Marion Wetendorf steht am Sonntagmorgen vor dem Hotel Strandlust. Um sechs Uhr hat sie sich heute auf Fehmarn auf den Weg nach Vegesack gemacht. Gemütlich ausschlafen und ausgiebig frühstücken? Keine Chance. Doch Wetendorf ist begeisterte Skatspielerin. Deshalb stört sie die Anreise von der Ostsee an die Weser nicht.
Das könnte sich lohnen. Denn beim Weihnachtsskatturnier des WESER-KURIER gibt es viel zu gewinnen. 2000 Euro gibt es für den Sieger, 1000 Euro für den Zweiplatzierten, 600 Euro für den Drittplatzierten. „Das ist schon an Anreiz.“ Vor allem aber freut Wetendorf sich auf neue Mitspieler – und die Herausforderung. Skat ist eine Männerdomäne und Wetendorf eine der wenigen Teilnehmerinnen des Turniers. Gerade das findet sie spannend. „Da wollen wir Frauen uns auch profilieren. Skat ist ein Kopfspiel. Frauen haben gute Chancen.“ Und was dann noch hilft, das sei der Kartengott.
Teilnehmer aus ganz Deutschland
Schon seit ihrer Kindheit spiel Wetendorf Skat und kennt es, dabei allein in einer Runde von Männern zu sitzen. „Ich habe fünf Brüder.“ Einer von ihnen, Heiko Doebler, ist heute dabei. Zusammen sind die Geschwister oft unterwegs, fahren zu Meisterschaften und Turnieren nach München, Leipzig und nun eben Bremen-Nord. „Das ist uns schon in die Wiege gelegt, wir spielen in der Familie alle Skat“, sagt Doebler.

Eine Frau setzt sich in einer Männerdomäne durch: Skatspielerin Marion Wetendorf.
Im großen Saal des Hotels Strandlust sind bereits viele der knapp hundert Tische belegt. Vier Spieler sitzen daran jeweils, um in den Runden zu dritt gegeneinander anzutreten. In jeder Runde gibt es einen Geber, der aussetzt und die 32 Karten verteilt. Berlin, Bonn oder Fehmarn: Viele haben eine längere Reise nach Bremen hinter sich.
„Ich hatte Lust auf ein großes Turnier“, sagt Rolf Klehn. Er ist aus Bielefeld nach Vegesack gekommen. Um kurz nach sieben ist er losgefahren, um pünktlich um 10.30 Uhr an einem der Tische zu sein. Der hohe Gewinn mache den Wettbewerb natürlich besonders spannend. Klehn glaubt ebenfalls nicht nur an das Können eines Spielers. Im Skat gehe es immer auch darum, Glück zu haben. Der Kartengottfaktor eben.
380 Teilnehmer warten hier nun auf den Start des Weihnachtsturniers. Das einen beschaulichen Namen trägt, tatsächlich aber Ausdauer erfordert: Zwei Stunden dauern die 48 Runden der drei Serien – jeweils. Erst am Sonntagabend ist die Siegerehrung.
Links auf der Bühne stehen bereits die Preise: Fritteusen, Kabeltrommeln, Küchenwaagen, Weingläser, Bügeleisen und ein Fenstersauger stapeln sich dort wie an einer Losbude. Und darüber thronen drei goldene Pokale für die Sieger. „Wegen einer Mettwurst kommt keiner aus Berlin“, sagt Klaus Barr, Präsident des Bremer Skatverbands, und lacht.
Barr moderiert das Turnier und ist Ansprechpartner für alle Spieler. Bevor es überhaupt losgeht, gibt es schon Ärger. An Tisch 34 fehlt ein Schreiber. Die erzielten Punkte der Spieler müssen in einer Liste eingetragen werden. Die Spieler weigern sich offensichtlich alle, die Aufgabe zu übernehmen.
Während der Skatpartien regelt das Spielgeschehen gleich ein offizieller Schiedsrichter. Wer sich am Tisch über den Spielverlauf nicht einigen kann, ruft ihn zu sich.
Präsident Klaus Barr wünscht nun allen noch „Gut Blatt!“, dann geht es los. Die Skatkarten werden ausgeteilt. Es sind neue Pakete. Überall an den Tischen knistert die Plastikverpackung. Karten werden im Bündel kräftig auf den Tisch gekloppt und ordentlich durchgemischt. Der Turniermarathon über drei Etappen beginnt. „Ich muss sagen? Alles klar. Ich sage 18.“

380 Teilnehmer kamen nach Vegesack sogar aus Berlin und Bonn reisten sie an.
Sonnenbrillen sucht man hier in den Reihen vergeblich. An vielen Tischen gibt es schon zur ersten Runde ein Bier. Geselligkeit scheint für die Spieler wichtiger zu sein als ein Pokerface. Viele kennen sich, sie kommen aus Bremen oder der Region, aus Verden, Walsrode oder Weyhe.
„Schiedsrichter bitte!“
Schon ein paar Minuten nach dem Auftakt verlangt der erste Tisch nach einem Schiedsrichter. „Jetzt schon?“, fragt Barr und gibt seinem Kollegen Bescheid, die Sache an Tisch 74 zu klären.
Sein Vorgänger Willy Janssen, Ehrenpräsident des Bremer Skatverbands, wacht derweil auf der Bühne über das Geschehen. Der 90-Jährige hat das Turnier mitorganisiert. Irgendwann werde Barr diese Aufgabe von ihm komplett übernehmen. Am Skat fasziniert Janssen vor allem die Konzentration der Spieler auf die Karten. „Das ist ein anstrengendes Spiel, bei dem Sie nicht gedankenlos Ihre Karten wegwerfen können.“
Die Gedanken ausschließlich beim Skat – das gilt auch für das Turnier. Nur kurze Unterbrechungen gibt es in den drei Serien. Die jeweils zwei Stunden dürfen nicht überschritten werden, um den Zeitplan einzuhalten. Die Raucher nutzen den Moment für eine Zigarette vor der Strandlust. Spielanalyse. Fassungslosigkeit über die fehlende Strategie der Mitstreiter. „Und dann spielt er einen Trumpf!“
Marion Wetendorf sitzt ein bisschen versteckt an einem Tisch hinter einer Säule. Eine Stunde nach Spielbeginn gibt es für die Frau von Fehmarn ebenfalls eine kleine Pause. Gerade ist sie Geberin. Wie ist es gelaufen? „Noch nicht so riesig“, sagt Wetendorf. Nun hilft nur noch der Kartengott.