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Statistik der Arbeitsagentur Bewerbermangel bleibt akut

Eine ganze Reihe von Unternehmen in Bremen würde gern noch für dieses Ausbildungsjahr Azubis einstellen, findet sie jedoch nicht. Nun fürchten sie die Ausbildungsumlage, die SPD, Linke und Grüne anstreben.
29.07.2022, 18:02 Uhr
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Bewerbermangel bleibt akut
Von Florian Schwiegershausen

Thomas Gerkmann sucht nach zwei Azubis, die als Kaufleute im Groß- und Außenhandel eine Ausbildung machen möchten und findet sie nicht. Er und sein Vater führen die Firma F. Undütsch. Die versorgt unter anderem Schulen in der ganzen Welt mit Materialien für den Unterricht – vom Lehrbuch bis zur Kreidetafel. Ebenso liefern sie Laborbedarf und Ersatzteile für die Industrie. Das Familienunternehmen in der Vahr mit 25 Beschäftigten ist damit in Afrika unterwegs, im Nahen Osten oder auch in Südamerika. "Bei den möglichen Kandidaten schaue ich eher weniger auf die Noten", sagt Gerkmann. Ihm gehe es eher um den persönlichen Eindruck.

Einige hundert Meter von F. Undütsch entfernt ist die HB-Orthopädietechnik. Dieser Betrieb sucht noch einen Azubi, der eine Ausbildung zum Orthopädieschuhmacher beginnen möchte. "Gern hätten wir auch schon im vergangenen Jahr jemanden eingestellt, haben aber leider niemanden gefunden", heißt es aus dem Geschäft. Der Beruf habe auf jeden Fall Zukunft, doch anscheinend hätten die jungen Menschen eher andere Branchen für sich auf dem Schirm.

Mehr Plätze als Bewerber

Die Erfahrungen dieser beiden Betriebe spiegeln sich in der Statistik wider, die die Bremer Arbeitsagentur am Freitag veröffentlicht hat. Demnach sind von den 5423 gemeldeten Ausbildungsplätzen im Bezirk der Behörde (Bremen, Bremerhaven und der Landkreis Osterholz) 2436 noch unbesetzt. Das sind 45 Prozent mehr als im Vorjahr. Dem stehen 1809 von insgesamt 4803 jungen Menschen gegenüber, die immer noch als unversorgt gelten. Hier verzeichnet die Arbeitsagentur gegenüber 2021 ein Minus von 8,2 Prozent. "Für die noch unversorgten Jugendlichen haben sich damit die Chancen erheblich verbessert, in diesem Jahr noch einen Ausbildungsplatz zu finden", sagt der Chef der Bremer Arbeitsagentur, Joachim Ossmann. Er empfiehlt ihnen, sich auch während der Ferien weiter zu bewerben und intensiven Kontakt zur Berufsberatung zu halten.

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Handwerkskammer-Präses Thomas Kurzke stellt anhand der Zahl der Ausbildungsplätze fest: „Das zeigt, dass die Betriebe eine sehr große Bereitschaft haben, auszubilden. Leider finden viele keine oder keine geeigneten Bewerber oder Bewerberinnen. Dabei sind sie oftmals auch dazu bereit, bei ihren Anforderungen Abstriche zu machen und jungen Leuten, die keine Vorzeigezeugnisse mitbringen, eine Chance zu geben." Noch gibt es 320 Ausbildungsplätze, im Juli vor einem Jahr waren es 160. Gerade in Berufen, die zur Umsetzung des Klimaschutzes relevant sind, gebe es noch viele offene Stellen. Bisher hat die Kammer 600 Ausbildungsverträge geschlossen und liegt damit auf Vorjahresniveau. Man hofft, dass man bis Herbst wieder auf 1100 kommt.

