Es war eine Super-Idee, Allyn Fergusons Musik zum Weihnachtsfilm "Der kleine Lord" an den Anfang zu stellen. Im Benefizkonzert, das die Bremer Philharmoniker und Bremen Zwei zugunsten der WESER-KURIER-Weihnachtshilfe in der ausverkauften Glocke ausrichteten, wurde die Stimmung gleich um viele Grade heimeliger. Man sah vor dem geistigen Auge, wie der kleine "Da soll mich doch der Teufel holen"-Cedric in der Kutsche zum Schloss seines mürrischen Großvaters hinaufgefahren wird, wippte in Gedanken bei der "Golden Slippers"-Tanzszene mit und erinnerte sich bei "Hark! The Herald Angels Sing" (dessen Melodie von Felix Mendelssohn stammt) an das finale Fest in der großen Halle.
Zugleich wurde das Publikum daran erinnert, dass Weihnachten das Fest der Kinder ist. "Wir Erwachsenen schenken uns ja wie üblich sowieso nichts", witzelte Moderatorin Katrin Krämer, die herrlich locker durch den von Radio Bremen live übertragenen Abend führte und dabei elegant ein paar Infos zu den Stücken einstreute. Mit immer neuen Gedankenschlenkern – "Jeder falsche Ton beim Mitsingen kostet Sie einen Euro" – kurbelte sie überdies die Spendenbereitschaft an: für Kinder in Bremen, denen die Eltern keine Winterjacke kaufen und keine üppige Bescherung bereiten können.
Den Kindern hatte auch Dirigent Stefan Klingele einen Schwerpunkt im musikalischen Festschmaus gewidmet, "in dem viele meiner Lieblingsstücke stecken". Da gab es die fünfsätzige Suite "Kinderspiele" von Georges Bizet, aber auch Lollipops wie Victor Herberts Spielzeugmarsch und "Sleigh Ride", Leroy Andersons wilde Schlittenfahrt mit Peitschenknall und Schellengebimmel. Großen Anklang fand der von Karl Bernewitz einstudierte Kinderchor des Theaters Bremen, der von der Empore zum Blechbläsersatz erst das 600 Jahre alte Lied "In dulci jubilo" und Martin Luthers "Vom Himmel hoch" ertönen ließ, später dann ein lebhaftes "Jingle Bells" anstimmte.
Auch die zwei Gesangssolisten kamen vom Theater Bremen, wo sie derzeit in "La Bohème" eine weitere Spendenaktion (für die Tafel) unterstützen. Nachdem sie sich mit einem Duett von Händel eingeführt hatten, ließ Sopranistin Elisa Birkenheier mit "Walking in the Air" und Eduard Künnekes Operettenhit "Strahlender Mond" das Publikum versonnen träumen. Und Tenor Oliver Sewell sorgte vor der Pause mit Adolphe Adams herzerwärmender "O Holy Night" für den ersten Gänsehautmoment.
Das Rauschen der Eule Hedwig
Mit 21 Titeln war der musikalische Tisch reichlich gedeckt, und die Bremer Philharmoniker, "die schon 200 Jahre hier sitzen" (Katrin Krämer), galoppierten souverän durch die Jahrhunderte. Nicht nur, dass sie ihren Bach, Dvorák und Tschaikowsky beherrschen, auch bei Swing von Leroy Anderson und Filmmusik laufen sie zu Hochform auf. Wie genial John Williams die Eule Hedwig in "Harry Potter" heranrauschen lässt – hier war es zu vernehmen.
Welch hervorragende Bläsersolisten das Orchester hat, konnte man ebenfalls erfahren. Oboist Andrew Malcolm gestaltete "Gabriel’s Oboe" von Ennio Morricone mit schier endlosem Atem, die Trompeter Thomas Ratzek und Rudolf Lörinc setzten mit einem Vivaldi-Doppel ein hochvirtuoses Glanzlicht auf den Adventskranz. Zuletzt, vor dem langen Schlussapplaus, war traditionell Mitsingen angesagt. Bremen darf stolz auf sich sein, nicht nur für seine Spendenbereitschaft: Hier kennen auch noch viele Konzertfreunde alle drei Strophen von "Leise rieselt der Schnee" auswendig.