Rose Eickelberg hat das Thema schon lange umgetrieben. „Ich habe mir Gedanken gemacht, warum wir das alles zulassen konnten“, sagt sie. Mit „das alles“ meint Eickelberg die Klimakatastrophe und die zunehmende Zerstörung der Umwelt. Sie habe dann an Demonstrationen teilgenommen, die „Fridays for Future“-Bewegung habe sie außerdem zum Nachdenken gebracht. Gleichzeitig fragte sich Eickelberg, wie sie sich als Orchestermusikerin engagieren könnte. Sie spielt Pauke bei den Bremer Philharmonikern.
Das beschäftigte auch ihren Kollegen, den Konzertmeister Reinhold Heise. Auf dem Neujahrsempfang von Bürgermeister Andreas Bovenschulte erlebte Heise dann die Rede von Antje Boetius, der Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts. „Das war sehr eindringlich, wie sie diese wirklich großen Probleme schilderte, die wir haben“, erinnert er sich. Eickelberg und Heise sind zwei von sechs Musikern der Bremer Philharmoniker, die dazu beigetragen haben, dass das Ensemble seit dieser Spielzeit ein „Orchester des Wandels“ ist. Die anderen sind Marie Daniels (Bratsche), Benjamin Stiehl (Violoncello), Andrew Malcolm und Gregor Daul (beide Oboe).
Exotische Hölzer für Instrumente
Die Initiative „Orchester des Wandels“ ging 2011 von der Berliner Staatskapelle aus. Eins der ersten Projekte drehte sich um Wiederaufforstung in Madagaskar. In den dortigen Wäldern wachsen Holzsorten, die sich besonders gut für den Bau von Instrumenten eignen. Durch Raubbau und Brandrodung sind die Wälder und die von ihnen lebenden Menschen allerdings stark in Mitleidenschaft gezogen. Durch von der Initiative angeregte Spendenaktionen wurde eine Wiederaufforstung gefördert; es konnten 216 000 Bäume gepflanzt werden.
Dieses Beispiel ist auch für Philharmoniker-Intendant Christian Kötter-Lixfeld wichtig, der das Engagement der Musiker ausdrücklich unterstützt: „Dass wir neben vielen anderen Gründen gerade auch als Orchester ein ureigenes Interesse am Bestandsschutz natürlicher Ressourcen besitzen, zeigt sich allein schon beim Blick auf unsere Instrumente. Für viele werden exotische Hölzer verwendet, deren Ökosysteme durch den Klimawandel bedroht sind. Den Bestand dieser Hölzer zu schützen, liegt uns besonders am Herzen.“
Mittlerweile gibt es einen Verein mit insgesamt sechs Ensembles bundesweit, die sich gegen das Artensterben oder für eine Wende in der Agrarpolitik einsetzen. Doch wie funktioniert das konkret? Wie können Künstler, die ansonsten mit den feinen Verästelungen von Beethoven-Sinfonien, Bach-Kantaten oder Brahms-Liedern befasst sind, abseits von Spendenaktionen laut werden für die Umwelt?
Gerade klassische Musiker standen jahrzehntelang in dem Ruf, sich vor allem mit ästhetischen und weniger mit gesellschaftspolitischen Fragen zu befassen. Das allerdings ändert sich seit einiger Zeit, nicht nur durch Stars wie den Pianisten Igor Levit, der sich politisch gegen rechts positioniert oder seine Kollegin Hélène Grimaud, deren Engagement den Wölfen gilt. Sondern auch durch Initiativen wie „Orchester des Wandels“. Ähnlich wie Levit oder Grimaud wolle man den beruflich bedingten Umstand nutzen, „dass wir in der Öffentlichkeit stehen“, sagt Rose Eickelberg. Geplant sind beispielsweise besondere Konzerte, zwei davon für diese Spielzeit. Das erste sollte am 22. November im Übersee-Museum stattfinden, musste wegen des Teil-Lockdowns aber auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Bei der „Beethoven Expedition“ sollten die Zuhörer durch das Übersee-Museum flanieren und an einzelnen Stationen Halt machen, an denen Kammermusikensembles der Bremer Philharmoniker spielen und Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts zwischendurch etwas über den Klimawandel erzählen.
Der Termin für Konzert Nummer zwei steht noch: Am 13. Februar soll es „Science meets Tanja Tetzlaff“ im Sendesaal heißen. Bei dem „Konzertabend für Klima- und Umweltschutz“, bei dem es Wissenschaft und Musik im Wechsel gibt, stehen die Cellistin Tanja Tetzlaff und Antje Boetius vom Alfred-Wegener-Institut im Mittelpunkt. Antje Boetius wird den Stand ihrer Forschung erläutern, Tetzlaff mit Mitgliedern der Philharmoniker passende dramatische Töne dazu finden.
Abgesehen von solchen Extra-Veranstaltungen ist auch geplant, immer mal wieder in den regulären Philharmonischen Konzerten auf das Thema aufmerksam zu machen. Im ersten Philharmonischen Konzert Ende September sollte eigentlich der Didgeridoo-Spieler William Barton aus Australien dabei sein und die Aufmerksamkeit darauf lenken, welche massiven Probleme es auf dem fünften Kontinent mit dem Klimawandel gibt. Doch die Corona-Pandemie verhinderte die Reise des Musikers.
Rose Eickelberg will das Thema aber auch ganzheitlich sehen. Beim Neubau des Philharmoniker-Domizils im Tabakquartier hat sie gleich ihre Chance genutzt und nach der Nachhaltigkeit gefragt. Da scheint etwas zu gehen: Auf dem Dach werde eine Solaranlage installiert, war die Auskunft des Architekten.