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Innenressort will die Gebühren anheben Immer mehr Bremer beantragen einen Waffenschein

Die Nachfrage nach Signal- , Reizstoff- und Schreckschusswaffen steigt rasant an: Allein im ersten Quartal 2016 haben die Bremer deutlich mehr „Kleine Waffenscheine“ beantragt als im gesamten Vorjahr.
11.08.2016, 00:00 Uhr
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Von Frank Hethey

Die Nachfrage nach Signal- , Reizstoff- und Schreckschusswaffen steigt rasant an: Allein im ersten Quartal 2016 haben die Bremer deutlich mehr „Kleine Waffenscheine“ beantragt als im gesamten Vorjahr.

Laut Innenbehörde wurden 2015 gerade mal 104 „Kleine Waffenscheine“ ausgestellt, bis Ende März 2016 aber bereits 156. Legt man im Jahr 2015 26 Anträge pro Quartal zugrunde, hat sich die Zahl der Anträge versechsfacht.

Für das Innenressort ein guter Grund, die Gebühren drastisch anzuheben. Kassierte der Staat bislang 50 Euro für einen „Kleinen Waffenschein“, sollen laut einer Beschlussvorlage für die Sitzung der Innendeputation am Donnerstag künftig 100 Euro fällig werden. Eine Verdoppelung der Gebühren.

Als maßgeblichen Grund für die Gebührenexplosion gibt die Behörde den gestiegenen Verwaltungsaufwand an. An sich war eine Gebührenerhöhung nicht vorgesehen. Doch bei der Bearbeitung der wachsenden Zahl von Anträgen habe sich gezeigt, dass die seit 2012 gültige Gebühr „zu niedrig kalkuliert“ gewesen sei.

Ausstellung eines "Kleinen Waffenscheins"

Wie niedrig, untermauert das Innenressort mit Vergleichszahlen aus 17 deutschen Großstädten. Danach kommen nur Berlin, Frankfurt/Main und Hannover mit Gebühren in Höhe von 50 Euro aus, alle anderen Kommunen verlangen 55 Euro oder mehr für die Ausstellung eines „Kleinen Waffenscheins“. Den Spitzenplatz belegt Nürnberg mit 150 Euro, gefolgt von Ingolstadt mit 125 Euro. München, Augsburg und Fürth verlangen 100 Euro – so wie wohl bald auch Bremen.

Auch bei den Gebühren für „richtige“ Waffen will das Innenressort in Kürze nachziehen. Zunächst müssten die erforderlichen Anpassungen allerdings noch kalkuliert werden, heißt es vonseiten der Innenbehörde.

Und das alles nur wegen gestiegener Personal- und Arbeitsplatzkosten? Genau so will Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), den drastischen Gebührenaufschlag verstanden wissen. Eine politische Absicht bestreitet sie. „Mit der Gebührenerhöhung verfolgen wir kein pädagogisches Konzept, es handelt sich nur um eine realistischere Berechnung.“ Ändert sich nichts an den Antragszahlen, soll die neue Gebühr etwa 24.000 Euro pro Jahr in die Kassen spülen.

Behörde betrachtet Entwicklung mit Besorgnis

Indessen bestreitet die Ressortsprecherin nicht, dass die Behörde die Entwicklung mit Besorgnis sieht. „Der Waffenzuwachs ist natürlich nichts, was uns freut.“ Um einen Konflikt zu entschärfen, seien Waffen nicht geeignet. Denn: „In dem Moment, in dem ich mich bewaffne, trage ich zur Eskalation bei.“ Das könne verhängnisvolle Folgen haben. Zum Beispiel, dass man sich stärker fühle, als man tatsächlich sei.

Einen „Kleinen Waffenschein“ muss jeder beantragen, der sich mit Signal- , Reizstoff- oder Schreckschusswaffen in der Öffentlichkeit bewegt. Die Altersgrenze liegt bei 18 Jahren, auch Charaktereigenschaften wie Zuverlässigkeit und persönliche Eignung gehören zu den Voraussetzungen für eine Waffenerlaubnis. Wer Vorstrafen hat, bekommt die nicht. Wer sich ohne Waffenschein erwischen lässt, begeht eine Straftat, die mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden kann.

Nicht nur in Bremen verzeichnen die Behörden eine deutlich stärkere Nachfrage nach „Kleinen Waffenscheinen“. Vielmehr handelt es sich um einen bundesweiten Trend. Nach Angabe des Bundesinnenministeriums ist die Zahl der „Kleinen Waffenscheine“ deutschlandweit im ersten Halbjahr stark gestiegen, im Juni waren über 400.000 im nationalen Waffenregister gespeichert.

Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung steigt

Über die Gründe lassen sich keine verlässlichen Aussagen treffen. Möglicherweise spielen Berichte über sexuelle Übergriffe und auch Angst vor Terror dabei eine Rolle. Auf jeden Fall gibt es ein gestiegenes Unsicherheitsgefühl und damit einhergehend wohl ein wachsendes Bedürfnis, für den eigenen Schutz zu sorgen. „Das ist ein Indiz dafür, dass die Menschen mehr als das Wort oder schnelle Füße parat haben wollen, wenn sie in eine Notlage geraten“, sagt Gerdts-Schiffler.

Die gestiegenen Antragszahlen beim „Kleinen Waffenschein“ stehen in einem auffallenden Gegensatz zu den rückläufigen Zahlen bei „richtigen Waffen“. Von einer „entgegengesetzten Richtung“ spricht Gerdts-Schiffler. Im Dezember 2015 waren im Land Bremen 2223 Waffenbesitzer registriert, 319 weniger als 2014. Ein Prozess, der nicht erst im vergangenen Jahr begonnen hat. Vor sechs Jahren wurden mit 5189 Menschen noch mehr als doppelt so viele Waffenbesitzer wie heute gezählt.

Eine Entwicklung, die sich auch in der Anzahl der Waffen in Privatbesitz widerspiegelt. Zum Jahresende 2015 waren 12 448 Waffen in privater Hand, ein Rückgang von 1088 gegenüber 2014. Zum Vergleich: 2010 gab es noch rund 16.000 Waffenbesitzer.

Keinen Zweifel lässt Gerdts-Schiffler daran, dass weniger Waffenbesitz politisch gewollt ist. Dank vieler Kontrollen und höherer Kosten sei der Bestand „richtiger Waffen“ kontinuierlich zurückgegangen. „Das ist die Richtung, die Senat, Innenbehörde und Polizei weiter gehen wollen.“ Bleibt eine Dunkelziffer illegaler Waffen, die naturgemäß in keiner Statistik auftauchen.

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