Bremen. Mit einem Schreiben an den Innensenator hatte der Bremer Ableger des Rocker-Clubs "Hells Angels" im vergangenen Jahr seine Auflösung bekanntgegeben. Jetzt kündigen die Rocker ihre Rückkehr an. Wo genau sie sich ansiedeln wollen, bleibt aber unklar.
Manchem fiel ein Stein vom Herzen, als die Rockergruppe "Hells Angels" im Juni vermeintlich zum letzten Mal in Bremen von sich reden machte: "Das Charter Westside ist mit sofortiger Wirkung aufgelöst", hieß es in einem Schreiben an Innensenator Ulrich Mäurer. Die Rocker zogen nach eigenen Worten die Konsequenz aus polizeilichem Druck und "Kriminalisierung". Jetzt haben sie sich in der Region zurückgemeldet: "Das Charter Westside ist vor zwei Tagen wieder gegründet worden", bestätigte "Hells Angels"-Sprecher "Django" alias Rudolf Triller auf Nachfrage. Bei der Frage nach Gründen hielt er sich bedeckt: "Es ist ein Beleg für unsere Flexibilität", sagt der Rockersprecher.
Für andere ist es eher ein Beleg für den Machtwillen der Rockergruppierung. Zu ihnen gehört Wolfgang Budde. Mit einer Bürgerinitiative hatte er sich in den vergangenen Jahren gegen die Aktivitäten der "Hells Angels" in ihrem ehemaligen Clubhaus Am Dobben zu Wehr gesetzt. Budde, der in unmittelbarer Nachbarschaft zum ehemaligen "Angel Place" im Rembertiviertel wohnt, sprach von einer "schlechten Nachricht". Es sei auf Sicht bedrohlich, dass es dem Rechtsstaat bisher nicht gelungen sei, diese Szene auszutrocknen.
Dass die Rocker erneut in seiner unmittelbaren Nachbarschaft Quartier beziehen könnten, muss Budde offenbar nicht befürchten. Das Gebäude ist erkennbar baufällig. Außerdem haben sich die "Angels" nach den Worten ihres Sprechers noch nicht auf die Gründung eines Clubhauses festgelegt: "Diese Frage ist zur Zeit zweitrangig," sagt Triller. Außerdem sei das "Charter Westside" nicht auf die Stadt Bremen bezogen, sondern auf "Bremen umzu". Das bedeutet wohl, dass man in Zukunft offenkundig vor allem das Bremer Umland als Wirkungsbereich betrachtet.
Polizei beobachtet Rocker weiter
Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) zeigte sich von der Ankündigung nicht überrascht: "Ich habe immer die Auffassung vertreten, dass durch die Auflösung des Standortes Am Dobben das Problem nicht gelöst ist." Die Polizei habe die Aktivitäten der Rocker im Auge behalten. "Uns interessiert ja weiterhin, was die Beteiligten machen." Wo die "Hells Angels" ihren Sitz haben, sei zweitrangig. Es komme vielmehr darauf an, wo sich das kriminelle Umfeld befinde. Nachdem die "Hells Angels" das Clubhaus Am Dobben aufgegeben hatten, habe es in Bremen deutlich weniger öffentliche Auftritte des Clubs gegeben. Mäurer: "Was kriminelle Strukturen angeht, bin ich allerdings vorsichtiger. Die verschwinden nicht dadurch, dass man ein Telefon wechselt oder einen Standort aufgibt."
Auch für Polizeipräsident Lutz Müller kommt die Nachricht, die "Hells Angels" hätten das Charter Westside neu gegründet, nicht überraschend. "Wir beobachten seit Wochen Aktivitäten im Bremer Umland und haben damit gerechnet, dass sich da was tut." Für die Polizei habe ohnehin immer gegolten, dass sich die Hells Angels vielleicht offiziell aber nicht tatsächlich aufgelöst haben. "Für uns gibt es die ,Hells Angels’ nach wie vor. Die handelnden Personen gibt es ja schließlich auch weiterhin." Selbst dann, wenn der Rocker-Club ein neues Clubhaus etabliere, ändere das für die Polizeiarbeit nichts. "Denn das ist nur ein sichtbares Zeichen nach außen hin."
Die niedersächsische Polizei sieht das ähnlich. Insofern ist die jüngste Entwicklung auch für Hannovers Polizeipräsidenten Axel Brockmann "nichts Außergewöhnliches und kein Grund zur Beunruhigung", wie er gestern sagte. "In der Szene wurde schon länger darüber gesprochen, es war allgemein bekannt, dass die "Hells Angels" Bestrebungen verfolgen, neue Charter zu gründen", sagte Brockmann. "Auch Hannover spielt da eine Rolle. Wir sind da wachsam, Konkretes ist mir aber nicht bekannt." Der Innenausschuss des niedersächsischen Landtags hatte im Frühjahr den Antrag an das Parlament formuliert, ein Verbot der "Hells Angels" erneut "kontinuierlich und mit Nachdruck" zu prüfen. Die Rockerbande hatte sich vergangenes Jahr in Hannover selbst aufgelöst.
Konkurrenzkampf im Nordwesten
Polizeibehörden warnen seit Längerem davor, dass konkurrierende Rockergruppen durch die Gründung von Ortsvereinen vor allem in den Hafenstädten an der niedersächsischen Westküste ihre Machtgebiete abstecken. Erst kürzlich hatten die "Hells Angels" die Gründung eines Ortsvereins namens "Jade Bay" bekanntgegeben. Als Standort gilt Wilhelmshaven.
Lange Jahre galt die Westküstenregion als Domäne der bundesweit agierenden "Gremium". Diese könnten durch die Ansiedlung neuer Ortsvereine von "Hells Angels" und anderen Gruppierungen zunehmend unter Druck geraten und sich zur Wehr setzten, befürchten Experten der Polizei. Schließlich werden Mitglieder der Rockergruppen von Behörden immer wieder für schwere Straftaten verantwortlich gemacht. Als Geschäftsfelder gelten vor allem das Türsteher- und das Rotlichtmilieu sowie der Drogen- und der Waffenhandel.
Vor der Auflösung des Bremer "Hells-Angels"-Ablegers war die Zahl der sogenannten "Vollmitglieder" auf rund zwei Dutzend geschätzt worden. Die aktuelle Zahl dürfte darunter liegen, nachdem einige "Ex-Westsider" nach Wilhelmshaven gewechselt sind.
Für den Wolfgang Budde ist klar: "Sollten die ,Hells Angels’ erneut versuchen, in Bremen Fuß zu fassen, werden wir uns erneut dagegen zu Wehr setzen". Bremen dürfe kein Ort für Rocker sein, nicht im Rembertiviertel und auch nicht anderswo.
Mitautor Stefan Schölermann ist Redakteur bei NDR Info.