Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Lob für Polizeipräsenz Händler fühlen sich nach Großrazzia immer noch bedroht

Vor einem Monat gelang es der Polizei die Arbeitsstrukturen der Straßendealer zu zerschlagen. Nun ist jedoch wieder alles beim Alten, die Situation hat sich für die Händler und Kunden kaum verbessert.
16.11.2016, 00:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Händler fühlen sich nach Großrazzia immer noch bedroht
Von Antje Stürmann

Vor einem Monat gelang es der Polizei die Arbeitsstrukturen der Straßendealer zu zerschlagen. Nun ist jedoch wieder alles beim Alten, die Situation hat sich für die Händler und Kunden kaum verbessert.

Für die Polizei war es der große Wurf gegen den Drogenhandel: Es sei gelungen, die Arbeitsstrukturen der Straßendealer komplett zu zerschlagen, hieß es vor einem Monat. Aber nach der großen Razzia am Bahnhof und im Viertel ist jedoch offenbar fast alles wieder beim Alten. Verkäuferinnen werden beschimpft, Händler provoziert. Die meist afrikanischen Straßendealer sind vorsichtiger geworden, dealen aber noch immer ohne Hemmungen in der Öffentlichkeit.

Offenbar hat die groß angelegte Aktion der Polizei im Drogenmilieu nur kurzzeitig für Verwirrung gesorgt. „Es ist nicht besser geworden“, sagt eine Bäckerei-Verkäuferin im Schäfer's. „Die kommen herein, stehlen Löffel und wenn man etwas sagt, wird man beschimpft und bedroht.“

Lesen Sie auch

Besonders am späten Nachmittag und am Abend stünden nach wie vor Gruppen von mutmaßlichen Dealern an der Ecke Bahnhofstraße/Breitenweg und verkauften Drogen. Eine andere Verkäuferin lobt den Einsatz der Polizei vor Ort. „Aber sobald die Ordnungshüter gehen, sind die Dealer wieder da.“

Respektloses Auftreten

Die Angestellten im Schäfer's ärgern sich vor allem über das respektlose Auftreten der Männer. Einer habe in ihre Richtung gegen die Scheibe gespuckt, berichtet eine Angestellte. „Wenn sie Geld gewechselt haben wollen, werden sie frech.“

Daran habe sich in den vergangenen Wochen nichts geändert. „Viele Kunden laufen schnell am Laden vorbei, weil sie Angst haben“, sagt die Bäckerei-Verkäuferin. Nachmittags mache der Laden darum tendenziell weniger Umsatz.

Im McDonald's an der Ecke Bahnhofstraße/Breitenweg hatte sich die Situation kurzzeitig etwas gebessert. „Es stehen generell weniger dieser Leute vor der Tür und wir sind seltener genötigt, die Polizei zu rufen“, sagt Schichtführer Tim Asendorf. Verantwortlich dafür war seiner Ansicht nach aber nicht die Razzia, sondern vor allem die stärkere Präsenz der Polizei.

Lage verschlechtert sich wieder

„Die Polizisten sind sehr hilfsbereit und sie kommen bei ihrem Rundgang auch ins Restaurant.“ Inzwischen verschlechtere sich die Lage wieder. Abends, am Wochenende und nachts werde gedealt, was das Zeug hält. Wie vor der Razzia werden laut Asendorf auf den Toiletten regelmäßig Drogen konsumiert und Drogendepots angelegt.

Der Geschäftsführer eines Ladens, in dem Produkte gekauft und weiterverkauft werden, stört sich an den Gruppen, die immer noch Tag für Tag vor seinem Schaufenster stehen. „Wir gehen öfter raus und bitten diese Leute, die Schaufenster frei zu machen“, sagt Benjamin Gabriel. Verändert habe sich, dass diese Männer zu bestimmten Zeiten nicht mehr da sind – offenbar immer dann, wenn die Polizei vor Ort ist.

„Seit der Razzia hat sich nichts verbessert“, sagt Mohammad Manuteh, der seinen Kiosk an der Bahnhofstraße betreibt. „Es ist noch schlimmer geworden.“ Die Afrikaner, sagt er, versteckten Drogen in seinen Blumenkübeln und dealten ganz offen vor seinem Kiosk.

Kunden haben Angst

„Manchmal kommen die Kunden und beschweren sich. Die Leute haben Angst vor so vielen Drogendealern und Abhängigen“, so Manuteh. Er selbst sei beschimpft und bedroht worden. „Die Polizei müsste viel öfter kontrollieren. So geht das nicht“, entrüstet sich der Kiosk-Betreiber.

Bettina Patz ist Filialleiterin in einem Blumenladen an der Bahnhofstraße. Sie sagt, die Lage insgesamt habe sich gebessert, weil sich vor Ort Drogenfahnder gezeigt hätten. „Sind sie weg, sind auch die Dealer wieder da“, bedauert sie. Vor drei Wochen sei eine Mitarbeiterin um 5 Uhr morgens von drei Männern in den Laden gedrängt und belästigt worden.

Patz und ihre Kolleginnen beobachten, wie die Dealer morgens vor dem Schaufenster in zehn Minuten fünf, sechs Drogengeschäfte abwickeln. Für Patz war das Maß voll, als sie morgens im Blumenregal eine Spritze mit aufgestellter Nadel fand.

Sicherer, wie von der Polizei beabsichtigt, fühle sie sich nach deren Schlag gegen den Drogenring nicht. „Solange sich an der Politik nichts ändert, also Taten konsequenter geahndet und Straftäter des Landes verwiesen werden, wird sich hier nichts ändern“, glaubt die Filialleiterin.

Polizei tritt in großen Gruppen auf

Von einem Feinkostladen aus beobachtet die Angestellte Sarah Gutharc, dass die Polizei nun in größeren Gruppen und selbstbewusster auftritt. Insgesamt sei die Lage besser geworden. Aber immer noch sieht Gutharc Tag für Tag, wie Dealer mit ihren Kunden um die Ecke verschwinden.

„Sie dealen nicht mehr so offensichtlich. Sie sind vorsichtiger geworden“, meint Gutharc. Noch immer versteckten Dealer ihre Ware unter Fahrradsätteln, in Stromkästen oder auch mal in einer Obstkiste des Ladens. Gutharc: „Es müsste kontinuierlich Kontrollen geben, um zu zeigen: Hier gibt es Regeln.“

Am Ziegenmarkt im Viertel arbeitet Immobilieneigentümer Hrvoje Stipic. „Dieselben Jungs, die dort bisher Drogen verkauft haben, stehen dort immer noch“, sagt er. Sie seien ein bisschen vorsichtiger geworden und mobiler. „Es werden immer mehr. Sie pöbeln Passanten an. Sie sprechen immer jüngere Leute an. Ihre Verkaufsstrategien werden aggressiver“, so Stipics Eindruck. „Einen durchschlagenden Erfolg der Polizei“, so Hrvoje Stipic, „kann ich nicht bestätigen“.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)