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20 Jahre Hafenmuseum Bremen Woran Besucher im Speicher XI besonders viel Spaß haben

Am 17. März feiert das Hafenmuseum im Speicher XI sein 20-jähriges Bestehen. Das Leitungsduo verrät, welche Attraktionen die Besucher besonders begeistern.
16.03.2024, 05:00 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Von Sebastian Loskant

"Der alte Speicher XI ist das tollste Ausstellungsstück, das wir haben. Die Geschichte des Stückgutumschlags, die wir erzählen, ist quasi schon in die Wände eingeschrieben." Zum 20-jährigen Bestehen des Hafenmuseums lenkt Claudia Seidel vom Leitungsteam den Blick auf den Backsteinbau selbst. "Dass die Ausstellung die richtige Atmosphäre vermittelt, ist unser großes Plus." Etwa 17.500 Besucher, darunter 5000 Schülerinnen und Schüler aus 250 Klassen, informierten sich allein 2023 über Handelsschifffahrt und Hafenentwicklung.

Immer dicht am Publikum zu arbeiten, ist Claudia Seidel und Anne Schweisfurth wichtig. Die zwei sind seit der Eröffnung des Privatmuseums 2004 dabei. Die dritte im Gründungsbunde, Astrid Müller, ist vor einiger Zeit in Rente gegangen. Die lange Erfahrung zahlt sich aus, das Duo weiß genau, was Besuchern Spaß macht. "Das große begehbare Luftbild von 1974 auf dem Fußboden ist bei den Erwachsenen besonders beliebt", berichtet Seidel. "Mit den Puschen über den Hafen – da sucht jeder, ob er das eigene Haus entdeckt. Und dann bekommt man überhaupt erst einen Eindruck, wie groß und weitverzweigt das Hafengebiet ist. Denn von den früheren Strukturen des Geländes erkennt man heute fast nichts mehr."

Das junge Publikum habe die meiste Freude an allem, was sich anfassen lässt, verrät Anne Schweisfurth. "Dazu gehören die Baumwolle und die Kaffeesäcke. Natürlich probieren sich alle auch gern bei den Flaschenzügen aus, mit denen man Säcke anheben kann." Als roter Faden durch die Dauerausstellung dient ein Leitalphabet, das von A bis Z Hafenbegriffe vorstellt, die typisch für Bremen sind. Etwa A für Anbiet: "Anbiet kommt von anbeißen", erläutert Seidel, "Anbiethallen waren die Hafenkantinen, und Anbiet ist der Imbiss, das kleine Frühstück." Hase unter H bezeichnet das Bündel Stau- oder Restholz, das ein Arbeiter auf dem Gepäckträger als Brennstoff für daheim mitnehmen durfte. "Bei U wie Umschlag tippen Kinder schon mal auf einen Wundverband mit Kaffee drin statt auf das Verladen von Waren", Seidel schmunzelt.

Teurer Sanierungsfall

Kaum noch zu glauben, dass eines der wenigen Hafengebäude, die den Zweiten Weltkrieg überstanden hatten, vor einem Vierteljahrhundert beinahe der Abrissbirne zum Opfer gefallen wäre. Zum Schutz gegen Feuer hatte man einst die gesamte Nordwand als Brandmauer mit Asbest ausgestattet. Deshalb galt der 406 Meter lange und 15 Meter hohe Speicher mit der Rampe, als die Stadt Bremen die Umstrukturierung der alten Hafenreviere beschloss, als extrem teurer Sanierungsfall – man rechnete mit 60 Millionen Euro Gesamtkosten.

Zum Retter wurde der 2022 verstorbene Bauunternehmer Klaus Hübotter, der die intelligente Neunutzung historischer Bausubstanz als seine Lebensaufgabe betrachtete. Wie bei der Villa Ichon, dem Schlachthof in Findorff oder einige Jahre später beim Sendesaal von Radio Bremen, die er ebenfalls vor dem Abbruch rettete, sah er Potenzial in dem 1908 bis 1912 als Baumwollspeicher erbauten Riesenkomplex. Hübotter kaufte ihn 2001 für 1,16 Millionen Mark unter der Auflage, ihn denkmalgerecht zu sanieren und umzubauen. Er brauchte dafür nur 20 Millionen Euro.

