Rund 120 Jahre prägte die Rotbuche das Grün nahe der Steinhäuser Vase, gefällt wurde sie, weil ein Riesenporling, ein Pilz, sie befallen hatte.
Diesmal hat es eine Buche erwischt. In den Wallanlagen bleiben die Menschen stehen, blicken auf den abgesägten Stamm im Gras. Rund 120 Jahre prägte die Rotbuche das Grün nahe der Steinhäuser Vase, gefällt wurde sie, weil ein Riesenporling, ein Pilz, sie befallen hatte. „Sie war nicht mehr standsicher, hätte Menschen gefährden können“, sagt Kerstin Doty vom Umweltbetrieb Bremen. Eigentlich erlaubt das Bremische Naturschutzgesetz das Fällen nur von Oktober bis Ende Februar. Bei akuter Sturz- und Bruchgefahr sieht das aber anders aus.
Dabei sind es gar nicht so sehr die Buchen, um die sich Baumpfleger sorgen. Es sind die Kastanien und die Eschen. Kleine Schädlinge wie Motten, Bakterien und Pilze machen sich auf ihnen breit, lassen selbst große, stattliche Bäume absterben. „Wir haben überproportional hohe Ausfälle“, berichtet Ralf Möller, Referatsleiter beim Umweltbetrieb. 4,4 Prozent des städtischen Kastanienbestandes (insgesamt etwa 900) mussten 2015 gefällt werden, vor allem in Bremen-Mitte. Zum Vergleich: Durchschnittlich wird die Säge pro Jahr bei 0,8 Prozent der Bremer Stadtbäume angesetzt. Auch das bundesweite Eschentriebsterben hat in Bremen „voll eingeschlagen“, sagt Möller: Drei Prozent des Bestandes (insgesamt rund 2300) mussten 2015 dran glauben.
Möller kann jetzt alle wichtigen Daten mit wenigen Klicks liefern: Ein neues digitales Baumkataster beim Umweltbetrieb informiert detailliert über die rund 70 000 Bremer Straßenbäume. Es zeigt jeweils Höhe und Kronenumfang an, auch den nächsten Kontrolltermin und die Vitalität. „Problembäume können wir jetzt schnell herausfiltern“, sagt er. Nach und nach sollen auch die Daten von den annähernd 220.000 Parkbäumen eingespeist werden.
Jeder dritte Staßenbaum eine Eiche
Fast jeder dritte Straßenbaum in Bremen ist eine Eiche, gefällt wurden im vergangenen Jahr 0,78 Prozent des Bestandes. Auf Platz zwei steht die Linde, die ein knappes Viertel der Bremer Straßenbäume stellt. Von den Linden gerieten 0,84 Prozent des Bestandes unter die Säge. Möllers Rechner gibt all das in Sekundenschnelle preis. Einen Nachteil allerdings hat die Umstellung auf digitales Erfassen: Die Baumfäll-Liste des Umweltbetriebs lässt sich derzeit nicht mehr aufrufen. Dort konnten Interessierte online erfahren, wo und warum Straßenbäume in Bremen gefällt werden. Und dort wäre auch die marode Buche aus den Wallanlagen aufgetaucht. Ab Oktober, zu Beginn der Fällsaison, soll die Liste wieder zugänglich sein, versichert Sprecherin Doty.
Wie viele kranke Kastanien und Eschen dann darauf stehen – man weiß es noch nicht, geht aber von steigenden Zahlen aus. Die Kastanien-Killer seien „auf dem Vormarsch“, sagt Möller. Nicht nur die Miniermotte macht dem Baum zu schaffen. Auch ein nach Europa eingeschlepptes Bakterium bedroht die Kastanie: „Pseudomonas syringae“ setzt sich unter der Borke fest, der Baum kann nicht mehr wachsen, stattdessen wachsen oft Pilze in den Rissen der Rinde. Das neue Krankheitsbild sei dramatischer als der Befall mit der Motte, schrieb 2014 das Institut für Baumpflege in Hamburg. Ganze Bestände und Alleen könnten absterben.
Viele Kastanien betroffen
Dass viele Kastanien kränkeln, erkennen auch Laien beim näheren Hinschauen. Ein Mittel gegen die Killer gebe es nicht, sagt Möller. Man könne nur hoffen, dass robustere Kastanien überlebten. „Wir brauchen resistente Arten und ihr Saatgut.“
Bei den Eschen ist das ebenso. Ihnen macht ein fieser Pilz mit nettem Namen den Garaus: Das falsche weiße Stengelbecherchen kam aus Asien nach Europa; der Erreger infiziert die Bäume über die Blätter und dringt über die Stiele in die Triebe ein. Die Äste werden dürr und sterben ab, am Ende ist die Esche tot. Vor allem links der Weser mussten Eschen gefällt werden, weiß Möller. Aber auch in Oberneuland, im Park Höpkens Ruh, hat er eine kranke Traueresche entdeckt. „Auf den Blättern sind kleine Pilze zu sehen.“ Und die Triebspitzen seien schon dürr.
„Man kann nichts dagegen tun“, sagt er. Betroffen seien junge wie alte Bäume – ein Schlag für eine grüne Stadt wie Bremen und erst recht für die Forstwirtschaft. Möller hält nichts davon, noch europäische Eschen zu pflanzen. Eher kämen amerikanische Eschen infrage. Überhaupt müssten die Städte angesichts des Klimawandels auf neue, robustere Baumarten setzen. „Wenn es weiter wärmer wird in den Städten, leiden die heimischen Bäume noch mehr.“ Denn die Stadtbäume haben schon Stress genug: Versiegelte Flächen, dichter Verkehr, Streusalz oder Wurzelverletzungen nach Bauarbeiten setzen ihnen zu, lassen sie anfälliger werden für Krankheiten und Schädlinge. Und wegen der milden Winter können sich Pilz und Co. gut verbreiten. Im Prinzip hätte die Buche in den Wallanlagen noch gut 150 Jahre weiter leben können – Rotbuchen können bis zu 300 Jahre alt werden. Doch der Riesenporling hat ganze Arbeit geleistet. Und so war auch die Arbeit der Baumpfleger vor zwei Jahren vergeblich, als sie die Buche mit einem Sicherheitsschnitt in der Krone noch eine Weile erhalten wollten. Der Pilz aber habe den Baum in der Substanz zerstört, sagt Kerstin Doty. „Die Buche musste dringend gefällt werden.“