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Leiterin des Overbeck-Museums in Vegesack sprach bei Belladonna über die Künstlerin Hermine Overbeck-Rohte Katja Pourshirazi: Im Kleinen liegt die Bedeutung des Großen

Ostertor. Hermine Overbeck-Rohte war lange nur als die Frau des Worpsweder Malers Fritz Overbeck bekannt. Jetzt wird in Vegesack die erste Einzelausstellung der Künstlerin gezeigt. Katja Pourshirazi, die Leiterin des Overbeck-Museums, sprach im Frauenkulturzentrum Belladonna, Sonnenstraße 8, über die Malerin.
11.07.2011, 05:00 Uhr
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Von Elisabeth Schmidt

Ostertor. Hermine Overbeck-Rohte war lange nur als die Frau des Worpsweder Malers Fritz Overbeck bekannt. Jetzt wird in Vegesack die erste Einzelausstellung der Künstlerin gezeigt. Katja Pourshirazi, die Leiterin des Overbeck-Museums, sprach im Frauenkulturzentrum Belladonna, Sonnenstraße 8, über die Malerin.

Die aktuelle Ausstellung "Deine Frau, Dein Freund, Dein Kollege, Dein Alles" im Overbeck-Museum widmet sich ausschließlich den Werken von Hermine Overbeck-Rohte. Der Titel der sehenswerten Ausstellung stammt aus dem Briefwechsel von Hermine und Fritz Overbeck. "Sie benennt jede Rolle einzeln und sie schreibt nicht ohne Grund dein Kollege und nicht Kollegin, denn die gab es damals gar nicht", sagt Katja Pourshirazi. Frauen, die malten, wurden abwertend "Malweiber" genannt. Fritz Overbeck schrieb Hermine in einem Brief: "Ich hätte nie gedacht, dass ich mal ein Malweib heirate, aber das bist du auch nicht, denn du bist weder schludrig noch hast du abgeschnittene Haare."

Wenn es um die Kunst ging, nannte Fritz Overbeck seine Frau Hermann, das war als Kompliment gedacht. "Die beiden nahmen das sehr humorvoll. Wenn Fritz mit Hermann sprechen wollte, sagte Hermine: ?Der muss noch warten, weil Hermine will dir noch einen Kuss geben, und da muss Hermann ja nicht unbedingt dabei sein?", sagt Katja Pourshirazi.

Hermine Overbeck-Rohte ist in Walsrode geboren. Sie wollte Malerin werden, musste aber zunächst eine Ausbildung zur Krankenschwester und eine Hauswirtschaftslehre machen, bevor ihre Eltern ihr erlaubten, an die Damenakademie des Künstlerinnenvereins in München zu gehen. Diese Akademien waren um das Fünffache teurer als die staatlichen, die keine Frauen aufnahmen. Als Hermine Rohte die Internationale Kunstaustellung in München besuchte, war sie beeindruckt vom "Abend im Moor" von Fritz Overbeck. Sie reiste nach Worpswede, um bei dem Maler Unterricht zu nehmen. Die beiden waren zwar gleichalt, aber Fritz Overbeck hatte einen Vorsprung, weil er ohne Umwege zur Kunst gelangt war. 1896 verlobten sich die beiden. Die Mutter Fritz Overbecks war nicht glücklich darüber, dass ihr Sohn nun auch noch eine Frau heiraten wollte, die Künstlerin war. "Sie sah Hermine Overbeck-Rohte kritisch als eine forsche Schwimmerin, die manchmal sogar Zigaretten rauchte, Möbel selbst entwarf und ihren Mann auf

der Kegelbahn stand", schreibt Fritz Theodor Overbeck in einem Brief. Seine Mutter lebte im Zwiespalt zwischen der traditionellen Frauenrolle und ihrer Liebe zur Kunst. Fritz Overbeck schrieb zwar, dass er lieber ein misslungenes Essen äße, als Hermines sehnsüchtigen Blick zum Malkasten ertragen zu müssen, trotzdem sah er ihre Bilder auch als seine an und beschwerte sich, wenn sie eines davon verschenkte. Ihre Nachbarin Paula Modersohn-Becker kommentierte solches Verhalten: "Es ist komisch, dass gleich von Anfang der Ehe die Frauen es sind, denen die Probleme auferlegt werden. Ihr Männer dürft immer so bleiben wie ihr seid."

Hermine Rohte gab es Fritz Overbeck schriftlich: "Herrn Overbecks Schülerin beansprucht kein Atelier." Fritz Overbeck hat ihr trotzdem immer eines eingerichtet, nur hatte Hermine neben ihren häuslichen Pflichten viel weniger Zeit zum Malen als er. Ihre Werke unterscheiden sich von denen anderer Worpsweder. "Sie geht nah ran und malt enge Ausschnitte. Das Thema Licht und Schatten und Nähe und Ferne findet man immer wieder", sagt Katja Pourshirazi. Das Ausschnitthafte der Bilder hat damit zu tun, dass Hermine Overbeck-Rohte auch ausgebildete Fotografin war. "Sie hat ihre Motive oft dezentriert dargestellt, das gab ihren Bildern viel Dynamik. Sie malte die Weite des Moors auf ihre Art - indem sie die Distanz zwischen zwei Birken auf ihren Bildern verdeutlichte. Sie zeigt im kleinen Ausschnitt das Große", sagt Katja Pourshirazi. "Für sie bestand das Große in der Bedeutung des Kleinen."

1905 zogen die Overbecks mit ihren Kindern Fritz Theodor und Gerda nach Vegesack, weil Hermine an Tuberkulose erkrankt war. Als die 40-Jährige nach ihrer einjährigen Kur nach Hause kam, starb ihr Mann drei Tage darauf an einem Hirnschlag. Sie selbst kam 1937 bei einem Autounfall in Bremen ums Leben. Die Enkeltochter des Ehepaars, Gertrud Overbeck, hat das Overbeck-Museum aufgebaut und betreut noch heute das Archiv des Museums.

Die Ausstellung "Deine Frau, Dein Freund, Dein Kollege, Dein Alles" ist bis 25. September im Overbeck-Museum zu sehen. Das Haus in der Alten Hafenstraße 30 (wenige Fußminuten vom Bahnhof Vegesack) ist täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Eintritt: fünf/drei Euro. Internet: www.overbeck-museum.de.

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