Der Umbau wurde nicht nur zur Initialzündung für die Neugestaltung des Hafengebiets, der Bauunternehmer setzte auch kulturelle Akzente. Unter anderem mit dem Einzug der Hochschule für Künste und mit der Idee eines Hafenmuseums. Bereits am 28. Februar 2004 wurde es als "Museum in progress" eröffnet, im Lauf des Jahres vervollständigte man die Dauerausstellung. 

Hartmut Müller, der ehemalige Leiter des Stadtarchivs, grub interessante Dokumente aus, nach einem Aufruf im WESER-KURIER meldeten sich viele ehemalige Hafenarbeiter. "Sie stellten uns nicht nur Exponate wie Werkzeuge und Arbeitskleidung zur Verfügung, sondern erzählten auch ihre Geschichten", erinnert sich Schweisfurth. "Und von Geschichten lebt das Hafenmuseum." Zugleich betont sie, dass das Haus kein rein historisches Museum sei: "Wir bleiben nicht bei der Erinnerung stehen, sondern vermitteln auch die aktuellen Entwicklungen und lenken den Blick auf die Zukunft der Hafenwirtschaft in Bremen und Bremerhaven."

Großes pädagogisches Angebot

Hierfür wird das pädagogische Angebot immer wieder erneuert und erweitert, von der Themenführung bis zum Museumsclub für Jugendliche. Ein bis zwei dokumentarische Sonderausstellungen haben die reinen Kunstausstellungen der ersten 15 Jahre abgelöst. Rundgänge, Fahrradtouren und spezielle Hafenrundfahrten rücken die Wandlungsprozesse rund um das Gebäude in den Fokus. "Wir sind immer noch eine Hafenstadt, auch wenn man es nicht mehr so wahrnimmt", betont Schweisfurth. "Es gibt den Holz- und Fabrikenhafen direkt in unserer Nachbarschaft, den großen Neustädter Hafen, die Industriehäfen. Jeder fünfte Arbeitsplatz in Bremen hängt am Hafen."

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Mit einem Jahresetat von 450.000 bis 500.000 Euro, der sich aus Zuwendungen der Firma Hübotter, von Stiftungen, Sponsoren und Privatspendern speist, sowie mit einem Team aus 15 Teilzeit- und Honorarkräften arbeitet das Privatmuseum, das keine eigenen Werkstätten besitzt und viele Kooperationen pflegt, so effizient wie möglich. "Wir sind in unserer Unterschiedlichkeit ein sehr produktives Team", sagt Claudia Seidel und freut sich, dass die Senatorin für Häfen das Haus inzwischen im zweiten Jahr unterstützt.

Das ist vor allem dem Intensivprogramm "Berufsorientierung für die Hafenwirtschaft" zu verdanken, das Schülern ein bis zwei Tagen mit Betriebsbesichtigungen mit den Arbeitsmöglichkeiten im Hafen bekanntmacht, um mögliche künftige Fachkräfte zu gewinnen. 20 Schulklassen nahmen 2023 daran teil, 2025 sollen es 35 sein. 

Die Ideen gehen dem Leitungsteam so bald nicht aus: "Zoll, fairer Handel, Nachhaltigkeit, Energie, Digitalisierung, Klimawandel, Kolonialgeschichte, Frauen im Hafen ..." – Themen für künftige Ausstellungen gibt es genug. Dass sich Besucher zwischen Gangway, Treppe und Kaffeesäcken verlaufen, kommt übrigens auch nach 20 Jahren immer noch vor. Claudia Seidel lacht: "Man kann sich ja am Hafen-Alphabet zum Ausgang hangeln." 

Info

"20 Jahre Hafenmuseum" werden am Sonntag, 17. März, von 11 bis 18 Uhr bei Kaffee und Kuchen gefeiert. Blaumeiers Chor Don Bleu und Nagelritz sorgen für Musik, es gibt eine Familienführung mit Fiete Hansen und eine Museums-Rallye. Der Eintritt ist frei. 

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