In der Martinistraße, die als vierspurige Haupttangente die Innenstadt durchschneidet, wird es jetzt ernst mit dem geplanten Verkehrsversuch, und er beginnt gleich mit der radikalen Variante: Vom 22. Juli bis zum 10. August gilt die Vollsperrung, dann ist auf Höhe Pieperstraße kein Durchkommen mehr. Im gleichen Zeitraum beginnt auf Bühnen und Türmen das groß angelegte Rahmenprogramm, das sich bis Mitte April kommenden Jahres hinziehen wird, wenn der 1,3 Millionen Euro teure Verkehrsversuch endet. Neben der knapp drei Wochen langen Sperrung gehört durchgängig ein Tempolimit von 20 Kilometern pro Stunde dazu und eine vorübergehende Einbahnstraßenregelung. Außerdem werden zwei Fahrspuren herausgenommen.
Seit Jahrzehnten wird darüber diskutiert, die Martinistraße zurückzubauen. Die 800 Meter lange Verbindung zwischen der Brill-Kreuzung und dem Tiefer schottet die City von Schlachte und Weser ab, sie ist eine Barriere und verhindert das Ziel der Planer, die Flusslage der Stadt stärker zu betonen. Ralf Fücks von den Grünen war der erste, der sich diesem Problem zuwandte und als Stadtentwicklungssenator vor fast 30 Jahren gefordert hatte, die Schneise zwar nicht zu schließen, sie aber deutlich vom Autoverkehr zu entlasten.
Zehn Jahre später wurde die Martinistraße von 18 Metern Breite auf zwölf Meter reduziert. Die vier Fahrbahnen blieben erhalten. Sie nehmen nach Angaben der Verkehrsbehörde werktags zwischen zwischen 7 und 19 Uhr durchschnittlich 16.500 Fahrzeuge auf, mehr als zwei Drittel davon sei Durchgangsverkehr. Eine Menge, die auch bei nur noch zwei Spuren ohne Weiteres bewältigt werden könne, versichert die Behörde. Das Ziel sei aber ein anderes – die autoarme oder autofreie Innenstadt. Deshalb der Verkehrsversuch mit zum Beispiel der Einbahnstraße, die eingeschränkt nur vom Pressehaus bis zum Brill gelten solle.

Unter dem Projektnamen "Transformatini" soll aus der Martinistraße ein Erlebnisraum werden.
Womit Bremen jetzt in der Martinistraße beginnt, ist in Hannover bereits Praxis. Seit zwei Wochen sind dort in der Innenstadt gleich mehrere Straßen gesperrt. Auf der Hochstraße hinter dem Hauptbahnhof wurde die Bühne für ein Theaterfestival aufgebaut. In der Nähe der Altstadt gibt es einen sogenannten Experimentier-Raum mit Sitzbänken, einem Beachtennisplatz und weiteren Angeboten. Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) will mit dem Projekt, das auf vier Wochen begrenzt ist, nach eigenen Angaben die Aufenthaltsqualität erhöhen und mehr Menschen in die City locken. Große Staus habe es wegen der Sperrungen bislang nicht gegeben, erklärte am Montag die Verkehrsmanagementzentrale Niedersachsen.

Surfen in der Martinistraße - so kann es aussehen.
Für die Bremer Martinistraße besteht der Konsens, dass sie auf jeden Fall zweispurig werden soll. Auch die Handelskammer, die in der Vergangenheit vehement dagegen war, ist mittlerweile auf diese Lösung eingeschwenkt. Die Anwohner sind ebenfalls dafür, wie Hermann Schünemann betont, der mit seinem Verlag in einer Seitengasse der Straße sitzt. "Zwei Fahrbahnen für Autos und ein großer Radweg", formuliert Schünemann seinen Wunsch. "Wir wollen eine Verkehrsberuhigung und bessere Möglichkeiten, die Straße zu überqueren", so der Unternehmer.
Gar nichts hält Schünemann von der geplanten Einbahnstraßenregelung. Und nur wenig vom anstehenden Verkehrsversuch. Er sei zwar sehr gespannt, speziell auch auf das Rahmenprogramm, letztlich würde damit aber nur Geld verschwendet und wertvolle Zeit vergeudet, bis mit der eigentlichen Planung für den Rückbau begonnen werden könne: "Der Verkehrsversuch und die Aktionen drumherum sind sicherlich nichts, womit man die City rettet."