Die Probe aufs Exempel: Findet Nanuk das Schlüsselbund des Reporters? Vielleicht ein wenig zu schwierig, schließlich ist er erst seit Kurzem dabei? Andererseits gehört auch „Nasenarbeit“ schon zur Grundausbildung von Polizeihunden. Also die Schlüssel möglichst unauffällig ins Gras fallen gelassen, gut 20 Meter von dem Schäferhund entfernt. Sein Führer, Tobias Tolck, macht eine schwingend-ausholende Armbewegung – das Signal für den Hund, in welcher Richtung er etwas suchen soll – , und schon fegt Nanuk los, die Nase dicht am Boden.
Keine zehn Sekunden dauert es, da legt er sich ins Gras – direkt neben dem Schlüsselbund. Und was Tolck besonders freut: Ohne es vorher ins Maul genommen zu haben. Den Hunden wird die passive Anzeige beigebracht, erklärt Johannes Kröger, Ausbildungsleiter der Diensthundstaffel Bremen. „Wenn du den Geruch hast, werde ruhig. Du brauchst es nicht rauszuholen, mit der Nase draufzuzeigen reicht.“
Zur Belohnung gibt es Hundefutter aus der Tasche seines Führers. Das gehört nicht nur zur Ausbildung, das ist Programm bei der Polizeihundausbildung. Fehler werden nicht bestraft, sondern Positives wird verstärkt, sagt Kröger. „Wenn der Hund etwas gut macht, wird er belohnt. ’Mach es noch einmal gut’ lautet die Botschaft.“
Ein bis eineinhalb Jahre alt sind die Schäferhunde, wenn sie für den Polizeidienst eingekauft werden. Zunächst für drei Wochen zur Probe. Die Polizei braucht ausgeglichene Hunde, „umweltfest“ müssen sie sein. Menschen um sie herum dürfen sie ebenso wenig stören wie Verkehrslärm. Vor allem aber müssen sie einen ausgeprägten Spiel- und Beutetrieb haben. Nicht nur einfach hinter einem Ball herlaufen, sondern ihn wirklich haben wollen. „Einen Hund, der nicht spielen will, brauchen wir nicht“, sagt Kröger.
Nicht schnell genug hinter einem Ball herlaufen? Könnte Nanuk nicht passieren. Der 14 Monate alte Rüde, eine Mischung aus deutschem und belgischem Schäferhund, rast in vollem Tempo hinter dem Ball her und bringt ihn erwartungsvoll zurück. Aber er kann auch ganz anders. Tobias Tolck gibt einen kurzen Befehl, sofort legt Nanuk sich hin. Regungslos, konzentriert, gerade Körperlinie, die Ohren nach oben. Kein Zittern, kein Vibrieren. „Perfektes Seitenbild“, kommentiert Raimund Klose, selbst seit 24 Jahren Hundeführer, der von der Seitenlinie des Übungsplatzes aus seinen Kollegen beobachtet. Der hat dem Hund inzwischen den Rücken zugedreht und entfernt sich langsam. Zehn Meter, 20 Meter. „Na, liegt er noch?“, fragt Tolck. „Alles gut“, sagt Klose mit Blick auf den regungslos verharrenden Nanuk.

Eine der ersten Übungen in der Ausbildung: Der ständige Blickkontakt zum Hundeführer.
Acht Wochen lang dauert die Grundausbildung zum Schutzhund. Fünfmal die Woche vormittags, bei jedem Wetter. Hier lernt der Hund zunächst Gehorsam. Die Klassiker „bei Fuß“ oder „Platz“, aber auch Warten, wenn er abgelegt wird, und kommen, wenn sein Führer ihn ruft. Extrem wichtig ist dabei der ständige Blickkontakt. Wenn Nanuk neben seinem Führer herläuft, muss er sich am Menschen orientieren, das heißt, immer wieder zu seinem Herrchen schauen, denn nur so kann dieser mit ihm kommunizieren.
