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Neue Ausstellung „Berührend“ Paula-Modersohn-Becker-Museum widmet sich dem Thema Berührung

Berührungen können emotional sein, sie können zärtlich sein, sie können wehtun. Die Museen Böttcherstraße haben diesem großen Thema unter dem Titel „Berührend“ eine Ausstellung gewidmet.
18.09.2020, 05:01 Uhr
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Paula-Modersohn-Becker-Museum widmet sich dem Thema Berührung
Von Alexandra Knief

Beim Betreten des ersten Ausstellungsraumes blickt der Besucher des Paula-Modersohn-Becker-Museums direkt auf eine Fotografie, die ihm ein eher mulmiges Gefühl gibt: „Stanze di Raffaello 2“ (1990) von Thomas Struth zeigt Menschen, dicht zusammengedrängt in den Stanzen des Raffael in den Vatikanischen Museen. Szenen wie diese sind in Corona-Zeiten nicht vorstellbar, fast schon beängstigend. Die Fotografie zeigt eine erdrückende Nähe, die der Mensch nicht unbedingt als angenehm empfindet. Gleichzeitig sind Nähe und Berührungen für den Menschen aber auch überlebenswichtig, unverzichtbar für seine Gesundheit und das soziale Zusammenleben.

Wie viele Facetten das Thema Nähe, genauer gesagt das Thema Berührung hat, verdeutlicht unter dem Titel „Berührend – Annäherung an ein wesentliches Bedürfnis“ eine Ausstellung im Paula-Modersohn-Becker-Museum. Ohne die aktuelle Corona-Situation, in der Berührungen auf ein Minimum beschränkt werden müssen, wäre man wohl nicht auf das Ausstellungsthema gekommen, betont Museumsdirektor Frank Schmidt bei einem Presserundgang am Donnerstag. Bei den Planungen habe man dann aber schnell gemerkt, wie groß und vielseitig dieses Thema sei.

In Themenräumen widmet sich das Museum unter anderem der Selbstberührung, Berührungen unter religiösen Aspekten oder Berührungen zwischen Mutter und Kind als Zeichen der Fürsorge. Aber auch zärtliche Berührung, in Form von Umarmungen und Küssen sowie Berührungen, die Grenzen überschreiten, finden in der Ausstellung ihren Platz. Trotz des Themas gilt (fast) überall im Museum: Berühren verboten. Viel mehr sind es die etwa 60 Werke, die ihren Betrachter emotional berühren sollen.

Die gezeigte Kunst umfasst mehrere Jahrhunderte. Das älteste Werk ist eine mittelalterliche Löwen-Aquamanile (um 1300) aus der Sammlung des Ludwig-Roselius-Museums, die jüngste Arbeit, „Leea II“, stammt von Vivian Greven, zeigt zwei in sich verschmelzende Körper und ist erst im vergangenen Jahr entstanden. Eine weitere Besonderheit: Erstmals werden Werke aus allen drei Sammlungsschwerpunkten der Museen Böttcherstraße – Paula Modersohn-Becker, Bernhard Hoetger und Altmeistergemälde sowie Skulpturen aus der Sammlung des Roselius-Hauses – in einer Ausstellung gezeigt. Hinzu kommen diverse Leihgaben.

Berührungen können auch schmerzhaft sein

Gemälde sind in der Schau ebenso vertreten wie Skulpturen, Fotografien und Videoarbeiten. Melanie Manchot bittet in ihrem Video „For a Moment between Strangers“ (2001) Fremde, sie zu küssen, und fängt deren teils irritierte, teils beschämte Reaktionen mit der Kamera ein. Dass Berührungen auch schmerzhaft sein können, wird hingegen im Video „Light/Dark“ (1977) von Marina Abramovi? und Ulay klar, in dem die beiden sich gegenseitig ohrfeigen.

Ein Höhepunkt der Ausstellung sind die Arbeiten, die unter dem Motto „Komm mir nicht zu nahe“ stehen. Gezeigt werden unter anderem drei Arbeiten aus Michael Wolfs Fotoserie „Tokyo Compression“ (2010), die zeigen, wie Menschen in Tokio förmlich in U-Bahn-Abteile gezwängt werden, an Scheiben kleben und ihren Mitmenschen weitaus näher kommen, als ihnen vielleicht lieb ist. An einer Scheibe klebt auch die Schweizer Künstlerin Pipilotti Rist in ihrer Videoarbeit „Open My Glade (Flatten)“ aus dem Jahr 2000. In dem rund zehn Minuten langen Video ist die Künstlerin zu sehen, wie sie ihr Gesicht und ihre Hände an eine Scheibe presst, sich daran reibt, ihr Gesicht verzerrt und schließlich auch ihr Make-Up über Glas und Gesicht verschmiert.

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Die Ausstellungsmacher beleuchten das Thema Berührung aber auch weit über die künstlerischen Aspekte hinaus: In einem Begleitmagazin, das anstelle eines Kataloges erschienen ist, findet der Besucher nicht nur vertiefende Informationen zu den Ausstellungsräumen, sondern unter anderem auch ein Interview zur soziologischen Bedeutung von Berührung sowie verschiedene Essays zum Thema. Darin geht es unter anderem um Berührung in der Pflege, die Vielfalt von Berührungen zwischen Hebamme, Mutter und Kind oder darum, wie man durch Berührungen Selbstheilungskräfte aktivieren kann.

Außerdem werden im Museum fünf Videos gezeigt, die in Kooperation mit dem WESER-KURIER entstanden sind. Darin erzählen eine Domina, ein Masseur, ein Propst, ein Tätowierer und eine Tänzerin, welche Rolle Berührungen in ihrem beruflichen Alltag spielen. Eine weitere Kooperation gab es mit den Bremer Philharmonikern: Besucher können in den jeweiligen Themenräumen einen QR-Code scannen, woraufhin ihnen von Orchestermitgliedern eingespielte Stücke vorgespielt werden.

Hier finden sie eine Übersicht der Videos, die in Kooperation mit dem WESER-KURIER entstanden sind.

Weitere Informationen

„Berührend“ ist vom 19. September 2020 bis zum 24. Januar 2021 im Paula-Modersohn-Becker-Museum in der Böttcherstraße zu sehen; dienstags bis sonntags 11 bis 18 Uhr.

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