Manche halten den Blick auf ihren Auto-Tacho offenbar für überflüssig. Kraftfahrer und Kraftfahrerinnen werden an vielen Orten der Stadt mit Displays im Ziffern-Großdruck an die gefahrene Geschwindigkeit – und das nicht selten überschrittene Höchsttempo – erinnert. Damit die Botschaft ins Auge fällt, blinken die sogenannten Geschwindigkeitsmesstafeln (GMT) gelb (alles im grünen Bereich) oder rot (heißt: so nicht). Anders als in vielen anderen Orten zeigen die Bremer Anlagen Zahlen im Klartext. Auf Smileys warten Verkehrsteilnehmer, die sich an die Regeln halten, in Bremen vergebens.
Insgesamt 24 solcher Anlagen betreibt die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) nach Angaben ihres Sprechers Andreas Holling im Auftrag der Stadt. Zur Ausstattung der Tafeln gehören auch fünf mobile Masten – für den Fall, dass die Anlagen nicht irgendwo mit angeschraubt werden können, sondern – samt Solarmodul zur Stromversorgung – selbstständig ihre Aufgabe erfüllen müssen. Laut Beschluss des Neustädter Beirats für Mobilität und Stadtentwicklung vom Juni sollen sieben weitere Messtafeln für knapp 25.000 Euro aus dem Stadtteil-Budget für Verkehr angeschafft und in der Neustadt aufgestellt werden.
"Geschwindigkeitsdämpfende Wirkung"
Dass die seit rund zehn Jahren in Bremen eingesetzten Anlagen „eine geschwindigkeitsdämpfende Wirkung“ auf das „Fahrverhalten der Fahrzeuglenker“ haben, belegte bereits eine Untersuchung von Daten durch das Amt für Straßen und Verkehr (ASV). Dazu wurden die Ergebnisse der Messungen an vier Standorten ausgewertet. Die Daten waren jeweils eine Woche vor, während und nach der einwöchigen Messphase registriert worden.
Der im Januar 2018 der städtischen Deputation für Umwelt, Bau, Verkehr, Stadtentwicklung, Energie und Landwirtschaft vorgelegte Bericht zur Untersuchung sollte für Klarheit sorgen: „Hierdurch war es möglich, nicht nur Änderungen im Fahrverhalten der Autofahrer und Autofahrerinnen während der Installation einer GMT zu erheben, sondern auch die Nachhaltigkeit einer möglichen Verhaltensänderung nach dem Abbau der GMT zu dokumentieren.“ Ergebnis: Die Geschwindigkeitsmesstafeln hatten deutliche Wirkung auf das gefahrene Tempo, aber, so das Fazit: „Nach Abbau der GMT stellt sich innerhalb sehr kurzer Zeit nahezu das gleiche Geschwindigkeitsniveau wie vor der Aufstellung der GMT ein.“eitsmesstafeln hatten deutliche Wirkung auf das gefahrene Tempo, aber, so das Fazit: "Nach Abbau der GMT stellt sich innerhalb sehr kurzer Zeit nahezu das gleiche Geschwindigkeitsniveau wie vor der Aufstellung der GMT ein."
Stationärer Einsatz
An Messstellen, an denen Tempo 30 galt, betrug der Anteil der Geschwindigkeitsübertretungen bis zu 70 Prozent, an Messstellen mit Tempo 50 lag die Quote bei 20 Prozent. Ein gutes Argument für Einsätze wie den – stationären – an der Hemmstraße in Findorff in Höhe der Brixener Straße. Zwischen der Meraner Straße und der Rudolf-Alexander-Schröder-Straße gilt die Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 Kilometern pro Stunde. Allerdings nur montags bis freitags von neun bis 18 Uhr.
Anwohner Wolfgang Fritzsch hat festgestellt, dass die Messtafel zwar zuverlässig auch die Geschwindigkeiten langsamer Radfahrer im einstelligen Bereich anzeigt, Autofahrer aber in Tempo-30-Zeiten nicht rotblinkend gewarnt werden, wenn sie schon 50 fahren. Das bekommt nur zu sehen, wer noch schneller ist. Fritzsch hat sich ans Ortsamt West gewandt und erfahren, dass es nicht möglich sei, „die Geschwindigkeitsmesstafel regelmäßig auf die zu der Uhrzeit geltende Geschwindigkeitsbegrenzung umzustellen“. Und wer 50 statt der erlaubten 30 fahre, sollte „sowieso dringend abbremsen“, heißt es zudem in einer Behörden-E-Mail an den Findorffer. Insofern sei die Tafel „dort sicher am richtigen Ort aufgestellt“. Die Auffassung teilt Wolfgang Fritzsch allemal – und staunt ein wenig über die eingeschränkten Möglichkeiten der Geräte.
Manche können mehr
Die Geschwindigkeitsmesstafeln, erläutert BSAG-Sprecher Andreas Holling, könnten entweder die Anzahl vorüberfahrender Fahrzeuge oder deren Geschwindigkeit messen und speichern. Dass da noch mehr möglich wäre, zeigen die Errungenschaften der Bremer Polizei, die das Vorbeugungsprogramm erweitern. Im April hatte Polizeisprecher Nils Matthiesen das erste von drei sogenannten Dialog-Displays in Betrieb genommen und auch gleich den „variantenreichen“ Funktionsumfang erläutert: „Statt nur die gefahrene Geschwindigkeit anzuzeigen, werden Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer mit Symbolen wie Schulterblick, Abstand zu Fahrradfahrern, Achtung Senioren und vielen mehr zu einem rücksichtsvollen und verkehrsgerechten Verhalten animiert.“ Darüber hinaus sollen die Dialog-Displays beispielsweise auch das Tempo zu bestimmten Tageszeiten und Wochentagen ermitteln können.
Wenn Anwohner vermuten, dass in einer Straße häufig zu schnell gefahren wird, sei der Weg in den jeweiligen Beirat zu empfehlen, sagt Cornelia Wiedemeyer, die Leiterin des Ortsamtes West. In Horn-Lehe hatte sich der Verkehrsausschuss bereits vor Jahren für zusätzliche Geschwindigkeitsmesstafeln ausgesprochen – wegen des psychologischen und verkehrserzieherischen Effektes. Der Einsatz einer solchen Anlage könne auch ein guter Test sein, ehe die Polizei misst und Knöllchen verteilt, hatte Uwe Martin als Ortsamtsleiter der Neustadt 2023 festgestellt und auf Aha-Effekte gehofft, die dauerhaft zu langsamerem Fahren führen.