Hohweg. Am Chrysanthemenweg 40/42 wird seit November rangeklotzt, damit dort in Zukunft naturnah gegärtnert werden kann: Nachdem der Boden nach Kampfmitteln abgesucht und auf seine Qualität hin geprüft worden ist, haben Max Neumann, Roland Wozniewski und mehrere ehrenamtliche Unterstützer auf dem knapp 900 Quadratmeter großen Grundstück neue Obstbäume und Beerensträucher angepflanzt. Jetzt sind sie dabei, das alte Kaisenhaus auf der Parzelle wieder in Schuss zu bringen und zu einer Art Klubhaus umzugestalten: Die „Chrysantheme“ soll ein Treffpunkt für alle im Grünen Bremer Westen werden, die Saatgut, Pflanzen oder einfach ihr Gartenwissen tauschen möchten. Auch verschiedene Projekte etwa im Bereich Naturschutz, Umweltbildung oder kulturelle Bildung sind geplant. Hinter dem vom Umweltressort, der Postcode Lotterie und der Sparda Bank Stiftung geförderten Projekt stehen die beiden Vereine Treffpunkt Natur & Umwelt und Arbeit und Ökologie.
Erste Aktion soll der Aufbau einer Saatgut-Bank sein. Gemeint sei damit nicht etwa ein Projekt wie der „Weltweite Saatgut Tresor Spitzbergen“ für den Fall, dass Kriege, Katastrophen oder Klimawandel sämtliche Kulturpflanzen vernichten, erklärt der Biologe und Umweltbildner Wozniewski. Sondern eine Börse, bei der privat Bio-Saatgut getauscht werden könne: „Denn man hat ja eigentlich immer was abzugeben. Oft ist aber gerade niemand da, der etwas sucht. Oder jemand möchte Saatgut haben – findet aber niemanden, der etwas hat. Und so landet man dann im Baumarkt und kauft was, das nicht vermehrungsfähig ist.“
Hierzu wollen sie eine Alternative bieten; das Angebot ist Biologe Max Neumann zufolge erweiterbar: „Irgendwann werden hier hoffentlich auch Jungpflanzen oder Produkte getauscht.“ Anschieben möchten Neumann und Wozniewski das Projekt mit ökologisch erzeugtem Saatgut, das sie am letzten April-Wochenende ausgeben. „Wir haben etwa 60 Sorten, vor allem Gemüse“, so Neumann, „denn es geht bei dem Projekt ja auch um ernährungspolitische Aspekte. Und um Naturschutz – deshalb gibt es auch Saatgut für Blumen und Bienenweide.“ Einige Sorten wie Tomaten oder Paprika sind schon vorgezogen, sodass es in diesem Jahr definitiv mit der Ernte klappen kann. Samen für Zucchini, Gurken, Melonen oder Kürbisse wollen die beiden Biologen aber nicht anbieten, so Neumann: „Denn da kann man nie sicher sein, dass sich da nicht doch etwas eingekreuzt hat – das kann passieren, wenn zum Beispiel auf dem Nachbargrundstück Zierkürbisse wachsen.“ Die Vermehrung dieser Pflanzen kann gesundheitliche Risiken bergen.
Beim Aufbau der Saatgut-Bank können alle Interessierten aus dem Bremer Westen aktiv mithelfen und sich nun Saatgut abholen – unter einer Bedingung, so Wozniewski und Neumann: „Die Empfänger müssen sich bereit erklären, später von uns kontaktiert zu werden, selbst wieder Saatgut zu ernten und es im Herbst bei uns vorbeizubringen, sodass wir es katalogisieren, über den Winter einlagern und in 2022 wieder ausgeben können.“ Es dürfen auch gerne eigene Sorten abgegeben werden, so Wozniewski: „Wichtig ist dabei aber, dass sie natürlich nicht behandelt und die Pflanzen, von denen sie stammen, ökologisch angebaut wurden.“
Mit ihrem Projekt möchten die beiden Initiatoren mehr Menschen für Bio-Saatgut begeistern und den Austausch unter den Hobbygärtnern im Grünen Bremer Westen fördern. Schon seit sie 2016 die damals vom Umweltressort veröffentlichte Broschüre zum geplanten „Naherholungspark Bremer Westen“ in Händen hielten, wollten sie dort unbedingt ein gemeinsames Projekt auf die Beine stellen: „Denn wir sind überzeugt, dass das Gesamtgebiet ein riesiges Potenzial innehat, das die Bremer und Bremerinnen gemeinsam nutzen müssen.“
Interessierte, die die Saatgut-Bank mit aufbauen möchten, können am Sonnabend, 24. April, Sonntag, 25. April, jeweils von 10 bis 15 Uhr am Chrysanthemenweg 40/42 Tütchen mit Saatgut und Jungpflanzen abholen, gerne gegen Spende. Eine Saatgut-Liste ist unter http://tnu-bremen.de/projekte/chrysantheme zu finden.
Wo Saatgut herkommt
Der konventionelle Markt hat sich auf die Züchtung von Sorten konzentriert, die besonders groß und gleichmäßig wachsen und hohen Ertrag bringen. So nimmt die Sorten-Diversität ab. Auch stammen diese Pflanzen meist aus sogenanntem Hybrid-Saatgut, das nicht mehr weiter vermehrt werden kann. Hobbygärtner müssen deshalb jedes Jahr neues Saatgut kaufen und sind dabei vom – eingeschränkten – Angebot großer Konzerne abhängig. Eine nachhaltige Alternative ist ökologisches Saatgut, das samenfest (also vermehrungsfähig) ist und robustere Pflanzen hervorbringt. Denn: Anders als bei konventionellem Saatgut darf bei der Gewinnung von Bio-Saatgut keine Gen-Technik und kein künstlicher Dünger eingesetzt werden und zur Abwehr von Schädlingen sind nur natürliche Mittel zugelassen. So entwickeln die Pflanzen natürliche Abwehrkräfte und die vielfältige Bodenfauna, die für den Bodenaufbau verantwortlich ist, wird erhalten. Ein weiterer positiver Aspekt: Bio-Saatgut erhält die genetische Vielfalt der Pflanzen.
Weitere Informationen
Der Bremer Westen ist grün: Westlich der Mülldeponie erstreckt sich zwischen dem Naturschutzgebiet Blockland und der Bahnstrecke Bremen–Bremerhaven ein 480 Hektar großes Areal mit schätzungsweise 4000 Kleingärten: Bremens größtes Parzellengebiet, das die Stadt seit einigen Jahren zum Naherholungspark „Grüner Bremer Westen“ für Spaziergänger, Radfahrer und andere Ausflügler weiterentwickelt. In loser Folge berichten wir über Akteure, Projekte, Einrichtungen und andere spannende Themen in diesem Gebiet.