Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Premiere am Theater Bremen Immer schuften, niemals Pause

In "Mach es gut! Geschichte eines Arbeitslebens" begleiten die Zuschauer im Theater Bremen die junge Maja, die in Deutschland als Putzkraft arbeitet. Lohnt sich der Theaterbesuch?
18.06.2023, 16:54 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Immer schuften, niemals Pause
Von Alexandra Knief

Die Türen zu den Zuschauerplätzen im Kleinen Haus des Theater Bremens bleiben am Freitag geschlossen. Und das, obwohl das Premierenpublikum schon wartet. Doch es muss nicht lange warten. Nur der Weg ins Theater ist heute mal ein anderer – und der führt die Besucher direkt auf die Bühne, wo sie wie bei einer geselligen Stehparty mit Salzstangen und Sekt begrüßt werden und von Konfetti-Kanonen, die den hellen, auf dem Boden ausgerollten Teppich mit bunten Schnipseln übersähen. Das Bühnenbild, das sie umgibt, besteht sonst nur aus langen, halbtransparenten, weißen Vorhängen, die von der Decke bis zum Boden reichen. Nett hier.

Doch so schnell sie kam, so schnell ist die Partystimmung auch wieder verflogen, als das Geräusch eines Staubsaugers ertönt, und Tina Keserovi? anfängt, die Zuschauer auf ihre Plätze zu treiben, während sie beginnt, den Boden vom Konfetti zu befreien.

Körperlich und psychisch fordernde Arbeit

Keserovi? spielt Maja, die Hauptrolle in "Mach es gut! Geschichte eines Arbeitslebens". Es ist eine Geschichte, die die Autorin und Regisseurin Sylvia Sobottka auf Basis von Recherchen und ausgehend von ihrer eigenen Herkunft entwickelt hat. Es ist Majas Geschichte, diese allerdings steht exemplarisch für das Schicksal vieler Menschen. Für Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen, die sich ein Leben in Deutschland aufbauen. Für alle anderen Menschen, die mit schwerer körperlicher Arbeit im Reinigungs- und Pflegebereich versuchen, über die Runden zu kommen. Und für ihre Kinder, die sich oft ein ganz anderes Leben wünschen als ihre Eltern und versuchen, aus bestehenden Verhältnissen auszubrechen.

Lesen Sie auch

Fast zwei Stunden lang begleitet das Publikum Maja bei der Arbeit und während der wenigen Zeit zwischen den Jobs, in der die Besuche ihrer Schwester (Susanne Schrader) zu ihren Höhepunkten gehören. Zwei Stunden, ohne Pause. Denn die kann auch Maja sich nicht erlauben. Maja ist in den Achtzigerjahren aus Polen nach Deutschland gekommen, um mit Paul (Christian Freund) zusammen zu sein, der hier einen Job gefunden hat. Sie beginnt zu putzen, bei Herrn Baumann, Frau Jansen (Siegfried W. Maschek, Guido Gallmann) und anderen. Sie bekommt eine Tochter, Milena (Judith Goldberg), und als sie und Paul einen Kredit für ein Haus bekommen, scheint Majas kleines Leben trotz der harten Arbeit fast perfekt. Doch lange soll ihr dieses Glück nicht vergönnt sein.

Wer kümmert sich um Maja?

Sobottka erzählt die Geschichte einer Frau, die ihr Leben lang für andere da war. Für ihren Mann, ihre Tochter, für die Menschen, für die sie putzt, deren Hemden sie bügelt und deren Pflege sie schließlich auch übernimmt. Und bei alledem schwingt die Frage mit: Wer kümmert sich eigentlich um Maja? Sowohl jetzt, als auch später?

Es ist eine Geschichte, die sich eindrücklich und aufs Einfachste heruntergebrochen mit Klassenfragen beschäftigt, mit Ausbeutung, mit Ungerechtigkeiten und Abhängigkeiten. Zentral ist aber auch das Thema der Mutter-Tochter-Beziehung. Maja wünscht sich, dass ihre Tochter es besser hat als sie, versteht aber nicht, wenn Milenas Träume anders ausfallen, als sie es sich vorgestellt hat.

Lesen Sie auch

Es ist nicht immer leicht, das Geschehen auf der Bühne mitanzusehen. Wenn Maja minutenlang einen alten Mann (Maschek) mit Joghurt füttert oder wäscht, dabei leise mit ihm über Banalitäten spricht, dann hat das etwas Beklemmendes, weckt bei den Zuschauern vielleicht Erinnerungen, vielleicht Zukunftsängste, vielleicht Scham, weil Maja Aufgaben erledigt, die man selbst nicht erledigen möchte. Wenn sie im Krankenhaus die Betten putzt, in denen schon wieder der nächste Patient liegt, bevor sie richtig fertig ist, dann gibt das nicht nur Einblicke in das Arbeitsleben einer einzelnen Frau, sondern auch in ein Gesundheitssystem am Limit.

"Mach es gut! Geschichte eines Arbeitslebens" hält dem Publikum den Spiegel vor. Wenn die Menschen, für die Maja arbeitet, ihr generös einen Sack alter Klamotten für die Familie schenken. Oder wenn sie Maja schwarz beschäftigen, ohne darüber nachzudenken, was das für ihre Rente bedeutet. Den Höhepunkt erreicht dies in einem wütenden Rap, den die dank Maskenbildnerin Anette Wahl live auf der Bühne gealterte Keserovi? an das Publikum richtet – ihr faltiges Gesicht mit ernstem Blick, riesengroß auf eine Leinwand projiziert. Ihre klare Botschaft: Veränderung muss man wollen. Und mit "man" ist die gesamte Gesellschaft gemeint.

Info

Weitere Termine für "Mach es gut! Geschichte eines Arbeitslebens": Mittwoch, 21. Juni und Freitag, 30. Juni, jeweils um 20 Uhr sowie Sonntag, 25. Juni und 9. Juli, jeweils um 18.30 Uhr.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)