Rund 40 Prozent weniger Publikum im Vergleich zur Zeit vor Corona. So lautet die Bilanz der Bremer Shakespeare Company mit Blick auf die vergangene Spielzeit. Dank diverser Förderer wie der Stadt, dem Freundeskreis und Sponsoren, habe man das Schlimmste auffangen können und sei bisher mit einem blauen Auge davongekommen, so Theaterleiterin Renate Heitmann. Aber: "Wenn das jedes Jahr so weitergeht, dann sind wir irgendwann blind."
Daran will bei der Shakespeare Company aber aktuell niemand denken, lieber will man positiv in die Zukunft blicken, und zwar mit einem umfangreichen Programm in der kommenden Saison. Oder, wie Heitmann es selbstbewusst ausdrückt: "Das wird eine fantastische Spielzeit." Ein bisschen Galgenhumor gibt es auch noch dazu, denn wie Heitmann betont, "wird das Theater auf mindestens 19 Grad geheizt sein und je mehr Leute kommen, desto wärmer wird es."
Blick auf Bremens Geschichte
Den Anfang macht am 30. September die szenische Lesung "Chile: Auf dem Weg zu einer neuen Demokratie?" aus der Reihe "Aus den Akten auf die Bühne". Diese veranstaltet die Shakespeare Company schon lange gemeinsam mit der Universität Bremen. Eine zweite Premiere in der Reihe findet am 21. November statt und widmet sich der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen, die vor 75 Jahren in Kraft getreten ist. Unter dem Titel "Bremen voran! Trotz alledem!" erzählt die szenische Lesung die Geschichte "Von der ‘Bremen Enclave’ zum selbstständigen Land". Initiiert wurde das Projekt von der Bürgerschaft und der Bremer Landesvertretung in Berlin, wo die Lesung auch jeweils stattfinden soll.
Die erste Theaterinszenierung auf der Bühne der Shakespeare Company findet am 14. Oktober statt, und zwar mit "Don Quijote de la Mancha" nach Miguel de Cervantes. Am Leibnizplatz machen der Ritter von der traurigen Gestalt und sein Knappe Sancho Pansa ein leeres Amt zu ihrem Spielplatz und stolpern "von einem Abenteuer ins nächste", wie die Programmvorschau verspricht. "Das Stück ist fantastisch, idealistisch, es geht ums Scheitern und ums Einschätzen von Gefahren. Somit passt es gut in unsere Zeit", sagt Heitmann. "Es hilft, sich bewusst zu machen, dass auch wir selbst Dinge zum Besseren wenden können."
Weiter geht es am 11. November mit der deutschen Erstaufführung von "Der seltsame Fall der Prudencia Hart", einer Geschichte von David Greig. Sie handelt von der etwas verklemmten Literaturwissenschaftlerin Prudencia Hart, die zu einer Tagung fährt. "Da geht es wortwörtlich mit dem Teufel zu", sagt Heitmann. Genau der leitet nämlich das Hotel, in dem Hart landet. "Es ist ein rauschhaftes Stück, bei dem die Fantasie herausgefordert wird", so Heitmann.
Ausflüge in die Kneipe
Darum hat das Team für die Inszenierung auch noch eine besondere Idee: "Wir hoffen, dass wir in Kooperation mit Bremer Kneipen mit dem Stück auf Tour gehen und es auch im Pub spielen können." Im englischsprachigen Raum wurde die Geschichte seit 2010 bereits viel gespielt. Regie in Bremen führt Patricia Benecke, die an der Shakespeare Company unter anderem schon für "Love Love Love" und "Das Wintermärchen" verantwortlich zeichnete.
Auch ein neues Weihnachtsmärchen (ab fünf Jahren) wird es 2022 wieder geben. Ab dem 27. November widmet sich die Company dem relativ unbekannten slawischen Märchen "Die Froschprinzessin". Es erzählt von einem Zaren und seinen drei Söhnen, die alle einen Pfeil abschießen und sich dort, wo er landet, eine Braut suchen sollen. Einer der Pfeile landet in einem Sumpf, sodass der Zar seinen jüngsten Sohn Ivan zwingen will, einen hässlichen Frosch zu heiraten.
Ein Märchen für Erwachsene
"Die Froschprinzessin" wird nicht das einzige Märchen in der kommenden Spielzeit sein. Mit "Pinocchio" (der Titel wird voraussichtlich noch geändert) verspricht die Company ein "garstiges Märchen für Erwachsene". Den Fokus in der bekannten Geschichte von Carlo Collodi um eine freche Holzpuppe, die so gerne ein braver Junge wäre, will das Ensemble unter der Regie von Johanna Schall auf die Frage legen: Wie wird man eigentlich der, der man geworden ist?
Im April 2023 widmet sich die Shakespeare Company dann wieder ihrem Namensgeber mit "Die Komödie der Irrungen" in der es - man erwartet es ja schon fast bei Shakespeare - sehr viele Zufälle und Verwechslungen gibt. Das Stück ist eine deutsch-türkische Koproduktion mit dem Tiyatro BeReZe. Es wird in deutscher und türkischer Sprache gespielt, ab Mai reist die Company damit nach Izmir, wo zudem ein Theaterprojekt mit Jugendlichen geplant ist. Insgesamt wolle man zukünftig verstärkt auf Mehrsprachigkeit setzen, so Heitmann. Dass dies gut ankommt, habe in der vergangenen Spielzeit auch "Macbeth" in englischer Sprache gezeigt, mit dem man viele junge Leute, vor allem ein studentisches Publikum, habe anlocken können.
Im Frühjahr 2023, voraussichtlich im Mai, wird es dann noch eine letzte Premiere geben: "Anne-Marie die Schönheit", ein Monolog einer alten Schauspielerin, die auf ihre Leben zurückblickt. Interessant: Autorin Yasmina Reza wünschte sich, dass die Rolle von einem Mann gespielt wird. Schauspieler Peter Lüchinger kommt dem nach.
Natürlich wird es auch Aufführungen von Stücken aus dem Repertoire, Gastspiele und mehr geben. Auch Shakespeare im Park ist für 2023 schon fest eingeplant und wird im August stattfinden.