Die Zahl der Jugendlichen, die ohne Abschluss die Schule verlassen, ist bundesweit gestiegen – in Bremen ist die Zahl der Abbrecher jedoch besonders hoch. Wie aktuelle Daten der Kultusministerkonferenz zeigen, verließen im Jahr 2017 deutschlandweit insgesamt 52 682 Jugendliche die Schule ohne Hauptschulabschluss.
Dies entspricht einer Quote von 6,5 Prozent der gleichaltrigen Bevölkerung und ist ein leichter Anstieg zum Vorjahr (6,1 Prozent). In Bremen waren es 575 Schüler beziehungsweise 8,9 Prozent der gleichaltrigen Wohnbevölkerung. Einen Hauptschulabschluss gibt es in Bremen nicht, er kommt der Einfachen Berufsbildungsreife BBR gleich.
Nur Sachsen-Anhalt (9,9 Prozent) und Berlin (10,5) schnitten schlechter ab als Bremen. Für den Stadtstaat war es allerdings der erste Anstieg nach Jahren des leichten Rückgangs. In Niedersachsen, das auf Rang vier im Ländervergleich liegt, verschlechterte sich die Quote um 0,7 Prozentpunkte und lag bei 5,9 Prozent, was 4830 Schülern entsprach. Die besten Ergebnisse erzielten laut Statistik Hessen (5,0 Prozent) und Hamburg (5,6), die sich sogar leicht verbessern konnten.
Der Bremer Bildungsbehörde zufolge ist der Anstieg insbesondere in der verstärkten Zuwanderung begründet. „Viele der neu zugewanderten Schülerinnen und Schüler sind zu kurz im allgemeinbildenden Schulsystem, um dort bereits einen allgemeinbildenden Abschluss zu erlangen“, erklärt Vivien Barlen, persönliche Referentin von Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD).
Das heißt: Vor allem Geflüchtete oder Migranten, deren Schulpflicht wenige Jahre nach ihrem Ankommen in Deutschland endet, sind betroffen. Wie hoch ihr Anteil unter allen 575 Schulabgängern ohne Abschluss aus dem Land Bremen war, kann die Behörde nicht sagen. Sie hat jedoch Zahlen für das Stadtgebiet: Von den 459 Abgängern ohne Abschluss waren 129 aktuelle oder ehemalige Vorkursschüler. Die Vorkurse sind für Einwanderer mit geringen oder keinen Deutschkenntnissen.
"Ich finde die Zahlen absolut alarmierend"
Eine aktuelle Studie des Deutschen Caritasverbandes kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Zuwanderung einer der Erklärungsfaktoren für die höhere Zahl an Schülern ohne Abschluss ist. Für viele zugewanderte Jugendliche sei es eine große Herausforderung, innerhalb kurzer Zeit eine neue Sprache zu lernen und einen Schulabschluss zu machen, so der katholische Wohlfahrtsverband.
„Ich finde die Zahlen absolut alarmierend“, sagt Thomas vom Bruch, stellvertretender CDU-Fraktionschef. „Ich denke nicht, dass Zuwanderung der einzige Grund ist.“ Die sozialen Probleme in Bremen steckten wohl auch dahinter. Es müsse stärker in der vorschulischen Bildung angesetzt werden, Eltern müssten früh in Verantwortung genommen werden. Die Schulsozialarbeit sei zwar besser geworden, müsse aber noch besser werden. Die Jugendberufsagentur müsse zudem weiter gestärkt werden. „Der Senat ist aufgefordert, mehr über die Gründe der Entwicklung herauszufinden“, sagt vom Bruch.
FDP-Bildungspolitikerin Birgit Bergmann sagt: „Fast neun Prozent – das dürfen wir uns nicht leisten.“ Sie fordert mehr Kooperationen zwischen Schulen, Wirtschaft und Handel, damit junge Menschen ein Bild bekommen, wie ein Beruf aussieht. Bergmann findet: „Jugendliche müssen eine Perspektive entwickeln, wo es hingeht.“ Für eine umfassendere Berufsorientierung in Schulen spricht sich auch die Handelskammer Bremen aus.
Es gebe 130 Berufe in den Mitgliedsbetrieben der Handelskammer, sagt Thorbjörn Ferber, Referent für Aus- und Weiterbildung. „Es wäre schön, wenn viele Berufe erst einmal bekannt wären, damit sich für Schüler ein klares Bild einer Alternative zum Schulabbruch auftut. Das gilt auch fürs Handwerk.“ Die Kammer starte dazu im Herbst eine Initiative an Schulen mit den Wirtschaftsjunioren, einem Zusammenschluss junger Unternehmer in der Kammer.
Es gibt verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten für Jugendliche, damit sie ihren Abschluss schaffen, teilt Behördenmitarbeiterin Barlen mit. Eine der Maßnahmen sind sogenannte Berufsorientierungsklassen. Schüler, die nach der Sekundarstufe I keinen Abschluss erreicht haben, werden darin auf eine Ausbildung vorbereitet und können einen Schulabschluss nachholen.
Wer nach seinem 14. Lebensjahr nach Deutschland gekommen ist, kann eine Berufsorientierungsklasse mit Sprachförderung besuchen. Dort steht zusätzlich das Deutschlernen im Fokus. Für neu zugewanderte Jugendliche, die ihrem Alter entsprechend in die neunte oder zehnte Klasse gehören, aber nicht ausreichend gut Deutsch sprechen, gibt es spezielle, abschlussorientierte Klassen. Sie sollen trotz des späten Einstiegs ins deutsche Schulsystem eine höhere Chance auf das Erreichen eines Abschlusses ermöglichen, so Barlen.
Wer keinen Schulabschluss besitzt, hat oft Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Zwei von drei Schulabbrechern in Deutschland schließen keine Ausbildung ab, heißt es im aktuellen Berufsbildungsbericht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der sich mit jungen Leuten zwischen 20 und 34 Jahren beschäftigt.