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Klinikum Bremen-Mitte Kinderärzte protestieren gegen Sparkurs

Wenige Monate nach der Eröffnung des Eltern-Kind-Zentrums am Klinikum Bremen-Mitte gibt es großen Unmut unter den Kinderärzten. In einem Brandbrief warnen sie vor Personalabbau in großem Stil.
16.07.2021, 19:22 Uhr
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Kinderärzte protestieren gegen Sparkurs
Von Jürgen Theiner

Die Ärzte am Eltern-Kind-Zentrum des Klinikums Mitte sind in großer Sorge um die Zukunft der Einrichtung. In einem Brief, den sie an Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) und die Spitze des Klinikverbundes Gesundheit Nord (Geno) gerichtet haben, wenden sie sich vor allem gegen einen Stellenabbau beim medizinischen Personal. Ein solcher Sparkurs gefährde "das Wohlergehen der Kinder und Jugendlichen in Bremen", warnen die Ärzte. Unterzeichnet ist das Schreiben, das dem WESER-KURIER vorliegt, von zahlreichen Oberärzten und den Sprechern der Assistenzärzte.

Das Eltern-Kind-Zentrum (Elki) hatte erst im Februar seinen Betrieb aufgenommen. Es gilt als eines der größten Kinderkrankenhäuser Deutschlands. In dem 70 Millionen Euro teuren Neubau mit rund 4500 Quadratmetern Nutzfläche hat die Geno die vormalige Prof.-Hess-Kinderklinik, die allgemeine Kinderheilkunde und die Kinderchirurgie zusammengefasst. Anfang kommenden Jahres sollen auch die Geburtshilfe und die Frühchenversorgung vom Klinikum Links der Weser in den Neubau umsiedeln und das medizinische Angebot des Elki abrunden. Bei der Eröffnung der Einrichtung, so schreiben die Ärzte, sei der Bevölkerung der Eindruck vermittelt worden, die Kinder- und Jugendmedizin in Bremen solle weiter verbessert werden. "Vier Monate nach Inbetriebnahme zeigt sich jedoch, dass dieser Anspruch in der Realität nicht umgesetzt wird", heißt es in dem Brief. Die Pläne der Geno-Geschäftsführung liefen "auf das Gegenteil hinaus, nämlich eine Reduktion des hochspezialisierten Angebots auf eine ,Grundversorgung'".

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Auslöser dieser Befürchtung ist ein von der Geschäftsleitung angepeilter Personalabbau im ärztlichen Bereich, den die Unterzeichner des Briefs auf rund 30 Prozent beziffern. Dies bedeute "de facto die Streichung von Betten in der Größenordnung einer ganzen Station" oder von mehreren fachlichen Spezialangeboten. Schon bei der aktuellen Beschäftigtenzahl von 37,7 Vollzeitstellen in der Kinderheilkunde sei es kaum möglich gewesen, die Dienstpläne für Juni und Juli umzusetzen. Würden nun ärztliche Stellen in größerem Umfang abgebaut, sei "die Notfallversorgung der Bremer Kinder extrem gefährdet", sind die Mediziner überzeugt.

Derzeit würden in der zentralen Notaufnahme bis zu 1600 Kinder pro Monat interdisziplinär versorgt, doch es fehle an stationären Betten, um Patienten aufzunehmen. Wörtlich weiter: "Diese Kinder liegen Stunden – manchmal sogar die ganze Nacht – in der Notaufnahme, um dann notdürftig stabilisiert nach Hause geschickt oder in andere Kliniken verlegt zu werden." Die Belastungsgrenze des Personals sei längst erreicht. Das gilt nach Einschätzung der Verfasser auch für den Pflegesektor. Dort führe der Mangel an Fachkräften dazu, dass vorhandene OP-Kapazitäten nur eingeschränkt genutzt werden können, was wiederum zu Einnahmeausfällen bei der Geno führe. Das Schreiben der Kinderärzte schließt mit einem Appell an die Spitzen von Geno und senatorischer Behörde. "Wir fordern ein klares politisches Bekenntnis, dass unsere Kinderklinik auch weiterhin eine umfassende medizinische Versorgung ... leisten kann."

Der Brandbrief fällt in eine Zeit, in der die Gesundheit Nord mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Das jährliche Defizit liegt im zweistelligen Millionenbereich. Die Geno-Leitung plant deshalb, in den kommenden Jahren rund 440 Arbeitsplätze abzubauen, nicht zuletzt in der Ärzteschaft. Wie viele davon auf das Elki entfallen, dazu äußert sich die Spitze des Klinikverbundes gegenwärtig nicht. Sprecherin Karen Matiszick geht allerdings davon aus, dass in dem neuen Komplex "langfristig Stellen wegfallen können", weil sich durch die Zusammenlegung mehrerer medizinischer Einheiten die Chance ergebe, Doppelstrukturen abzubauen. Dies werde aber "immer mit Augenmaß geschehen". Die Geschäftsleitung sei im Gespräch mit den Kinderärzten. Matiszick: "Wir sind zuversichtlich, dass wir einen guten Weg finden werden, um das Eltern-Kind-Zentrum auch für die Zukunft gut aufzustellen."

Zur Sache

Chefarzt kritisiert Geno-Spitze

Das Eltern-Kind-Zentrum ist nicht die einzige Einrichtung des Klinikums Mitte (KBM), in der es Unzufriedenheit mit der Geschäftsleitung gibt. Der Chefarzt der Augenklinik, Erik Chankiewitz, hat gekündigt und tritt im Herbst eine neue Stelle in Braunschweig an. Chankiewitz gehörte in der Chefarztriege der Geno zu den jüngeren, aufstrebenden Kräften. Er hat am KBM die Technik der Hornhauttransplantation etabliert. Im aktuellen "Focus"-Ärzteranking wird er in der Augenheilkunde zu Deutschlands Top-Medizinern gezählt. Der scheidende Chefarzt macht keinen Hehl aus seinem Unmut über die Arbeitsbedingungen. Der Geschäftsführung attestiert er eine "ignorante Haltung". Absprachen hätten nur eine "sehr geringe Verlässlichkeit", was auch mit ständigen Wechseln auf den Führungspositionen des Geno-Verbundes zu tun habe. Notwendige Modernisierungsmaßnahmen würden bei der Geno nicht konsequent angegangen. Das gelte beispielsweise für die Digitalisierung. Die Augenklinik am St.-Joseph-Stift sei der Geno auf diesem Gebiet um mehr als zehn Jahre voraus. Für schädlich hält Chankiewitz auch die Praxis, Pflegekräfte immer häufiger abseits ihrer Stationen einzusetzen. Krankenschwestern und -pfleger würden kurzfristig aus ihren angestammten Bereichen abgezogen, um anderswo Löcher zu stopfen. Darunter aber leide die Motivation der Mitarbeiter, beklagt der scheidende Klinikdirektor.

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