Björn Diemel ist gestresst. Er ist Anwalt und vertritt die, die es eigentlich nicht verdient haben, für ihre Taten ungestraft davonzukommen. Seine Frau ist genervt von ihm und davon, dass er keine Zeit für sie und ihre Tochter Emily hat. Also schickt sie ihn zu einem Achtsamkeitsseminar. Damit er endlich lernt, abzuschalten, Prioritäten zu setzen und sich eine vernünftige Work-Life-Balance aufzubauen.
Das ist die Ausgangslage von Karten Dusses Erfolgsroman "Achtsam morden", der nach seiner Veröffentlichung 2019 direkt an die Spitze der Bestsellerlisten schoss und auf den daraufhin drei weitere Bände der Buchreihe folgten. Eine Verfilmung ist ebenfalls in Arbeit. Das Bremer Kriminal-Theater hat sich nun daran gewagt, den Erfolgsstoff in einer Fassung von Bernd Schmidt auf die Bühne zu bringen. Dass das gut ankommt, zeigt der trotz bestem Sommerwetter sehr gut gefüllte Theatersaal auch noch in der Woche nach der Premiere.
Ein toter Mandant
Kriminal-Theater-Dauergast Christian Aumer spielt Diemel. Gewohnt ausdrucksstark und mit eindrücklich rauchiger Stimme, richtet er sich auch immer wieder direkt als Erzähler ans Publikum. Diemel begibt sich auf Drängen seiner Frau (Kathrin Steinweg) tatsächlich zum Achtsamkeitsberater Joschka Breitner (Christian Dieterle), der ihm von Atemübungen bis hin zu Zeitinseln einiges an theoretischem Handwerk mit auf den Weg gibt und im Laufe des Stückes immer wieder als helfende Stimme aus dem Hintergrund auftritt.
Dass Diemel, um seine Probleme zu lösen, mehr oder weniger versehentlich Dragan (ebenfalls Dieterle), seinen wohl schlimmsten Mandanten, umbringt und damit auf dem besten Weg ist, einen Mafia-Bandenkrieg anzuzetteln, in dem auch ein Kindergarten eine zentrale Rolle spielt, hat Breitner mit seinen Ratschlägen wahrscheinlich nicht erreichen wollen. Dennoch zeigt sich: Achtsamkeit und das Begehen von Straftaten passen ganz wunderbar zusammen – wenn man Breitners Regeln nur richtig interpretiert. Und das sorgt auf der Bühne natürlich für jede Menge Situationskomik.
Bei seiner Inszenierung setzt Regisseur Ralf Knapp auf Minimalismus: Drei Schauspieler übernehmen alle Rollen, Kostüme und Requisiten gibt es im Grunde nicht. Und das Bühnenbild (Knapp, Gisela Brünker, Heiko Windrath) besteht aus nichts weiter als ein paar Schaumstoffwürfeln und fünf drehbaren, teils magnetischen Stellwänden mit farbigem Comicaufdruck.
Rasante Rollenwechsel
Christian Dieterle und Kathrin Steinweg wechseln ihre Rollen zum Teil im Sekundentakt. Steinweg ist in einem Moment noch eine arglose Zweijährige, die zu McDonalds will, und ein Augenzwinkern später ein rauchender Mafia-Chauffeur. Obwohl alle drei Darsteller einen guten Job machen, funktioniert das nicht immer. Ganz ohne Kostüme, ganz ohne das kleinste Requisit, ist das rasante Schauspiel mit seinen knapp 15 Charakteren gerade für diejenigen, die das Buch nicht gelesen haben, nicht immer ganz nachzuvollziehen. Da hilft es auch nicht, dass die Theatermacher Polizistin Petra Egmann (Steinweg) im Hintergrund ihre Ermittlungen mit allen Figuren, Namen und Verwicklungen an einer Magnetwand ausbreiten lassen.
Das Stück hat gute Momente und sorgt im Publikum für viele Lacher. Sogar Platz für gemeinsame Atemübungen bietet der Abend. Dennoch bleibt "Achtsam morden" eine Geschichte, die sich – zumindest in dieser Inszenierung – für die Bühne nur bedingt eignet. Fans des Romans werden im Bremer Kriminal-Theater dennoch auf ihre Kosten kommen.