Wesermarsch. Für die Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehren, des Rettungsdienstes Wesermarsch, des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Wesermarsch, der Johanniter Unfallhilfe, der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG), des Technischen Hilfswerks Nordenham und die Statisten war es eine lange Nacht. Mehr als 230 Kräfte der verschiedenen Hilfsorganisationen probten am letzten Juli-Wochenende am wichtigsten Bahnübergang in Berne, was zu tun ist, wenn ein Reisebus und ein Auto mit einem Triebwagen der Deutschen Bahn zusammen krachen. Bahnstrecke und Ortsdurchfahrt blieben stundenlang für den Verkehr gesperrt, obwohl es nur eine Übung war, um im Einsatzfall auf solche Lagen möglichst gut vorbereitet zu sein. Am Ende sorgte eine Feldküche im Berner Feuerwehrhaus dafür, dass sich die beteiligten ehrenamtlichen Helfer nach getaner Arbeit stärken konnten.
Die reibungslose Zusammenarbeit der Hilfsorganisationen ist einer der Schlüssel, um bei Unfällen schnell zu reagieren, die Bevölkerung vor Katastrophen zu schützen und etwaige Katastrophenschäden zu beseitigen. Ebenso wichtig ist die technische Ausstattung der Hilfseinheiten. In diesem Punkt gibt es allerdings noch Nachholbedarf, wie jetzt im Ausschuss für öffentliche Ordnung und Feuerwehr des Kreistages erläutert wurde. Grund ist eine Neueinschätzung der Bedrohungslage durch die Landesregierung, unter anderem wegen des Klimawandels und die damit verbundene Zunahme außergewöhnlicher Wetterereignisse.
Aber auch durch die Bedrohung durch terroristische Ereignisse wie dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016, bei dem ein islamistischer Terrorist einen gestohlenen Sattelzug in eine Menschenmenge fuhr, flossen in die Bewertung mit ein. Durch die Kollision mit dem Lastwagen starben elf Besucher des Weihnachtsmarktes und weitere 55 Besucher wurden verletzt. Zuvor hatte der Täter den polnischen Fahrer des Sattelzuges erschossen. Für Schlagzeilen sorgen seit Jahren auch gezielte Angriffe auf größere, für eine spezifische Infrastruktur (Krankenhäuser, Energieversorger, Banken, Bundespolizei und Bundestag) wichtige Rechnernetze von außen.
Mit dieser veränderten Bedrohungslage hätten sich auch die Anforderungen an den Katastrophenschutz geändert, erläuterte der im Kreishaus für Sicherheit und Ordnung, Zivil- und Katastrophenschutz zuständige Rainer Zon den Ausschussmitgliedern. Das Ergebnis sei der mit den Hilfsorganisationen im Katastrophenschutz abgesprochene Erlass über die Stärke, Gliederung und Fahrzeugausstattung der Katastrophenschutzeinheiten vom 10. März 2017, der das niedersächsische Katastrophenschutzsystem neu aufgestellt und es den aktuellen Erfordernissen angepasst habe.
Das hat auch Auswirkungen auf die Katastrophenschutzeinheiten im Landkreis Wesermarsch. So sieht der Erlass einen Einsatzzug Sanität und Betreuung vor, der aus einem Zugtrupp, der den Einsatz vor Ort leitet, die Lage beobachtet und beurteilt, sowie zwei Sanitätsgruppen für die medizinische Erstversorgung und zwei Betreuungsgruppen besteht, die hilfsbedürftige Menschen registrieren und betreuen. Dazu gibt es genaue Vorgaben zur personellen Stärke der Gruppen, welche Fahrzeuge vorhanden sein und wie sie ausgestattet sein sollen. Mit 28 für diesen Bereich ausgebildeten Helfern bleibt die Wesermarsch knapp unter den dafür vorgesehenen 31 Kräften. Die für diesen Bereich vorgesehenen Gerätewagen gibt es bislang allerdings nicht. Die Sanitätsgruppe des DRK Brake soll daher für ihre Ausrüstung einen Anhänger erhalten, der an den Mannschaftstransportwagen gekoppelt werden kann, so der Plan.
Die zweite Sanitätsgruppe (Johanniter Nordenham) soll mit Einsatzkräften samt Gerätewagen aus einem Nachbarlandkreis ergänzt werden. Um deren Katastrophen-Einsatz in der Wesermarsch zu regeln, sei ein Vertrag vorgesehen, erläuterte Zon. Ein weiterer Gerätewagen (Betreuungsgruppe der Johanniter Stedingen) ist laut Zon zwar vorhanden, könne den vorgesehenen Zweck jedoch weder personell noch materiell erfüllen.
Wasserrettung im Fokus
Die Wesermarsch ist von Jadebusen, Nordsee und Weser umgeben. Ein besonderes Augenmerk der Katastrophenschützer gilt daher nach wie vor der Wasserrettung. Dabei kommt die DLRG ins Spiel. Die DLRG in Berne verfügt zwar über ein Mehrzweckboot, das entspricht aber nicht Vorgaben aus dem Erlass und soll daher ausgetauscht werden. Das gleiche gilt für den Gerätewagen der Wasserretter von der DLRG Butjadingen und den Gerätewagen Tauchen der DLRG Brake. Ebenfalls vorgesehen ist die Anschaffung eines weiteren Krankentransportwagens, damit bis zu sechs Patienten nach ihrer Rettung aus dem Wasser gleichzeitig in eine Klinik gebracht werden können. Nachholbedarf bei der Ausrüstung gibt es auch bei der Einsatzgruppe Strömungsrettung, die Menschen aus bei starken Strömungen nach Hochwasser und Starkregenereignissen retten soll.
„Die Fahrzeuge können wir bestellen, aber wie können wir die Hilfskräfte aufstocken“, gab Rolf Blumenberg von der SPD zu bedenken. Der zuständige Dezernent Matthias Wenholt gab sich jedoch zuversichtlich, die Mindestanforderungen (auch mit Hilfe aus dem Nachbarkreis) erfüllen zu können. Die Hilfsorganisationen hätten durchaus eine Reserve, ergänzte Rainer Zon. Überdies könnten manche Fahrzeuge und Helfer für verschiedene Aufgaben eingesetzt werden.
Offen blieb, was die Anschaffung der benötigten Fahrzeuge kosten wird. Eine Auflistung lag noch nicht vor. Für die Vorsitzende Ursula Schinski (SPD) ist eins schon mal klar: „Das Geld muss vom Land kommen.“
Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+!