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Suche nach einem Ausbildungsplatz Mit Hilfe über die Hürden

Jungen Bremerinnen und Bremer, die auf ihrem Weg ins Berufs- und Erwachsenenleben aus unterschiedlichen Gründen Unterstützung benötigen, macht die Jugendsozialarbeit kostenlose Beratungsangebote.
05.03.2021, 05:00 Uhr
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Mit Hilfe über die Hürden
Von Ulrike Troue

Bremen. Über 600 Beratungsfälle verzeichnet Andrea Mann als Leiterin des Referats Jugendsozialarbeit im Amt für Soziale Dienst jedes Jahr. Hinter dieser Zahl stehen junge Menschen zwischen 16 und 27 Jahren, die schwierige Startbedingungen haben, daher Hilfe benötigen und sich diese freiwillig gesucht haben. Für sie geht es um ihre Zukunft – und um die Perspektive, ein eigenständiges Leben zu führen.

Aus unterschiedlichen Gründen können die Heranwachsenden, die in die Beratung kommen, auf ihrem Weg ins Berufs- und Erwachsenenleben nicht auf Unterstützung ihrer Eltern bauen. Das können sprachliche Barrieren oder problematische Familiensituationen sein, schildert Fachberaterin Anja Rosin von der Jugendberufsagentur. „Manche haben auch gar kein Elternhaus.“

Die Corona-Einschränkungen erleben sie als zusätzliche Hürde. Für junge Menschen ohne technische Ausstattung seien geschlossene Internetcafés und Copyshops schon ein echtes Problem, sagt Anja Rosin. Darüber hinaus sind viele Anlaufstellen geschlossen. Damit fehlt einer Reihe von Jugendlichen die nötige Unterstützung in der Berufsorientierungsphase und beim Berufseinstieg. Vereinzelt auch, um den ganz normalen Alltag bewältigen zu können – von der Tagesstruktur bis hin zu Versicherungsfragen.

Beraterinnen hören zu

Verschwiegene Ansprechpartner finden die jungen Menschen in den Beratungsstellen der Jugendsozialarbeit des Amtes für Soziale Dienste. Die Fachberaterinnen und -berater haben den Über- und Durchblick bei behördlichen Zuständigkeiten, bei Fördermaßnahmen und weiteren Hilfsprogrammen. In der Praxis bedeutet das, sie hören erst einmal zu. Dann wird gemeinsam überlegt, was verändert werden muss und welche zusätzlichen Hilfsmaßnahmen es gibt; und sei es nur die Weitervermittlung an andere Netzwerkpartner.

Mancher Jugendliche oder junge Erwachsene kommt nach der Problemanalyse relativ schnell für sich allein zurecht. Andere benötigen nach Aussage der Beratenden regelmäßig und länger bestärkende Begleitung, um die Zukunftsperspektive konsequent im Blick zu behalten und umsetzen zu können.

Nach Auskunft von Referatsleiterin Andrea Mann steigt der Beratungsbedarf durch die Pandemie deutlich an. Elisabeth Buchmann-Jaber von der Waller Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (Wabeq) ergänzt, dass sie und ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im vergangenen Jahr knapp 90 Jugendliche und junge Menschen im Bremer Westen beraten und zum Teil dauerhaft begleitet hätten. Sie leitet das Teilprojekt „Jugend stärken“ vor Ort. „Dazu kommen noch 17 Wiederkehrer“, verdeutlicht Buchmann-Jaber den phasenweise hohen Unterstützungsbedarf.

Keine Praktikumsplätze

Viele einfache Jobs wurden coronabedingt gestrichen. Es gibt keine Praktikumsplätze, um mögliche Ausbildungsbetriebe von seinen Fähigkeiten überzeugen zu können, wenn man keine besonders guten Schulnoten vorweisen kann. Darüber Berufserfahrung zu sammeln, sei praktisch gar nicht möglich, führt Anna-Katharina Becker aus. „Viele Berufswünsche sind deshalb zurzeit utopisch“, berichtet die Gröpelinger Wabeq-Jugendfachberaterin. „Die Jugendlichen müssen sich notgedrungen umorientieren.“

Besonders hart trifft die Krise junge Migranten, bis hin zu existenziellen Sorgen, merkt Lina Schnabel an. Denn sie stünden zudem unter dem ständigen Druck einer drohenden Abschiebung. Bei der Berufswahl und -findung darf es nach Aussage der Beraterin der Diakonischen Kinder- und Jugendhilfe Bremen „Petri & Eichen“ keine Lücken bei Migranten geben, sonst verlieren sie ihren Aufenthaltsstatus.

Die deutsche Sprache, einen Schulabschluss und eine abgeschlossene Berufsausbildung sehen alle Sozialfachkräfte als wichtige Grundlagen für eine positive Zukunftsperspektive. Der Tatendrang vieler junger Klienten wird nach Beobachtung von Jugendfachberaterin Anna-Katharina Becker derzeit aber unter anderem dadurch ausgebremst, dass es lange Wartelisten für Sprachkurse gibt, besonders für das fortgeschrittene Sprachniveau (B2). Gleiches gelte für Kursangebote, die zum mittleren Schulabschluss führen.

Besonders fragil ist nach der Erfahrung von Elisabeth Buchmann-Jaber die Situation für jene, die zusätzlich persönliche Probleme und deshalb hohen Gesprächsbedarf haben. Als Beispiele nennt sie Flucht- und Gewalterfahrung und Sucht. „Umbruchsituationen sind Fallstricke für Jugendliche“, warnt sie. Anlaufstellen und Treffs wie das internationale Jugendcafé in der ehemaligen Jugendkirche sind geschlossen, die Wartelisten bei der Gesellschaft für ambulante psychiatrische Dienste (Gapsy) lang.

„All diese jungen Menschen sind auf Leistungs- und Unterstützungsangebote angewiesen, und die sind sehr komplex“, stellt Referatsleiterin Andrea Mann abschließend fest. Die Behördensprache, welche Maßnahme sich hinter welchem Fachbegriff verbirgt und die Erkenntnis, dass Arbeitslosengeld I für den Lebensunterhalt nicht ausreicht, sondern aufstockende Leistungen beantragt werden müssen – all das dürfte nach Ansicht von Anja Rosin aus der Jugendberufsagentur auch ohne Sprachbarriere schon viele Bremer überfordern.

Info

Zur Sache

Jugendsozialarbeit

hat als Fachbereich im Amt für Soziale Dienste die Aufgabe, junge Menschen vom 16. bis zum 27. Lebensjahr durch kostenlose Hilfsangebote auf freiwilliger Basis auf dem Weg ins Berufs- und Erwachsenenleben unterstützen. Dort sind die Jugendhilfe in der Jugendberufsagentur und das Programm "Jugend stärken" angesiedelt. Letztgenanntes setzen die Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonische Kinder- und Jugendhilfe Petri & Eichen und Waller Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (Wabeq) als freie Träger in ihren Anlaufstellen in den Quartieren um. Weiterführende Informationen gibt es online auf www.amtfuersozialedienste.bremen.de unter „Kind/Familie“ und „Jugendsozialarbeit“.

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