Auch das Zubeißen und Festhalten wird trainiert. „Er beißt nicht von sich aus, aber zum Schutz“, betont Kröger. „Für seinen Führer, die Kollegen oder auch Bürger. Aggressionen zu zeigen, zu bellen und zu beißen, sei eine natürliche Eigenschaft des Hundes. „Die machen wir uns zunutze.“
„Das A und O bei der Hundeausbildung ist aber das gegenseitige Vertrauen von Hund und Führer“, sagt Raimund Klose. Ein Lernprozess in beide Richtungen, wie er betont. „Ausbildung“ bedeute dabei im Grunde nichts anderes, als sich sinnvoll mit dem Hund zu beschäftigen. Immer, nicht nur im Dienst. Deshalb nimmt jeder Führer seinen Hund nach Feierabend mit nach Hause. „Im Grunde habe ich wie andere auch einen Hund. Nur meiner macht außerdem den Polizeijob.“
Auch seine Nase zu benutzen, lernt der Hund in der Grundausbildung. Die Suche nach verlorenen Gegenständen. Entscheidend dabei ist nicht der Geruch des Besitzers, sondern, ob der gesuchte Gegenstand generell menschliche Witterung trägt. Im Gebüsch entsorgte Einbruchswerkzeuge zum Beispiel. Oder die Beute, die ein Einbrecher auf der Flucht vor der Polizei kurzerhand wegwirft. Alles, was frisch nach Mensch riecht, finden Nanuk und seine vierbeinigen Kollegen, erklärt Kröger. Wobei „frisch“ etwa bis zu zwölf Stunden alt bedeutet. „Müll, der dort schon länger liegt, wird zwar auch beschnuppert, aber nicht angezeigt.“

Die Belohnung für gutes Mitarbeiten: Spielen mit Herrchen. Ist noch besser als Hundefutter.
Am Ende der Grundausbildung stehen Prüfungen. Die muss Nanuk bestehen, wenn ein Diensthund aus ihm werden soll. Danach bekommt er eine kleine Auszeit. „Das war bis dahin so viel Input für den Hund, den muss er erstmal verarbeiten.“ Ein halbes Jahr lang geht es nur noch einmal in der Woche auf den Ausbildungsplatz, um das Gelernte zu wiederholen. Dazu kommen erste echte Einsätze mit der Suche nach Gegenständen.
Danach erfolgt noch einmal ein Ausbildungsblock über vier Wochen. Das Training findet nun nicht mehr nur unter den geschützten Bedingungen des Übungsplatzes des Schäferhund-Ortsvereins Hemelingen statt, sondern auch im späteren Einsatzgebiet der Diensthunde – in ganz Bremen. Immer neue Szenarien, immer neue Verstecke. Verbunden mit einer Vielzahl ablenkender Gerüche. „Sie glauben nicht, was da auf einen zukommt“, sagt Klose und erzählt die Geschichte vom Aquarium in der Wohnung eines Drogensüchtigen. „Die Fische waren noch da, aber seit mehreren Wochen kein Wasser mehr...“
Relativ zeitnah an diesen vierwöchigen Block folgt in Bremen die abschließende Spezialausbildung der Hunde zu Spürhunden. Drei unterschiedliche Richtungen sind möglich – die Spezialisierung auf Rauschgift, Brandbeschleuniger oder auf Sprengstoff. Möglich wäre weitaus mehr, zum Beispiel die Ausbildung zum Leichenspürhund oder auch zum Spürhund für Bargeld oder Handys, wie sie beim Zoll zum Einsatz kommen.
