Ein Fünftel aller Bremerinnen und Bremer zwischen 25 und 64 Jahren hat nach Angaben der Arbeitnehmerkammer Bremern keinen Berufsabschluss. Die Kammer bezieht sich dabei auf Daten der statistischen Bundes- und Landesämter. Während in etlichen Branchen händeringend Fachkräfte gesucht werden, ist zugleich der Anteil der Ungelernten in Bremen so hoch wie in keinem anderen Bundesland. Niedersachsen und Hamburg bewegen sich mit einem Ungelernten-Anteil von 15,8 Prozent im Ländervergleich im unteren Mittelfeld.
Warum ist der Anteil der Ungelernten in Bremen so hoch?
Bremen hat im Vergleich der Bundesländer den höchsten Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund. Darauf verweist Irene Dingeldey, Direktorin des Instituts für Arbeit und Wirtschaft (IAW): "Daraus ergeben sich bestimmte Probleme", sagt die Sozialwissenschaftlerin. "Wir haben uns in Bremen sehr solidarisch gezeigt bei der Aufnahme von Geflüchteten, aber jetzt ist die Integration natürlich auch eine Herausforderung." Einerseits würden Ausbildungen, die Zuwanderer in ihrem Herkunftsland gemacht haben, oft nicht anerkannt. Andererseits fühlten viele Migranten sich verpflichtet, ihren Familien im Heimatland Geld zu schicken. Viele wollten deshalb direkt arbeiten und nicht erst eine gering bezahlte Ausbildung machen. Auch fehlende Sprachkenntnisse könnten ein Hemmnis sein, so Dingeldey: "Und Geduldete haben zum Beispiel kein Recht auf einen Sprachkurs."
Zudem gebe es in Bremen einen hohen Anteil von Menschen ohne Hauptschulabschluss: "Das ist natürlich eine Hürde", so Dingeldey.
Was machen die vielen ungelernten Bremer?
Von den Menschen ohne Ausbildung in Bremen waren zuletzt laut Arbeitnehmerkammer 39.000 sozialversichert beschäftigt, 27.000 arbeitslos gemeldet und 10.000 geringfügig beschäftigt. „Der größte Teil der Bremer Ungelernten arbeitet im Bereich Logistik: 7000 Beschäftigte in diesem Bereich haben keine Berufsausbildung", sagt Marion Salot von der Arbeitnehmerkammer. Sie arbeiteten zum Beispiel als Lagerarbeiter, Paketzusteller oder im Güterumschlag der Häfen. „Es gibt viele Jobs im Logistik-Sektor, die keine Ausbildung erfordern", so Salot. Dies könne die Gefahr bergen, dass Beschäftigte in Helfertätigkeiten stecken blieben. Sehr viele Ungelernte arbeiten zudem in der Reinigung, und auch in der Pflege ist der Anteil der ungelernten Hilfskräfte hoch.
Welche Chancen hat man ohne Ausbildung?
Für Ungelernte stehen die Arbeitsmarktchancen laut Arbeitnehmerkammer schlecht: Ein Drittel der Bremerinnen und Bremer ohne Berufsabschluss ist arbeitslos (33,5 Prozent). Zum Vergleich: Bei den Personen mit Abschluss waren nur fünf Prozent arbeitslos. Wer auch ohne Ausbildung einen Job finde, arbeite oft für niedrigen Lohn und unter schlechten Bedingungen, so die Arbeitnehmerkammer.
Gleichzeitig suchen Unternehmen händeringend nach Fachkräften. Das spüren auch Bremer Firmen – sogar bei der Suche nach Auszubildenden: Nach Angaben der Handelskammer Bremen gaben zuletzt mehr als ein Drittel von über 300 befragten Bremer Unternehmen an, dass sie nicht alle ihre Ausbildungsplätze vergeben konnten.
Wie werden Weiterbildungen gefördert?
„Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels setzen wir sehr auf berufliche Weiterbildung", betont Jörg Nowag, Sprecher der Arbeitsagentur Bremen. "Die Agentur für Arbeit und das Jobcenter kämpfen genau an dieser Stelle." Nach Angaben der Arbeitsagentur machen Ungelernte die große Mehrheit der Bremer Arbeitslosen aus (70 Prozent). Zuletzt hätten Jobcenter und Agentur in Bremen knapp 100 Millionen Euro im Jahr in Weiterbildungen investiert, so der Sprecher: „Im August haben im Agenturbezirk Bremen 2500 Menschen an einer Weiterbildung teilgenommen."
Mit dem neuen Bürgergeld gebe es Verbesserungen für Ungelernte, sagt Dingeldey: Arbeitslose, die in einen Job vermittelbar wären, hätten bisher kein Recht auf eine Ausbildungsförderung gehabt. Das ändere sich nun. Zudem zahle der Staat künftig Personen, die eine Weiterbildung machen, 150 Euro pro Monat als finanziellen Anreiz.
Was sind die größten Hürden für das Nachholen einer Ausbildung?
„Eine große Hürde ist sicher, ob man sich im fortgeschrittenen Alter zutraut, nochmal die Schulbank zu drücken", sagt Agentursprecher Jörg Nowag. "Ältere Menschen sind oft schwer zu erreichen für eine Qualifizierungsmaßnahme", sagt auch Björn Reichenbach, Teamleiter für Ausbildungsberatung bei der Handelskammer Bremen. "Auch wer bereits berufstätig ist, kann einen externen Abschluss nachholen – das geschieht aber deutlich seltener als man sich wünschen würde."
Für Arbeitslose, die eine Ausbildung nachholen wollen, gebe es viele Fördermöglichkeiten, sagt IAW-Direktorin Dingeldey. Aber für berufstätige Ungelernte sei es lange schwierig gewesen, staatliche Hilfen für eine Weiterbildung zu bekommen. Wer bereits im Berufsleben steht, muss für eine Weiterbildung seine Arbeitszeit reduzieren und sich dennoch finanzieren - ohne Förderung ist das für viele unmöglich. Auch für Berufstätige gebe es aber inzwischen durch das seit 2019 geltende Qualifizierungschancengesetz mehr Fördermöglichkeiten, um Abschlüsse nachzuholen, so Dingeldey.