Ein Plus bei Bank- und Industriekaufleuten

Die Bremer Handelskammer kann dagegen schon jetzt mehr abgeschlossene Ausbildungsverträge melden als Ende Juli 2021: Jetzt liegt die Zahl bei 2493 gegenüber 2383 im Vorjahr und 2401 im ersten Pandemiejahr. "Erfreulicherweise steigen die Vertragsabschlüsse in den Ausbildungsberufen der Bank- und Industriekaufleute wieder an. Bedauerlicherweise verzeichnen wir hingegen in den Lagerberufen und bei Kaufleuten für Büromanagement ein leichtes Minus", stellt Martin Kasten als Teamleiter Aus- und Weiterbildung fest. Er sagt, dass so manches Unternehmen die Mindestanforderungen an die Bewerbungen weniger strikt aufstelle: "Bei unseren Ausbildungs-Speeddatings ging es auch erst mal um den persönlichen Eindruck."

Thomas Gerkmann von F. Undütsch hat als Phänomen bemerkt: "Es kann vorkommen, dass Bewerber fünf Ausbildungsverträge gleichzeitig unterschrieben haben und kurz vor Start vier Betrieben absagen." Er fürchtet deshalb auch die Ausbildungsabgabe, die die Regierungskoalition für Bremen plant: "Ich würde gern Azubis einstellen und finde keine, und soll dafür hinterher auch noch bezahlen?" Diese Kritik äußern sowohl die Handelskammer als auch Handwerkskammer-Präses Kurzke, der angesichts der noch offenen Stellen sagt: "Die Einführung eines Ausbildungsfonds, wie er in Bremen geplant wird, wäre absurd." Die Kreishandwerkerschaft zweifelt, ob eine solche Abgabe als Insellösung für Bremen überhaupt rechtskonform sei. Kreishandwerksmeister und Tischler Matthias Winter prophezeit: "Dann werden weitere Betriebe nach Niedersachsen abwandern, wo es eine solche Abgabe nicht gibt." Die Firmen haben bei dieser Kritik die Bremer CDU auf ihrer Seite.

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Im Hotel- und Gastrogewerbe ist laut Kammer festzustellen, dass wieder mehr Azubis gesucht und mit Glück auch gefunden werden, wie das Beispiel der Alexander von Humboldt an der Weser zeigt. Ein Koch-Azubi beginnt dort am Montag seine Ausbildung. "Vergangene Woche hat er zur Probe vorbeigeschaut, Donnerstag haben wir den Vertrag gemacht", freut sich Geschäftsführer Guido Meinke.

Zur Sache

Arbeitslosenquote leicht gestiegen

Am Freitag hat die Bremer Arbeitsagentur auch die aktuellen Zahlen zum Arbeitsmarkt veröffentlicht. Demnach stieg in der Stadt Bremen im Juli die Arbeitslosenquote gegenüber Juni um 0,5 Punkte auf 9,7 Prozent. Im Juli 2021 lag die Quote bei 10,1 Prozent. In Bremerhaven stieg die Arbeitslosenquote gegenüber Juni von 13,5 auf 13,7 Prozent. Vor einem Jahr waren es 12,9 Prozent. Als Gründe für diesen Anstieg nannte der Chef der Bremer Arbeitsagentur, Joachim Ossmann zwei Faktoren: "Nach Schul- oder Studienabschluss haben sich wie in jedem Jahr mehr junge Menschen übergangsweise arbeitslos gemeldet. Außerdem wurden im Juli viele Geflüchtete aus der Ukraine als Arbeitslose in die Grundsicherung übernommen."

Beim Thema Ausbildung erneuert die Kreishandwerkerschaft ihre Kritik am geplanten Berufsschulcampus in Bremen-Blumenthal. Der Vorstand der Kreishandwerkerschaft und der Arbeitgeberverband Handwerk sind gegen den Campus auf dem ehemaligen Gelände der Bremer Woll-Kämmerei: "Der Standort in Bremen-Nord bedeutet für viele der größtenteils minderjährigen Auszubildenden lange Anfahrtswege." Man begrüße, dass das Land Bremen in Ausbildung investiere, kritisiere aber, dass sich das Handwerk mit seinen konstruktiven Vorschlägen bei dieser Entscheidung nicht wiederfinde.

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