Die Grünen erwägen ein Ende der Passagierflüge vom Bremer Flughafen. Das geht aus einem Vorstandsentwurf für das Wahlprogramm zur Landtagswahl im Mai 2023 hervor, das an diesem Sonnabend verabschiedet werden soll. Laut dem Entwurf soll überprüft werden, ob der Hans-Koschnick-Airport in einen Werksflughafen für Airbus und andere bremische Firmen der Luft- und Raumfahrtbranche umgewandelt werden kann. Bei der Opposition stößt der Entwurf auf scharfe Kritik. "Das ist völlig hanebüchen", sagt Susanne Grobien, wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU.
Wörtlich heißt es in dem Antrag: "Angesichts der derzeitigen Krise im Luftverkehr durch Pandemie und Energiepreise ist der Bremer Flughafen unter Druck, die Gefahr einer Insolvenz trotz millionenschwerer Unterstützung der Landesregierung noch nicht gebannt. Wenn wir Bremen als Standort der Luftfahrtindustrie halten wollen, brauchen wir deshalb einen Plan B: Wir wollen dafür noch in 2023 prüfen, ob es eine beihilfekonforme Möglichkeit gibt, den Flughafen in einen Werksflughafen umzuwandeln."
Philipp Bruck, der den Antrag für das Wahlprogramm der Bremer Grünen entworfen hat, erklärte, dass laut EU-Beihilferecht ab 2024 Regionalflughäfen womöglich nicht mehr subventioniert werden dürfen. "Deshalb gebietet es die wirtschaftliche Vernunft zu überlegen, ob der Flughafen womöglich als Werksflughafen genutzt werden könnte", so Bruck zum WESER-KURIER.
Beim Koalitionspartner SPD geht man deutlich auf Distanz zum Antrag der Grünen. Bürgermeister Andreas Bovenschulte sagte: „Für mich ist nicht maßgeblich, was in irgendwelchen Wahlprogrammen steht. Für mich ist maßgeblich, was der Senat entscheidet. Und der hat sich in den vergangenen Jahren immer einmütig zum Flughafen bekannt und den Betrieb in der Pandemie finanziell massiv unterstützt. Ich sehe nicht, dass sich an dieser Haltung etwas ändern wird."
Der Flughafen sei von enormer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Bremen. Wer ihn infrage stelle, gefährde damit Tausende von Arbeitsplätzen. "Es ist für mich deshalb überhaupt keine Frage: Der Flughafen bleibt auch als Passagierflughafen erhalten", so der Bürgermeister. Und Volker Stahmann, wirtschaftspolitischer Sprecher der Sozialdemokraten, ergänzte: "Wir müssen uns doch nur mal überlegen, was die Konsequenz wäre, wenn Bremen ohne Flughafen wäre. Das hätte nicht nur große wirtschaftliche Konsequenzen, auch die Attraktivität der Stadt würde leiden."
Claudia Schilling (SPD), die als Senatorin für Wissenschaft und Häfen auch für den Airport verantwortlich ist, hält nichts von einer Diskussion um die Zukunft des Airports. „Wer den Flughafen mit seiner Anbindung an die internationalen Drehkreuze infrage stellt, stellt damit den Wirtschaftsstandort infrage. Uns im Senat ist die Bedeutung des Flughafens bewusst, auch für die Bürgerinnen und Bürger. Deshalb haben wir zuletzt unter anderem mit insgesamt 47 Millionen Euro aus dem Bremenfonds alles dafür getan, um ihn fit für die Zukunft zu machen.“
Andrea Hartmann, die Sprecherin des Airports, erklärte, dass die Prüfung des Flughafens nicht nachvollziehbar sei. "Eine Flughafen-Schließung spart nie CO2 ein. Vielmehr produziert sie am Ende mehr, da die Menschen deshalb nicht auf Reisen verzichten werden", sagte sie. "Sie werden dann – anstatt des eigenen Flughafens vor der Haustür – weiter entfernte Flughäfen nutzen, die überwiegend mit dem Auto angefahren werden.“
Ähnlich sieht es die Handelskammer. "Wir halten es für den Wirtschaftsstandort Bremen und die Metropolregion Nordwest für elementar, dass der Airport in seiner Funktion erhalten bleibt", heißt es. Zumal der Flughafen ein wichtiger Zubringer für den Interkontinentalverkehr sei und daher für Geschäftsreisende von größter Bedeutung.
Der Bremer Flughafen hatte im Sommer bei den Passagierzahlen knapp drei Viertel seines Vor-Corona-Niveaus erreicht. Insgesamt wurden während der Sommerferien etwa 2600 Flüge mit 220.000 Passagieren abgefertigt, teilte der Flughafenbetreiber damals mit. Das entspricht 73 Prozent des Fluggastaufkommens von 2019, dem letzten Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie.
Laut Florian Pfeffer, Landesvorstandssprecher der Grünen, seien viele Passagierflüge ab Bremen Kurzstreckenverbindungen nach Frankfurt, Stuttgart, München oder Amsterdam. Sie könnten überflüssig gemacht werden durch bessere Bahnverbindungen. "Die Frage ist auch, wie viel Steuergeld die Menschen in Bremen und Bremerhaven in den defizitären Flughafen stecken wollen", sagt Pfeffer. Gebraucht werde der Airport von der Flugzeugbranche und als Modellstandort bei der Entwicklung eines klimaneutralen Luftverkehrs.
Die CDU-Politikerin Susanne Grobien hält nichts von derlei Überlegungen. "Der Flughafen spielt für viele Branchen in Bremen eine existenzielle Rolle. Ich halte Pläne, den Flughafen in einen Werksflughafen zu verwandeln, deshalb für unrealistisch." Die Erreichbarkeit vieler Betriebe sei wichtig, weil sie international verflochten seien. "Allein die Diskussion, ob Bremen einen Flughafen braucht, halte ich für gefährlich. Das schadet dem Standort."