„Ihm unterschiedlichste Gerüche beizubringen, ist kein Problem“, erläutert Kröger. Entscheidend sei, ihm hierfür bestimmte Techniken beizubringen. Das heißt, auch dort zu suchen, wo er sich nicht wohl fühlt. Auf unebenem Untergrund, auf Treppen, im Dunklen... „Wenn ein Hund sich bei der Durchsuchung eines Autos hinter den Fahrersitz quetschen muss und dabei schief und krumm steht, gefällt ihm das gar nicht“, gibt Klose ein Beispiel. „Genau das muss er lernen.“
Hört sich schwierig an, sei für den Hund letztlich aber nichts anderes als Beschäftigung. Ein Spiel. „Die sind ganz wild drauf, was zu machen.“ Und die Nase des Hundes kenne dabei fast keine Grenzen, sagt Kröger, tritt dann aber sofort auf die Bremse. Kein Hund könne eigenständig Fälle lösen, betont er. „Er ist ein Hilfsmittel und soll uns mit seinen Fähigkeiten helfen.“
Das jüngste „Hilfsmittel“ der Diensthundstaffel Bremen interessiert dies alles herzlich wenig. Nanuk tollt lieber mit seinem Hundeführer herum. Die Belohnung für seine geradezu vorbildliche Nasenarbeit an diesem Vormittag. Und noch viel besser als ein Leckerli. Mit sichtbarer Wonne verbeißt sich der Schäferhund in das wurstähnliche Spielzeug, das Tobias Tolck herausgeholt hat. Zerrt daran, knurrt, lässt kurz los, nur um sofort wieder fest zuzuschnappen und sich durch die Luft schleudern zu lassen. Keine Frage, gemessen an Motivation und Spieltrieb steht Nanuk vor einer glänzenden Polizeikarriere.
Wie ein Hund lernt, Rauschgift anzuzeigen
Bei fast allen Einsätzen von Rauschgiftspürhunden in Bremen geht es um Marihuana. „Heroin und Kokain zeigen sie aber auch an“, erzählt Hundeführer Raimund Klose. „Es gibt ungefähr zehn gängige Rauschgifte, die haben die Hunde alle locker drauf.“ Es könnten auch 50 sein, für die Nase der Tiere sei das kein Problem. Bleibt die Frage, wie man einen Hund dazu bringt, das Rauschgift anzuzeigen.
Wie immer – spielerisch und mit Belohnung, sagt Ausbildungsleiter Johannes Kröger und erklärt, wie es geht. Er setzt sich auf einen Stuhl, die Unterarme auf den Oberschenkeln. In der linken Hand hat er das Rauschgift und einen „Klicker“, ein kleiner Kasten, mit dem er ein knackendes Geräusch erzeugen kann. In der rechten Hand hat er Hundefutter. Beide Hände sind geschlossen.
Phase 1: Der Hund sieht seinen Führer auf dem Stuhl sitzen. Das muss natürlich beschnuppert werden. Linke Hand – uninteressant. Aber die rechte. Die riecht nach was Leckerem. Nur ist sie geschlossen. „Der Hund hat damit ein Problem, eine Aufgabe: Was muss ich tun, um an das Futter zu kommen?“
Nichts zu machen, die Hand mit dem Futter ist geschlossen. Warum also nicht mal schauen, was in der anderen Hand los ist? Der Blick des Hundes geht nach links. Sofort betätigt Kröger den kleinen Kasten – „knack“ –, öffnet im selben Moment die rechte Hand und gibt so das Futter für den Hund frei. Aber nur ein Stück, dann ist die Hand wieder verschlossen. „Ein kluger Hund lernt den Zusammenhang zwischen Knack und geöffneter Futterhand schnell und pendelt sofort hin und her.“ Dabei nimmt er unbewusst, aber stets auch den Geruch des Rauschgiftes in der linken Hand wahr.
Phase 2: Der gleiche Aufbau, doch jetzt ist die linke Hand mit Rauschgift und Klicker hinter dem Rücken versteckt. Der Hund muss nach ihr suchen, erst dann ertönt das Knacken, gefolgt von der Futter-Belohnung.
Phase 3: Kröger versteckt das Rauschgift irgendwo im Raum. Der Hund schnüffelt, plötzlich erkennt er einen bekannten Geruch – das Rauschgift – und wirft den Kopf in diese Richtung herum. Sofort ertönt wieder das ihm bekannte Knack.
Auf diese Weise wird das Training immer weiter verfeinert, erklärt Kröger. „Der Hund muss immer neue Aufgaben lösen, muss immer mehr zeigen, um die Belohnung zu bekommen.“