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Hoher Anstieg Kinderpornografie: Hinweise aus den USA führen zu Tätern in Bremen

Die Zahl der Hinweise auf mutmaßliche Fälle von Kinderpornografie hat in Bremen deutlich zugenommen. Daran hat vor allem eine amerikanische Organisation ihren Anteil.
14.06.2022, 05:00 Uhr
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Kinderpornografie: Hinweise aus den USA führen zu Tätern in Bremen
Von Ralf Michel

Die Zahl der gemeldeten Fälle über Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung kinderpornografischer Schriften hat in den vergangenen Jahren in Bremen deutlich zugenommen. Standen zwischen 2012 und 2018 stets zwischen 30 und 49 Fälle pro Jahr zu Buche, so stieg deren Zahl seither über 105 und 135 auf 375 Fälle im Jahr 2021. Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) spricht von einem "geradezu explosionsartigen Anstieg". 

Maßgeblich dafür verantwortlich waren Hinweise der amerikanischen Organisation NCMEC. Das steht für „National Centre for Missing and Exploited Children“ („Nationales Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder“) – eine halbstaatliche gemeinnützige Organisation, die sich für vermisste und ausgebeutete Kinder einsetzt.

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Amerikanische Internetanbieter und Serviceprovider wie Facebook, Microsoft, Google oder Yahoo scannen im Rahmen einer Selbstverpflichtung permanent die über ihre Dienste verbreiteten Daten nach Missbrauchsabbildungen. Erkennt das System eine kinderpornografische Schrift, wird unter anderem die IP-Adresse des Nutzers aufgezeichnet und an die NCMEC weitergeleitet. Das NCMEC leitet diese Verdachtsanzeigen an die jeweils zuständige polizeiliche Zentralstelle des Staates weiter, in dem die Straftat mutmaßlich stattgefunden hat, wie Peer Zabel aus der Pressestelle des Bundeskriminalamtes (BKA) erklärt.  

Die Aufklärungsquote ist hoch

Das BKA wiederum fungiert als deutsche Zentralstelle und ist für die Auswertung und die Weiterleitung der Erkenntnisse an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden der Bundesländer zuständig. Die Zahl der vom NCMEC ans BKA gemeldeten Hinweise ist laut Zabel in den letzten Jahren stark angestiegen – von etwa 33.000 im Jahr 2015 auf etwa 78.000 im vergangenen Jahr. 

In Bremen führten Hinweise auf Kinderpornografie meist zum Erfolg, die Aufklärungsquote der Polizei bei den angezeigten Fällen lag in den vergangenen Jahren stets über 95 Prozent, zuletzt, im Jahr 2021, bei 93,3 Prozent. "Der Hinweis des NCMEC beinhaltet neben der IP-Adresse des verwendeten Computers des letzten Login und der IP zum Zeitpunkt des Uploads der inkriminierten Dateien alle bei dem jeweiligen Dienstanbieter hinterlegten Daten, wie zum Beispiel E-Mail-Adresse und Mobilfunknummer des Nutzers", erläutert Jagoda Matic aus der Pressestelle der Bremer Polizei. E-Mail und Mobilfunknummer könnten zwar verfälscht oder komplett unrichtig sein, die IP sei jedoch "grundsätzlich der Schlüssel zum Erfolg".

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Die vom NCMEC beziehungsweise BKA übermittelten Daten würden durch das Landeskriminalamt auf Plausibilität geprüft, erklärt Matic das weitere Verfahren: Ist der/die Anschlussinhaber/in in Bremen existent? Ist die Person bereits einschlägig in Erscheinung getreten? Lassen sich die E-Mail oder Mobilfunknummer durch Recherche Personen in den polizeilichen Abfragesystemen zuordnen? 

2021 wurden bei der Kriminalpolizei Bremen 195 Fälle bearbeitet, die auf Meldungen des NCMEC basierten. Die Behörde rechnet mit einem weiteren starken Anstieg dieser Zahl, nicht zuletzt auch wegen Ermittlungen in anderen Bundesländern, die Hinweise auf in Bremen gemeldete Teilnehmer ergeben hätten.

Im Interview mit dem WESER-KURIER hatte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sexualisierte Gewalt gegen Kinder als ein Schwerpunktthema der kommenden Jahre ausgerufen und angekündigt, dafür auf- und nachzurüsten. Um die riesigen sichergestellten Datenmengen auswerten zu können, müsse künstliche Intelligenz eingesetzt werden. Was Mäurer mit einer Botschaft in Richtung Täter verband: "Die müssen wissen, wir werden viele von ihnen kriegen."

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Die CDU-Fraktion greift dieses Thema in einem Dringlichkeitsantrag auf, der am Donnerstag Thema in der Bürgerschaft sein wird. Auf Bundesratsebene soll der Senat die Vorratsdatenspeicherung vorantreiben, im Bremischen Polizeigesetz sowohl die Quellentelekommunikationsüberwachung als auch die Möglichkeit der Online-Durchsuchung verankern. Außerdem spricht sich auch die CDU für den Einsatz von künstlicher Intelligenz bei der Erkennung und Auswertung von kinderpornografischem Bildmaterial aus.

CDU will Vorratsdatenspeicherung

Andere Länder hätten Möglichkeiten, solche Straftaten aufzudecken, in Deutschland führten oft nicht einmal Hinweise zur Identifizierung von Tätern, kritisiert Marco Lübke, innenpolitischer Sprecher der CDU.  "2020 konnte man deutschlandweit 2600 Verdachtshinweise nicht aufklären, da die jeweiligen IP-Adressen mangels Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung keinen Nutzern mehr zugeordnet werden konnten." Deutsche Strafverfolgungsbehörden würden sich zwar gerne an den Ermittlungsergebnissen anderer Länder bedienen. Zugleich würden hierzulande die eigentlich notwendigen eigenen Ermittlungsgrundlagen aber nicht geschaffen. "Das ist kaum begründbar und absolut nicht mehr zeitgemäß." Der Aspekt des Datenschutzes dürfe nicht schwerer wiegen als der des Kinderschutzes, betont Lübke. "Bremen muss jede Möglichkeit nutzen, das unfassbare Leid dieser Kinder zu beenden."

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