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Von Nord nach West Völlig losgelöst vom Alltag

Unter freiem Himmel kommt das Bremer Kleinkunstpublikum vor der Schaulust am Güterbahnhof dienstags auf seine Kosten. Viermal in jedem Sommer. Das Finale steht bevor.
17.07.2022, 05:00 Uhr
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Von Monika Felsing

Hat jemand einen entflogenen Luftballon gesehen, einen quietschgelben mit einem Gesicht aus Punkt, Punkt und Gedankenstrich? Oder den Zug nach Paris, der auf Gleis 5 halten sollte? In der dritten von vier Runden „Von Nord nach West“ konnten die Gedanken noch so oft in die Ferne schweifen: Das Publikum amüsierte sich im Hier und Jetzt. Einmal noch, am Dienstag, 19. Juli, gibt es ab 20 Uhr vor der Schaulust am Güterbahnhof Straßenkunst, und dann werden es zwei andere Premieren sein.

Ein Weilchen starren einige dem Ballon hinterher, den Nakupelle hat aufsteigen lassen. Aber wie schnell ist er vergessen, als Papierbälle fliegen, fallen oder kleben, ein Schreibtisch aufzuräumen ist, Becher und Papierkörbe, Zettel und ein Buch übers Fliegen ein Eigenleben führen. Nakupelle kommt in seinem Stück „Paper Work“ ohne Worte aus, und auch bei der zweiten Premiere des Abends stammt der Ton aus der Konserve, ob nun das Rattern der Züge, die Durchsagen, das Ticken der Uhr oder das Schmatzen und Schlucken beim Picknick am Gleis. Als ein echter Metronom vorbeirollt, warten Kira und Anders noch immer auf den Beginn ihrer imaginären Reise. Die Zeit dehnt sich wie eine Elastikakrobatin, bis das Akrobatikduo selbst zu einer Uhr mit Pendeln und Zeigern wird. Hals über Kopf, Bein über Hand, kraftvoll und anmutig.

Ohne aufwendige Effekte

Der Meisterclown Joe Dieffenbacher alias Nakupelle, ein New Yorker mit britischer Adresse, kommt in der ganzen Welt herum und ist doch geerdet geblieben. Mit einfachsten Mitteln hält er das Publikum so entspannt bei Laune, dass er ohne aufwendige Effekte auskommt, wenn er seine Krawatte schreddert oder vom Fliegen träumt. Sein Vogelmensch, halb Papagena aus der "Zauberflöte", halb Phönix aus der Asche, ist als Papierkunstwerk ganz großes Origami.

Kira Paas und Anders Jensen vereinen Partnerakrobatik, Poesie und Duo-Pole in ihrer Show „Ein Koffer voller Überraschungen“, wobei der Pole, die Stange, zeitweise zum Bahnangestellten wird, und der Koffer als erstaunlich robuste, wandelbare Requisite eine tragende Rolle spielt. Wie das Stück ausgeht, weiß inzwischen auch schon das Publikum in Löhne und bald auch das in Wuppertal, denn die von Markus Siebert aus dem Viertel organisierte Tournee reist etappenweise gen Westen. Der Luftballon aber ist in der Abendsonne nach Nordosten entschwebt. Und wenn er nicht in der Vahr gelandet ist, dann schwebt er wohl noch heute.

Nicht ganz wie in Paris

Am letzten Abend, Dienstag, 19. Juli, spielen das „Duo Slavica“ und der Jongleur Domenyk La Terra ab 20 Uhr vor der Schaulust auf den Hut. Und womöglich servieren „Etienne“ und „Fabrice“ aus der Bremer Theaterszene in ihrem Straßencafé dann wieder Espresso mit Zimt und französischen Minnegesang. Nicht ganz wie in Paris, aber völlig losgelöst vom Alltag.

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