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Baustelle vor der Synagoge Jüdische Gemeinde erweitert Kindergarten

Das Haus der Jüdischen Gemeinde ist eine Baustelle, denn: Der Kindergarten braucht mehr Platz. Seit 1997 gibt es diesen Kindergarten. Inzwischen gibt es eine Warteliste, so groß ist der Andrang.
30.07.2016, 00:00 Uhr
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Von Kathrin Aldenhoff und André Fesser

Das Haus der Jüdischen Gemeinde ist eine Baustelle, denn: Der Kindergarten braucht mehr Platz. Seit 1997 gibt es diesen Kindergarten. Inzwischen gibt es eine Warteliste, so groß ist der Andrang.

Elvira Noa zuckt jedes Mal zusammen, wenn der Bauarbeiter mit seinem Hammer einen Nagel in die Bretterwand schlägt. Sie hält sich die Ohren zu, läuft durch den Gang, von dem noch bis vor wenigen Monaten Türen in die beiden Räume des Kindergartens führten. Jetzt baumeln Kabel von der Decke, sie haben Wände aus dem Gebäude gerissen, neue Mauern aus roten Ziegelsteinen gebaut, den Boden rausgerissen und einen Neubau vor das Gebäude gesetzt. Das Haus der Jüdischen Gemeinde ist eine Baustelle, denn: Der Kindergarten braucht mehr Platz.

Seit 1997 gibt es den Kindergarten Martha Goldberg in der Jüdischen Gemeinde Bremen, anfangs besuchten ihn sechs Kinder. Inzwischen gibt es eine Warteliste, so groß ist der Andrang. „Hier wird sehr persönlich gearbeitet und frisch gekocht“, sagt Elvira Noa, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Bremen. „Das macht viel aus.“ Doch das allein wird nicht der Grund für den Andrang sein, sondern vielleicht auch das offene Konzept: Jüdische, christliche und muslimische Kinder spielen dort miteinander, lernen voneinander. „Der Kindergarten ist für alle offen. Von Anfang an waren auch nicht-jüdische Kinder dabei.“

Gelebt wird in dem Kindergarten aber nach jüdischen Regeln, es werden die jüdischen Feste gefeiert, nicht die christlichen. Chanukka statt Weihnachten, und am Freitag schließt der Kindergarten etwas früher als sonst, damit sie in der Gemeinde den Ruhetag Schabbat vorbereiten können, der am Freitag mit dem Sonnenuntergang beginnt und bis zum Abend des nächsten Tages dauert. Das Essen im Kindergarten ist koscher, deshalb haben sie hier zwei Küchen: eine für Milchspeisen, eine für Fleisch.

Zwei Kindergartengruppen für Kinder ab drei Jahren gibt es, 25 Plätze. Vor einem Jahr haben sie außerdem eine Hortgruppe gegründet, für die Kinder unter drei Jahren. Die Zahl der Neugeborenen und die Nachfrage der Eltern erforderten das, die Räume aber gaben das eigentlich nicht her. Das Problem war nicht nur zu wenig Platz: „Die Räume entsprachen nicht mehr den Standards“, sagt Elvira Noa. Und die Hortgruppe hatten sie provisorisch in der Wohnung des früheren Rabbiners eingerichtet, aus Platzmangel. Deshalb wird nun gebaut: ein neuer Ruheraum für mehrere Kinderbetten, ein zusätzlicher Gruppenraum, ein heller Anbau.

Umbau kostet 1,3 Millionen Euro

Der Umbau kostet nach Angaben der Bildungsbehörde rund 1,3 Millionen Euro, das Geld kommt von der Stadt Bremen und vom Bund. Die jüdische Gemeinde übernimmt rund zehn Prozent der Kosten. „Das Angebot der Jüdischen Gemeinde ist ein unverzichtbares Angebot der Kindertagesbetreuung in Bremen“, sagte eine Sprecherin der Bildungsbehörde. Daher sei das Angebot so auszubauen, dass dort auch Kinder unter drei Jahren betreut werden können. Ein Konzept der Bildungsbehörde sieht den Ausbau der Plätze für unter Dreijährige bis zum Jahr 2020 vor. Eigentlich dauert das alles viel zu lange, denn gerade in diesen Tagen, kurz vor Beginn des neuen Kindergartenjahres, wird deutlich, dass Bremen Betreuungsplätze für Hunderte Kinder fehlen. Die zuständige Kinderbehörde räumt dies auch ein, die Oppositionsparteien sind empört. Die CDU fordert eine Sondersitzung der zuständigen Deputation, um konkrete Zahlen von Senatorin Claudia Bogedan (SPD) zu erhalten. Von Chaos ist die Rede und von Missmanagement.

Im Büro von Elvira Noa ist von diesem Wirbel gerade nichts zu spüren. Es ist gerade eine Baustelle, sie zieht um, bald wird ihr Schreibtisch im hinteren Bereich des Gebäudes stehen. Das ist schon das zweite Mal, dass sie ihr Zimmer für die Kinder räumt. Als der Kindergarten vor fast 20 Jahren gegründet wurde, ist sie mit ihrem Schreibtisch schon mal umgezogen. Nicht so schlimm, sagt sie, und lächelt. Sie hat den Martha-Goldberg-Kindergarten mitbegründet, damals bekam die Jüdische Gemeinde in Bremen viele neue Mitglieder: Unter den Spätaussiedlern aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion waren viele Juden.

Räume sollten schon fertig sein

Während des Umbaus sind natürlich auch die Kinder umgezogen: Die Kinder der Katzengruppe spielen und basteln jetzt in der Mitte des Gemeindehauses, in dem Raum, in dem sich sonst die Gemeinde versammelt. Sie haben Zeichnungen von zwei Katzen an die Tür geklebt, kleine Tische und Stühle reingeräumt, die großen raus. Die stehen jetzt im Gang, genauso wie der Herd, abgedeckt mit einem Tuch. „Wir organisieren uns irgendwie“, sagt Elvira Noa. Sie ist froh, wenn der Umbau beendet ist. Der Lärm ist enorm, als die Bauarbeiter die Wände einrissen, hat sie den Sekretärinnen Urlaub gegeben – Arbeiten war nicht möglich.

Eigentlich sollten die Räume schon fertig sein. Doch die Arbeiten haben sich verzögert, es war Asbest verbaut, sie mussten eine Schadstoffsanierung machen, das dauerte. Im Januar sollen die Kindergruppen in die neuen Räume ziehen. Und auch Elvira Noa wird dann wieder ein Büro haben. Lärm machen dann nicht mehr die Hammer und Bohrmaschinen der Bauarbeiter. Sondern höchstens die vielen Kinder.

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