Die sogenannte Horner Spitze entwickelt sich zum Spaltpilz der Bremer Regierungskoalition: Während die SPD und das von den Linken geführte Wirtschaftsressort auf der Naturfläche Gewerbe ansiedeln wollen, sind die Grünen strikt dagegen. Die eine Seite hofft durch die Erweiterung des Technologieparks an der Universität auf Hunderte Arbeitsplätze, die andere fürchtet Umweltprobleme. Beide tragen ihre Positionen sehr vehement vor. Fraglich deshalb, ob es, wie ursprünglich geplant, noch vor der Sommerpause im Senat zu einer Entscheidung kommt. An diesem Freitag wollen die Gegner der Bebauung vor der Bürgerschaft demonstrieren.
Der Streit dreht sich um eine Fläche von knapp fünf Hektar. Sie liegt an der Bahnlinie zwischen Bremen und Hamburg. Der Technologiepark würde sich an dieser Stelle erstmals jenseits der Schienen ausdehnen. Zulasten des Vereins "Kinder, Wald und Wiese", der weichen müsste. Außerdem, so das zentrale Argument der Grünen und Umweltverbände, würde mit dem geplanten Gewerbegebiet eine wichtige Kaltluftschneise zugebaut.
SPD und Wirtschaftsbehörde pochen dagegen auf den Koalitionsvertrag. Darin wird die Horner Spitze ausdrücklich als mögliche Gewerbefläche ausgewiesen. "Ich finde bemerkenswert, dass die Grünen davon abweichen", sagt Volker Stahmann, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Der Passus beinhalte keinen Prüfauftrag, sondern sei als eindeutige Willensbekundung zu verstehen.
"Wir brauchen das Gebiet", betont der Abgeordnete. In den Technologieparks Airport-Stadt und an der Uni werde auf die Fläche bezogen ein Beschäftigungsgrad erreicht wie nirgendwo sonst in Bremen. Die jetzt vorgelegte Machbarkeitsstudie komme außerdem zu der Einschätzung, dass der Eingriff in die Natur verhältnismäßig sei. Stahmann spricht von einem offenen Konflikt mit den Grünen: "Das ist ein Fall für den Koalitionsausschuss."
Noch deutlichere Worte kommen von Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke): "Ich bin extrem verärgert über das einseitige öffentliche Aufkündigen des Koalitionsvertrages durch die Grünen. Ein Schritt, der bislang innerhalb der Koalition noch nicht einmal angekündigt wurde.“ Ihr Ressort halte sich an die Vereinbarungen. Die Entwicklung der Horner Spitze sei ein zentraler Baustein des von der Stadtbürgerschaft beschlossenen Gewerbeentwicklungsprogramms 2030. "Wer das jetzt infrage stellt, muss erklären, wo die Flächen für technologieorientierte Unternehmen künftig herkommen sollen. Der Bedarf ist da, die Nachverdichtung reicht nicht aus, und ohne konkrete Entwicklungsperspektiven verliert Bremen den Anschluss", so die Senatorin.
Die Grünen-Fraktion hat sich klar positioniert – ein einstimmiges Votum gegen die Bebauung der Horner Spitze. "Das ist eine Potenzialfläche, nicht mehr und nicht weniger", sagt Ralph Saxe, umweltpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Es gebe keinen Automatismus, das Gebiet zu entwickeln. Die Machbarkeitsstudie werde politisch bewertet, mit offenbar unterschiedlichen Schlüssen, die man daraus ziehen könne. "Und wenn wir schon vom Koalitionsvertrag reden – dort steht, dass Frischluftschneisen in Bremen, die im Landschaftsprogramm genannt werden, nicht mehr bebaut werden dürfen."
Stellung nimmt auch die Landespartei der Bremer Grünen: "Wer heute noch Frischluftschneisen versiegelt, stellt sich gegen Klimaschutz, gegen Gesundheit und gegen soziale Verantwortung", erklärt Landesvorstandssprecherin Josephine Assmus. Es sei inakzeptabel, dass von der Wirtschaftsbehörde Ökologie gegen Ökonomie ausgespielt werde, obwohl dafür keinerlei Notwendigkeit bestehe. Die Pläne müssten gestoppt und echte Alternativen geprüft werden.
Zur Demonstration an diesem Freitag ab 16 Uhr ruft ein Aktionsbündnis auf, dem seit Kurzem auch der Landesverband der Gartenfreunde Bremen angehört. Die Organisation vertritt rund 100 Vereine. "Wir sehen die Gefahr einer Salamitaktik", sagt Verbandsvorsitzende Viola Falkenberg. Zuerst die eine Fläche und dann möglicherweise die nächste und übernächste. Zwei Kleingartengebiete in der Nähe könnten Begehrlichkeiten wecken, sollte der Technologiepark irgendwann auch südlich der Bahntrasse an seine räumlichen Grenzen stoßen.
Erschlossen werden soll das Areal laut Machbarkeitsstudie am besten mit einer Bahnunterführung. Dafür allein fallen Kosten von rund 5,6 Millionen Euro an. Das gesamte Projekt schlägt nach Angaben der Studie im günstigsten Fall mit 17,4 Millionen Euro zu Buche, im ungünstigsten mit 24,4 Millionen Euro. Dem gegenüber stünden gut 600 neue Arbeitsplätze.