Die meisten Menschen in Deutschland leben im Alter in ihrem eigenen Zuhause, immer mehr von ihnen allein. Im vergangenen Jahr betraf das nach Angaben des Statistischen Bundesamtes rund 5,9 Millionen Menschen ab 65 Jahre, das sind 34 Prozent. Oder, anders ausgedrückt: jede dritte Person in dieser Altersgruppe. Über die deutlich gestiegene Zahl der Seniorenhaushalte aufgrund der alternden Gesellschaft hat auch die Tagesschau kürzlich berichtet: So war zuletzt jeder vierte ein reiner 65-plus-Haushalt. Das sind 25 Prozent der Zahl der Gesamthaushalte. Vor zwanzig Jahren war es noch rund jeder Fünfte.
Die Mikrozensus-Hochrechnung für 2019 im Land Bremen weist 193.000 Einpersonenhaushalte unter insgesamt 373.000 privaten Haushalten aus. Davon sind laut Statistischem Landesamt 47.000 Bewohnerinnen und Bewohner über 65 Jahre alt. Und mit 48 Prozent beziehen überdurchschnittlich viele Rentnerhaushalte Wohngeld, häufig Einpersonenhaushalte.
Auch im benachbarten Niedersachsen zeigen sich die Auswirkungen des demografischen Wandels und der steigenden Lebenserwartung bei gleichzeitiger Zunahme der gesunden Lebensjahre, die dazu führen, dass ältere Menschen länger selbstständig allein in ihrem Zuhause leben. Von den 3,9 Millionen Privathaushalten am Hauptwohnsitz sind nach Angaben des Statistischen Landesamtes Niedersachsen 1,6 Millionen Einpersonenhaushalte, wovon wiederum 557.000 Senioren ab 65 Jahre und älter weiter ihren eigenen Hausstand führen.
Das eigene Zuhause hat in der Pandemie noch an Bedeutung gewonnen, wie eine aktuelle Studie des Wohn- und Gewerbeimmobilien-Vermittlers Engel & Völkers belegt. Dafür sind bundesweit 1500 in Deutschland lebende Menschen ab 50 Jahren im Januar befragt worden. Den Lebensabend im gewohnten Umfeld zu verbringen, wünschen sich 28 Prozent und damit mehr als jeder dritte Befragte über 70 Jahre. In Bremen ist dieser Wunsch der Erhebung zufolge mit 54 Prozent am größten, wobei geringe Fallzahlen zu berücksichtigen sind. In Niedersachsen liegt der Wert bei 50 Prozent.
"Das ist für uns schon länger ein wichtiges Thema", bestätigt Dirk Schmidtmann, Bremer Landesseniorensprecher den Trend, der ein Umdenken bei der Wohnraumplanung, -bewirtschaftung und der Infrastruktur erfordert. "Es gibt einen höheren Bedarf an Single-Wohnungen als in der Vergangenheit", sagt er. Das betreffe auch den Neubaubereich. Viele Ältere würden heute durch den Wegzug der Kinder und vor allem, weil der Partner verstorben sei, allein in viel zu großen Wohnungen oder Häusern leben.
Bei Eigentum sollten Umbauarbeiten für eine Einliegerwohnung gefördert werden, fordert Schmidtmann daher. "Da fehlen entsprechende Programme." Zudem gebe es auf dem hart umkämpften Wohnungsmarkt nicht genügend Senioren-Single-Wohnungen für alle Preissegmente, beklagt er, vor allem die begehrten B-Schein-Wohnungen fehlten. "Barrierearm muss Mindeststandard sein", so der Landesseniorensprecher mit Blick auf gesundheitliche Einschränkungen im Alter, "barrierefrei wäre optimal."
In den vergangenen zehn Jahren sei der Mieteranteil der Altersgruppe 60+ der insgesamt über 42.000 Gewoba-Wohnungen relativ stabil geblieben, berichtet Christine Dose, Pressesprecherin der größten Bremer Wohnungsbaugesellschaft. Er beträgt "immer ziemlich genau ein Drittel." Die Gewoba habe für diese Zielgruppe einen Maßnahmenkatalog entwickelt, dabei auch soziale Aspekte "auf der Agenda und mit Personal unterfüttert". Seit 2008 hat die Gewoba ein Serviceteam aufgebaut, dass sich um Beratung und Hilfevermittlung kümmert.
"Wir legen Wert darauf, Barrieren zu reduzieren", sagt Christine Dose. Sofern Verbesserungen möglich seien, würden zum Beispiel Türschwellen beseitigt und Bäder saniert. Komplett barrierefreie Wohnungen könnten nur durch Neubauten geschaffen werden.
Mehrbedarf an Wohnraum für ältere Menschen sieht der Obervielander Beiratssprecher Stefan Markus (SPD) nicht, bestätigt jedoch den Trend zum längeren Verbleib im gewohnten Zuhause. "Der Quartiersbezug ist das Wichtigste, gerade im Alter", betont er. Das habe belegbar Einfluss auf die Gesundheit von Senioren.
"Eigentlich müsste alles in 'Puschenweite' erreichbar sein", lautet Stefan Markus' Credo für die Quartiersplanung, von der Einkaufsmöglichkeit übers Amt bis hin zum ÖPNV. Er spricht von "teilgeben", "weil wir gefordert sind, älteren Menschen Teilhabe zu ermöglichen". Dazu gehören seiner Ansicht nach außer bezahlbarem Wohnraum Angebote im sozialen Bereich, besonders gegen Vereinsamung und Verwahrlosung. Das Bürgerhaus Gemeinschaftszentrum Obervieland werde in Kürze einen "günstigen Seniorenmittagstisch" anbieten, kündigt er ein Pilotprojekt an.