Ebenfalls gefördert wird das Urban Gardening-Projekt "Ab geht die Lucie" in der Bremer Neustadt. Dort haben die Lucie-Engagierten in der Vergangenheit sogar schon Honig geerntet.
Uta Bohls
In 2017 wurde der urbane Garten am Lucie-Flechtmann-Platz abgerissen, die Fläche entsiegelt, die Betonschicht im Untergrund entfernt. Stattdessen wurden Beete und Wege angelegt, nun wollen die Ehrenamtlichen nach und nach mit dem Pflanzen beginnen. Jeder der mitmachen will, ist herzlich willkommen.
Vanessa Ranft
Bisher fanden auf dem Lucie-Flechtmann-Platz unter anderem Flohmärkte und Pflanzentauschtage statt. Die soll es auch in Zukunft geben, denn in dem urbanen Garten soll mehr als nur gepflanzt, gesät und geerntet werden: Die Ehrenamtlichen wollen vor Ort kulturelle Angebote und Umweltbildung bieten und viel Raum geben, miteinander ins Gespräch zu kommen. Was bislang geplant ist, lesen Sie hier.
Lucie-Flechtmann-Platz, 28199 Bremen
Uta Bohls
International Gardening
Kapuzinerkresse, Kräuter, Spinat, Erdbeeren, Tomaten, Kartoffeln – all das wächst in den Palettenbeeten und Bäckerkisten am Studentenwohnheim Am Fleet/ Spittaler Straße. Vor Ort wühlen Studierende aus unterschiedlichen Nationen gemeinsam in der Erde; das Projekt "International Gardening" wurde nämlich bei Kompass ins Leben gerufen, einem Team im International Office der Universität Bremen.
Universität Bremen
"Wir möchten damit ausländische und deutsche Studierende zusammenbringen", sagt Kompass-Leiterin Jutta Paal. Das Projekt finde in diesem Jahr zum zweiten Mal statt und sei inzwischen ein richtiger Treffpunkt geworden.
Wer Lust hat, ein Beet nach seinen Vorstellungen zu bepflanzen, konnte sich auf einen Aushang melden und sich entweder mit seiner Wohngemeinschaft auf eines von sechs Palettenbeeten bewerben oder alleine auf eine Bäckerkiste. Seit April wird im Palettengarten gegärtnert, eine studentische Hilfskraft ist als Ansprechpartner vor Ort.
Studentenwohnheim Am Fleet/Spittaler Straße, 28359 Bremen
Christina Kuhaupt
QuerBeet
Mitten im Herzen von Osterholz-Tenever auf dem ehemaligen Grundstück eines abgerissenen Hochhauses liegt QuerBeet. Der Gemeinschaftsgarten wird überwiegend durch Anwohner und soziale Einrichtungen aus dem Stadtteil bewirtschaftet und gestaltet. Aber auch Menschen aus anderen Bremer Stadtteilen würden kommen und mitgärtnern, sagt Diplom-Biologe Roland Wozniewski. Gemeinsam begrünen sie seit 2016 rund 8500 Quadratmeter Fläche.
Roland Wozniewski
Auch Schulen können den Garten nutzen. Die Schülerinnen und Schüler können dabei von April bis Oktober alles vom Beetaufbau, über Aussaat und Pflege bis hin zur Ernte und Zubereitung von Speisen lernen, so Wozniewski. Für sie gibt es bei "QuerBeet" einen rund 100 Quadratmeter großen eigenen Gemeinschaftsgarten auf dem Gelände.
Ende 2017 wurde zudem ein rund 180 Quadratmeter großer Bauerngarten aufgebaut, der in diesem Jahr erstmals bewirtschaftet wird. "Hier wollen wir alte Gartenkultur aufleben lassen, mit allen ästhetischen und ökologischen Aspekten", erläutert Roland Wozniewski.
Um mitzugärtnern muss man Mitglied im Verein "Treffpunkt Natur & Umwelt" werden, der seit 2014 Mieter der Fläche ist. Anschaffungen werden aus Förder- und Spendenmitteln finanziert. Jeder Teilnehmer bekommt zwar auch ein kleines eigenes Areal, es wird aber maßgeblich gemeinsam in Gemeinschaftsbeeten oder auf dem Acker Gemüse bestellt.
Roland Wozniewski
Einmal im Jahr werde seit 2016 ein kleines Erntedankfest gefeiert und in den warmen Monaten einmal in der Woche mit Kindern des Stadtteils gekocht, erläutert der Diplom-Biologe.
Sechs- bis 18-Jährige können im Farmgarten der Kinder- und Jugendfarm in Habenhausen nach Herzenlust buddeln und Beete pflegen. Diejenigen, die regelmäßig kommen, haben ein eigenes Beet zugeteilt bekommen, andere gärtnern in Gemeinschaftsbeeten. Kinder und Jugendliche könnten während der Öffnungszeiten jederzeit dazukommen, sagt Anja Kretz, die bei der Farm als Imkerin tätig ist. "Es ist immer jemand da, der weiterhelfen kann."
Vanessa Ranft (Symbolbild)
Was im Farmgarten wächst? Unter anderem Rote Beete, Mangold, Mais, Erbsen und Bohnen. "Viele Sachen, die die Kinder erstmal nicht so lecker finden", sagt Anja Kretz. Aber sie würden so viel Zeit ins Wässern und in die Pflege stecken, dass sie das Gemüse am Ende doch probieren würden und es ihnen schmecke.
Neben den Gemüsesorten wachsen auf dem Farmgarten darüber hinaus viele Obststräucher wie Brombeeren, Himbeeren und Johannisbeeren.
Ohserstraße 4a, 28279 Bremen
Vanessa Ranft (Symbolbild)
Zolli
In Bremerhaben gibt es den Zolli, einen ehemaligen Fußballplatz in Lehe, den eine gleichnamige Bürgerinitiative in eine Naturoase und einen Platz der Begegnung für alle Generationen umgewandelt hat, erläutert Elisabeth Goth. Auch Urban Gardening finde dort statt. Derzeit wachsen in etwa zwölf Hochbeeten Kartoffeln; zudem gibt es eine Obstbaumwiese.
Keith Buckley, Zolli- Initiative
Auch einige Plastikwannen haben die Aktiven der Initiative bepflanzt. Mitte März sind sie in die Saison 2018 gestartet.
Der Zolli werde nachts abgeschlossen, betont Elisabeth Goth - spätestend um 22 Uhr und bis 8 Uhr morgens. Der Bereich des Urban Gardening ist während der Öffnungszeit des Platzes frei zugänglich. Ein Teil ist eingezäunt. Leider habe die Initiative "viele Probleme mit Vandalismus", so Goth. Deshalb sei eine Erweiterung des eingezäunten Bereiches geplant.
Weg mit der Betonwüste, hin mit viel Grün und essbaren Pflanzen: In Bremen entstehen immer mehr Urban Gardening-Projekte. Nicht zuletzt wegen des Konzeptes "Essbare Stadt", das der Senat nach und nach in Bremen umsetzen will.
Aber auch zahlreiche Initiativen bieten Gärtner- und Gartenerlebnisse mitten im urbanen Umfeld. Bei einigen kann sogar ausgesät, angepflanzt und selbst geerntet werden.
In unserer Bildergalerie stellen wir eine Auswahl dieser Urban Gardening-Projekte vor, die es in allen Ecken der Stadt gibt – von Huchting über die Neustadt, Horn-Lehe, Osterholz und Gröpelingen, bis nach Vegesack.