Rolf Dembinski: Ich würde die Situation als gespannt stabil bezeichnen. Wir haben im Moment genügend Kapazitäten, um unsere Covid-Patienten in Bremen zu versorgen. Im Klinikum Mitte halten wir insgesamt zwölf Intensivbetten für Covid-Patienten frei. An diesem Mittwoch waren neun Betten davon belegt. In den anderen Kliniken in Bremen-Stadt sieht es ähnlich aus, zwölf Betten wurden am Mittwoch in Bremen-Stadt als frei gemeldet. Damit kommen wir im Moment ganz gut klar.
Die Lage kann sich schnell ändern.Alle Kliniken in Bremen haben einen Notfallplan, sodass innerhalb von ein, zwei Tagen noch einmal deutlich aufgestockt werden könnte. Wir versuchen deshalb die Ressourcen für die Covid-Patienten möglichst eng zu steuern, weil wir natürlich auch die Verantwortung gegenüber anderen intensivpflichtigen Patienten haben. Das ist der Balanceakt, mit dem wir uns seit Wochen beschäftigen.
Alle Kliniken in Bremen stehen ständig in einem engen Austausch. Vor etwa drei Wochen waren wir an einem Tag ganz knapp hier mit Intensivbetten, wir hätten kaum noch etwas anzubieten gehabt. Im Klinikum Bremerhaven-Reinkenheide gab es noch mehr Kapazitäten, sodass wir Patienten dorthin verlegt haben. Das sind Akut-Situationen, die wir natürlich nicht gerne haben, weil man Patienten aus ihrer Heimatstadt wegverlegt. Aber in diesen Fällen zählt natürlich das höhere Gut, dass überhaupt alle versorgt werden können. Das war bislang jedoch einmalig.
Was bereitet Ihnen besonders Sorge?Die Situation ist schwer vorhersehbar. Im Herbst habe ich nicht unbedingt damit gerechnet, dass eine wirklich große Welle auf uns zurollt und wir Riesenprobleme bekommen. Jetzt würde ich sagen, wir sind etwa im Mittel angelangt: Wir haben Probleme, die wir aber noch geregelt bekommen.
Was ärgert sie?Ich hätte mir vorstellen können, dass die Maßnahmen, die bisher zur Reduzierung der Kontakte getroffen wurden, etwas effektiver gewesen wären. Stattdessen sind wir mit den Infektionszahlen so hochgegangen, dass wir nun den Lockdown bekommen haben, den wir wahrscheinlich verdienen.
Im Frühjahr wurden im Klinikum Bremen-Mitte einige französische Covid-Patienten behandelt. Zuletzt hatten wir auch wieder eine Anfrage aus Frankreich. Das war aber in der Situation, als wir hier auch eher knappe Kapazitäten hatten, deshalb konnten wir diese Patienten nicht übernehmen. Aus anderen Bundesländern kommen ab und an Anfragen, zum Beispiel auch aus dem niedersächsischen Umland. So gut es geht, versuchen wir diese Anfragen zu bedienen.
Wie geht es den französischen Patienten aus dem Frühjahr, haben Sie Rückmeldungen bekommen?Die Patienten sind in einem sehr guten Gesundheitszustand nach Hause zurückgekehrt. Von dem Bürgermeister haben wir eine Grußkarte bekommen. Es hat uns sehr gefreut, dass wir diesen sehr schwer erkrankten Menschen helfen konnten. Soweit ich weiß, sind sie bei guter Gesundheit geblieben.
Vor zwei Wochen bin ich noch davon ausgegangen, dass wir bis Weihnachten relativ stabil bei den Infektionszahlen dastehen und wir in den Kliniken erst etwa Mitte Januar Probleme bekommen – wenn sich das Weihnachtsfest bemerkbar macht. Die ganze Situation hat sich geändert, sodass ich mich nicht wundern würde, wenn wir weiterhin steigende Infektionszahlen haben – bis die Impfung greift.
Für die Kapazitäten auf den Intensivstationen ist nicht nur die Bettenzahl ausschlaggebend. Eine entscheidende Größe ist das Personal, wie ist die Lage bei Ihnen?Man muss natürlich auch immer damit rechnen, dass sich jemand mit Corona infizieren kann, weniger arbeitsbedingt als im privaten Umfeld. Meine große Sorge ist vor allem auch, dass die Dauerbelastung gerade das Pflegepersonal so sehr erschöpft, dass man schneller erkrankt. Auch eine normale Erkältung entwickelt sich unter extremen Bedingungen, wie sie nun seit Monaten herrschen, anders.
Was ist Ihre große Hoffnung in dieser Situation?Ganz klar die Impfung. Sobald sie verfügbar ist, werden wir eine deutliche Stabilisierung erfahren, davon gehe ich ganz fest aus. Bis dahin stehen uns aber noch schwierige Wochen bevor.
Das Gespräch führte Sabine Doll.
Die Bremer Gesundheitsbehörde war am Mittwoch routinemäßig mit Notfall- und Intensivmedizinern zusammengekommen, um unter anderem die Bettenlage zu besprechen. „Wir sind gut aufgestellt“, sagte Behördensprecher Lukas Fuhrmann nach dem Treffen. Die Lage in den Krankenhäusern sei angespannt, aber beherrschbar. Nur in Bremerhaven habe es an einem der vergangenen Tage mal eine kritische Situation gegeben, als kurzfristig kein Intensivbett zur Verfügung gestanden habe und der Patient in ein Bremer Krankenhaus gebracht worden sei. Danach habe sich die Belastung auf der Station in Bremerhaven aber schnell wieder eingependelt.
Nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) von Mittwochnachmittag waren zu dem Zeitpunkt von den 205 Intensivbetten im Land Bremen 20 noch frei. Als Kapazität hinzu kommen allerdings weitere 135 Plätze, die kurzfristig organisiert werden können. „Technisch ist das überhaupt kein Problem, die Betten mit Beatmungsgerät würden innerhalb von Stunden bereit stehen“, so Fuhrmann. Dass der Puffer beim RKI mit sieben Tagen ausgewiesen wird, erklärte der Sprecher mit dem notwendigen Personal: „Das ist das Nadelöhr.“ Die Krankenhäuser seien aber auch in dieser Hinsicht gerüstet und würden in so einem Fall prüfen, welche sonstigen Behandlungen und Operationen verschoben werden könnten, um die Kräfte frei zu bekommen.
Fuhrmann hebt zwei Pluspunkte hervor, die aus seiner Sicht zur Entschärfung beitragen. Erstens habe sich in den vergangenen Tagen die Situation im Intensivbereich nicht verschlechtert. Und zweitens würden die Bremer Krankenhäuser in dem Bereich sehr gut zusammenarbeiten, unabhängig davon, zu welchem Träger sie gehörten.