Seine unweigerlich letzte Kolumne für den WESER-KURIER datiert auf den 25. April dieses Jahres. Darin erinnert sich Rainer Mammen im Zwiegespräch mit einer gewissen Frau Dr. B. an eine denkwürdige Autoreise.
In seinem „antiken Käfer“ chauffierte er einst eine Buchhändlerin aus Oldenburg und einen späteren Literaturnobelpreisträger aus Lübeck in ein Ausflugslokal, in welchem sie dem Zwischenahner Löffeltrunk zusprachen. „So eine Art Veuve Clicquot für den oldenburgischen Buchhandel?“, erkundigt sich Frau Dr. B. „Eine Art binnenländischer Schaumwein oder doch eine eher härtere Angelegenheit für die einschlägige deutsche Literatur?“
Fraglos eine härtere Angelegenheit für die einschlägige deutsche Zeitungsliteratur ist die Nachricht vom Tode Rainer Mammens. Der kundige Kulturjournalist und kolossal komische Kolumnist starb, wie jetzt bekannt wurde, bereits am Donnerstag vergangener Woche. Rainer Mammen wurde 64 Jahre alt. Sein unkonventioneller Stil prägte den WESER-KURIER, deren Redaktion er vom 1. Januar 1974 bis zum Gang gen Vorruhestand im Dezember 2013 angehörte. Seine Texte, zumal jene für das Kulturressort, meisterten stets smart und souverän den schmalen Grat zwischen eigentlichem und uneigentlichem Sprechen, zwischen Analyse und Poesie, Klartext und Arabeske, tieferer Bedeutung und Satire.
Mammens dezent ironischer, gleichwohl menschenfreundlicher Duktus war an Thomas Mann geschult, einem Romancier, den er so sehr verehrte, dass er ihm auch und gerade aus randständigen Anlässen gewitzte Themen, Thesen und Temperamente abzulauschen wusste. Einer ungewöhnlich langen Hitzeperiode im Sommer 2010 begegnete er etwa mit einer flammenden Erinnerung an Dürre-Passagen in Manns Roman-Tetralogie „Joseph und seine Brüder“.
Bewundert, aber auch gefürchtet war dieser Mann, dessen Kürzel mam lautete, als Theaterkritiker. Respekt indes zollten ihm beide Seiten, Zuschauer wie Akteure. Vor Schauspielpremieren sah man ihn, ging es um kanonische Texte, in dem entsprechenden Reclam-Bändchen lesen. Dabei war er Kind der ästhetischen Moderne. L’art pour l’art eines selbstverliebten Regietheaters galt ihm als Gräuel; desgleichen der Theoriedünkel einer auf poststrukturalistische Metaebenen fixierten Dramaturgen-Kaste.
Dass die Intendanz von Kurt Hübner vor seinem Einstand als Redakteur endete, hielt Mammen nicht ab, dieser noch Jahrzehnte später nachzutrauern: „Hübner erfand in seiner Bremer Zeit ein deutsches Theater der Zukunft“, heißt es in einem Essay aus dem Jahr 2010. Rainer Mammens inspirierende Texte fehlen bereits jetzt.