Verspüren Sie sie auch schon, die alljährlich aufkeimende Unruhe, wenn es in die letzte Woche vor den Festtagen geht? Jene Unruhe, die sich darin äußert, dass Sie wie ich zu den Menschen gehören, die nun viel öfter als sonst auf die mittelfristige Wettervorhersage in der Qualitätszeitung Ihres Vertrauens schauen oder die Wetter-App des Handys starten. Schließlich soll man die Hoffnung nie aufgeben – und sei sie so vage, ja irre, dass sie sich um eine weiße Weihnacht im 0421-Land dreht.
Die ganze Abwegigkeit dieses Gedankenspiels hat der Wetterexperte Jörg Kachelmann diese Woche in einem Online-Beitrag des „Spiegel“ zusammengefasst und mit einer wunderbaren Überschrift versehen: „Lösen Sie sich von der pseudoleitkulturellen Obsession, dass Frau Holle zu Deutschland gehört!“ Das habe ich aber doch längst getan und akzeptiert, dass der Gottesdienstbesuch an Heiligabend – der bei uns seit Corona-Zeiten auf einer Spielplatzwiese unter freiem Himmel gefeiert wird – mal wieder ohne Pudelmütze und Handschuhe als Rüstzeug auskommt. Aber Gummistiefel stattdessen? Das sind auch keine sonderlich reizvollen Aussichten. Und ihr leitkultureller Wert ist mir bisher auch entgangen.
Das mag allerdings auch damit zusammenhängen, dass die Kultur und ich uns noch immer in einem vorsichtigen Annäherungsprozess befinden. Womöglich auch deshalb, weil sie mir in den journalistischen Anfangsjahren als freier Mitarbeiter vor allem in Form der Herausforderung begegnet ist, trotz einiger Ahnungslosigkeit über lokale Kulturveranstaltungen im Umland von Bremen berichten zu sollen. Gefühlt bestanden meine Wochenenden damals aus einer endlosen Aneinanderreihung von Klezmer-Konzerten.
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Aber: Ich arbeite hart daran, meinen kulturellen Horizont zu erweitern, wofür die Stadt Woche für Woche vielfältige Möglichkeiten bietet. So habe ich mich kürzlich in der Lesung eines der, so wurde mir versichert, wichtigsten zeitgenössischen Autoren Spaniens, der seine Werke auf Baskisch verfasst, wiedergefunden. Das ist vor allem dann ein hoher Einsatz in Sachen kultureller Bildung, wenn man des Baskischen nicht mächtig ist und das Verständnis der spanischen Sprache ungefähr dort endet, wo es um mehr als den Erwerb einer schnellen Mahlzeit etwa in Form einer Knackwurst geht. Also aufgepasst: Una salchicha, por favor!
Was mich umgehend zu einem Stück örtlicher Alltagskultur leitet – oder vielmehr dessen Ende. Die Nachricht, dass mit dem Kiefert-Imbiss am Hauptbahnhof eine Bremer Institution zum Jahresende schließt, hat mich auch deshalb getroffen, weil ich mich in einer der ewigen Glaubensfragen der Stadt immer klar positioniert habe. Zwar weiß ich auch Stockhingers Rauchzipfel sehr zu schätzen, doch im Herzen gehörte ich immer zum Team Kiefert. Womit die nächste kulturelle Aufgabe bereits feststeht: Zwischen den Jahren wird dort letztmals eine Wurst gegessen. Das aber höchstwahrscheinlich ohne Schnee rundherum.
Tagebucheintrag: Ach ja, eine weitere Frage, wenn es um die Wurst geht, soll natürlich nicht unbeantwortet bleiben: Senf. Ketchup dazu geht gar nicht.