Campino, am 21. Mai lesen Sie im Club100 aus Ihrem Buch „Hope Street: Wie ich einmal englischer Meister wurde“. Ist es Ihre erste Lesung vor einem quasi unsichtbaren Publikum?
Campino: Ich habe beim SWR eine Lesung gehalten, die öffentlich gedacht war, dann aber doch nur ohne Publikum übertragen wurde. Da liefen aber schon ein paar Leute rum. Das hier ist das erste Mal aus einer richtigen Live-Location.
Was halten Sie von dem Format Club 100?
Das ist das Beste, das man in einer Notsituation machen kann. Ich war sehr erstaunt, wie professionell die Frauen und Männer der Initiative das Ganze umsetzen. Ich habe einige Ausschnitte gesehen, zum Beispiel vom Konzert der Antilopen Gang. Ganz toll! Aber es ist für mich nur eine Ersatzgeschichte, die niemals die Gefühle eines wirklich gemeinsam erlebten Abends herstellen kann.
Streaming-Konzerte sind also nicht die Zukunft?
Ich denke, es gibt Schlüsselmomente, einmalige Events, da werden solche Streaming-Konzerte ein Segen sein. Nehmen wir mal das eine Konzert von Led Zeppelin, das sie nach zwanzig Jahren gespielt haben. Es könnte Trost spenden, wenigstens beim Streaming dabei zu sein, wenn man keine Karte ergattern konnte.
"Hope Street" ist sowohl persönliche Familiengeschichte, als auch Fan-Tagebuch. Wie kam Ihnen die Idee zu dieser Mischung?
Ich hatte immer vor, mal ein Buch zu schreiben. Ich wusste nur nicht worüber. Bis ich diesen Moment hatte, in dem mir klar wurde, worum es gehen sollte. Da bin ich beruflich auf dem Weg nach Amerika gewesen und habe mich geärgert, dass ich ein Spiel meines Lieblingsvereins verpassen würde. Da dachte ich: Wieso schreibst du nicht über diese Sehnsüchte, beschreibst die Achterbahnfahrt eines Fußball-Fans durch eine Saison? Während des Schreibens habe ich aber relativ schnell gemerkt, dass das alleine nicht reicht.
Also kam Ihre persönliche Geschichte noch mit hinein?
Ich musste ja auch erklären, warum ich eigentlich Liverpool-Fan bin. Da war ich ja schon mit einem Bein in meiner Familienhistorie.
Was schreibt sich besser - Bücher oder Songtexte?
Ich habe mich unglaublich wohl gefühlt beim Schreiben des Buches. Ich hatte nur einen oder zwei Tage, an denen ich das Projekt verflucht habe. Wenn ich ein Album aufnehme, ist es genau andersherum. Da habe ich in der Produktionszeit vielleicht ein oder zwei Tage, an denen ich das gut finde. Es ist mir ungleich leichter gefallen, dieses Buch zu schreiben als Texte für ein neues Album zusammenzukriegen.
Das heißt, es wird weitere Bücher geben?
Ich hab auf jeden Fall Lust, mich irgendwann noch einmal zu versuchen. Es gibt auch Ideen. Ich führe seit Ende der 1980er-Jahre Tagebuch. Für mich ist das schön, dass ich zum Beispiel heute noch nachschlagen könnte, welche Gefühle ich auf der Mexiko-Tournee 1996 hatte. Man erlebt auf diesen Reisen einiges. Das könnte spannend sein. Aber erstmal möchte ich mich jetzt wieder der Band zuwenden.
Die Tour, die Sie vergangenes Jahr mit den Toten Hosen geplant hatten, ist coronabedingt ausgefallen. Andere Künstler planen schon neue Tourneen im Herbst, warum sind Sie da vorsichtiger?
Ich hoffe, dass die Kollegen touren dürfen. Aber ich glaube, es ist uns allen klar, dass dieses Jahr noch recht coronabelastet sein wird. Realistischer ist es, dass im Herbst nächsten Jahres wieder Hallenveranstaltungen stattfinden können, wie man sie kennt. Bands wie Die Toten Hosen oder Die Ärzte wollen, dass vor der Bühne Pogo und Hexenkessel ist, dass die Leute sich umarmen und mitsingen. Wir Hosen haben gesagt: Keine halben Sachen! Wir werden erst wieder rauskommen, wenn man unbeschwert feiern kann.
Wie ist das für Sie als Musiker und Fußball-Fan, wenn Konzerthäuser weiterhin geschlossen sind, man aber bereits über die Europameisterschaft mit Zuschauern diskutiert?
Alle Versuche, Publikum wieder vorsichtig zuzulassen, helfen am Ende auch uns. In einem Fußballstadion kann man durch die Weite alles deutlich einfacher kontrollieren als bei einer Rockshow. Ich persönlich habe nichts dagegen, dass Großveranstaltungen im Sport vorneweg marschieren. Der Wunsch nach Großveranstaltungen steckt in unserer DNA, große Feste machen das Menschsein auch aus. Lasst uns versuchen, daran zu glauben, dass man sich irgendwann auch wieder sorglos in die Arme fallen kann.
Das Gespräch führte Alexandra Knief.