Manchmal muss es ein Sprichwort sein: "Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah!" Das ist auch noch angelehnt an ein Goethe-Gedicht, dann kann eigentlich gar nichts schief gehen. Genauso wie beim 4. Philharmonischen Konzert in der Glocke, der "Gala für Götter". Ein Orchester, das als Solisten Anette Behr-König und Boris Faust in seinen Reihen hat, muss sich vor der "Sinfonia für Violine und Viola Es-Dur" von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) nicht bange machen.
Davon war denn auch nichts zu spüren im Konzert am Montagabend, was zudem an Enrico Onofri lag, den sich die Bremer Philharmoniker als Gastdirigenten eingeladen hatten. Ein Glücksgriff: Die Chemie stimmte spürbar zwischen dem Dirigenten, Geiger und Lehrer, der den viel strapazierten Begriff der historisch informierten Aufführungspraxis unangestrengt auslegt, und den Musikern. Das wurde schon im ersten Stück deutlich, der Ouvertüre zur Oper "Olympia" des Mozart-Zeitgenossen Joseph Martin Kraus (1756-1792): ein munterer Appetizer, sehr flott angegangen, mit rasanten Streicherpassagen und deutlich gesetzten Bläsereinwürfen.
Sensible Dynamik
Herzstück vor der Pause war Mozarts "Sinfonia", die Onofri weniger als Zwiegepräch der Solisten vor Orchesterhintergrund anlegte, denn als Dreiergespräch. Das Allegro maestoso mit seinen vielen Motiven bestach durch einen schön abgerundeten Aufbau und eine sensible Dynamik, auf die Onofri hörbar Wert legte.
Kein Problem für die diszipliniert spielenden Philharmoniker, die durch Generalmusikdirektor Marko Letonja an solche diffizilen Gestaltungskriterien gewöhnt sind. Konzertmeisterin Anette Behr-König führte ihre Violine mit glasklarem Strich und gestaltete die vielen Kadenzen ebenso fantasievoll wie Boris Faust an der Viola, die ja immer wie die melancholische Schwester der Geige klingt. Das spielte Faust besonders beim im Moll gehaltenen Andante vornehm und weich aus.
Im Orchester durfte es manchmal brausen und tosen, stets klug gesteuert durch Onofri, der den einmal mehr hervorragenden Bläsern ausreichend Raum gönnte, was beim Rondo zu einer übermütigen Stimmung führte. Das Publikum applaudierte und trampelte, und Behr-König und Faust schickten als Zugabe einen neckisch hingetupften Gruß "an unsere zweite Spielstätte", also das Theater Bremen: Die "Vogelfänger"-Arie des Papageno aus der "Zauberflöte".
Die facettenreiche "Sinfonie C-Dur" ("Jupiter") überzeugte das Publikum nach der Pause endgültig von der harmonischen Zusammenarbeit auf der Bühne. Auch diesem Werk verpasste Onofri durch eine zügige, plüschfreie Herangehensweise einen Frischekick – so geht Allegro vivace heute. Auch der stets transparente Gesamtklang ließ aufhorchen; unbedingt loben muss man Nils Kochskämper an der Pauke sowie Andrew Malcolm und Abraham Aznar Madrigal (Oboe) und Johannes Wagner und Berker Sen (Fagott) für ihre exakt gesetzten Akzente. Im Andante schienen die Streicher beinahe zu schweben, das Menuetto präsentierte sich stark rhythmisiert und das Molto Allegro mit seinen fünf Motiven, die sich final vereinen, überzeugte erneut durch Transparenz und das mühelose Umschalten von vehement auf zart und zurück. Jubel im Saal, was sonst.