Die Bläser machen den Auftakt, ganz seicht, dann immer kraftvoller. Die Streicher setzen schwungvoll ein, und im Hintergrund grollen die Pauken. Da ist es wieder, das schon vergessen geglaubte Gefühl im Orchestersaal, wenn die Klangwelle sich andeutet, dann auftürmt und schließlich warm über den Besucher hinweg spült. Ähnlich wie den Zuhörern muss es auch den Musikerinnen und Musikern der Bremer Philharmoniker gehen, die seit Monaten nicht in voller Besetzung zusammenkommen können. Heute sitzt und steht zumindest ein Teil von ihnen, mit Maske, Frack und Kleid, gemeinsam auf der großen Konzertbühne in der Glocke und probt für die Aufnahme ihres Weihnachtsgruß-Konzerts.
Insgesamt vier Stücke werden sie einspielen, die dann auf der Website der Philharmoniker und via sozialen Medien ausgespielt werden. Heute steht eine Suite, eine Auskopplung von Engelbert Humperdincks Oper „Hänsel und Gretel“, auf dem Programm. Ein lebendiges Stück, nicht nur thematisch gut geeignet auch für junges Publikum. Doch der Weg vom ersten Ton hin zur fertigen Aufnahme ist weit. Das Orchester setzt an, doch Marko Letonja, Chefdirigent des Orchesters, unterbricht nach wenigen Sekunden. Er erklärt, korrigiert, singt vor, immer wieder, fast eine volle Stunde lang. Erst dann wird endlich ein Satz durchgespielt.
Die zahlreichen Korrekturen sind nötig. Das spätromantische Werk ist eigentlich für eine entsprechend große Besetzung geschrieben. Doch zumindest in diesem Jahr muss die spätromantische der corona-konformen Besetzung weichen. Egal ob es einen Grund dafür gibt, weshalb bestimmte Stellen eigentlich von der zweiten Klarinette und eben nicht von einer Trompete gespielt werden. Doch da die Trompete an eben dieser Stelle pausiert und eine zweite Klarinette nicht vorhanden ist, gilt es im neuen Arrangement die größtmögliche Balance zwischen den Instrumenten erst noch zu finden.
Und daran arbeiten Orchester und Dirigent mit größtmöglicher Akribie. Die Noten werden umgeschrieben, hier ein G, da ein Fis, die Bratschen geben das Kommando ab und schlüpfen in die Begleiterrolle. Dafür legen sich um die Augen der Musiker Falten, ziehen sich die Stirnen kraus. Nirgendwo ein Lächeln, stattdessen vor Konzentration fast leidende Gesichter. Doch eine Tonaufnahme ist nun einmal kein Live-Konzert. Und wo derart an der Technik gefeilt wird, geht vielleicht ein wenig die Hingabe verloren. Doch wie passt das zur Leichtigkeit des Stücks? Gar nicht. Deshalb folgt eine weitere Unterbrechung, die Letonja nutzt, um die Stimmung zu heben und die Anspannung zu lockern. Das hilft. 20 Sekunden später klingt die gleiche Musik auf einmal völlig anders.
So geht es Satz für Satz, bis alle zufrieden sind. Der Dirigent, die Musikerinnen und Musiker und auch, heute wahrscheinlich am wichtigsten, der Aufnahmeleiter. Dabei ist das, gerade derzeit, nicht selbstverständlich. Ein Orchester braucht das gemeinsame Spiel, um zu einer Einheit zu verschmelzen. Wird das Spiel immer wieder unterbrochen, ist es umso anspruchsvoller die Präzision zu halten und den musikalischen Fluss zu wahren. Das gilt im Großen, während der unfreiwilligen Konzertpause, genauso wie bei einer kleinen Aufnahme-Session.
Doch man merkt deutlich: Alle Anwesenden sind froh, dabei sein zu dürfen, die Gelegenheit zum gemeinsamen Spiel zu haben. Sechs Stunden lang, voll fokussiert, mit nur einer kurzen Pause. Ohne dabei einmal die gesamte Suite am Stück durchzuspielen. Auch das zeichnet versierte Musiker aus.
Und wieder erfüllt ein voller Klang den Saal, wie man ihn lange nicht gehört hat. Und genauso schnell wie er gekommen ist, ist er auch wieder weg. Was für Tonaufnahmen normal ist, lässt die Probenbesucher ein wenig konsterniert zurück. Jede Sequenz endet mit einem Cliffhanger. Eine Konzertprobe als Staffelende, wie bei einer Serie. Das macht Lust auf mehr, auf Live-Musik, auf große Besetzung. So ist diese Aufnahme wie ein Aufwärmprogramm für künftige Liveauftritte. Vielleicht schon im Dezember.
Musikalische Weihnachtsgrüße
Die Bremer Philharmoniker bieten im Dezember ein digitales Weihnachtskonzert an. Es umfasst vier Werke. Eines davon ist Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“. Dazu kommen „Der Winter“ aus den „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi und „Fratres für Violine, Streichorchester und Schlagzeug“ vom estnischen Komponisten Arvo Pärt. In ihnen wird die Gast-Solistin Arabella Steinbacher aufspielen. Außerdem übernimmt die Harfenistin der Philhamoniker, Amandine Carbuccia, das Solo im Claude Debussys Harfenkonzert „Deux Danses für Harfe und Streicher“.
Alle vier Teile sollen auf der Website der Philharmoniker und über deren Social-Media-Auftritte auf Youtube und Facebook ausgespielt werden. Der Veröffentlichungstermin wird noch bekannt gegeben.
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Die Bremer Philharmoniker bieten im Dezember ein digitales Weihnachtskonzert an. Es umfasst vier Werke. Eines davon ist Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“. Dazu kommen „Der Winter“ aus den „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi und „Fratres für Violine, Streichorchester und Schlagzeug“ vom estnischen Komponisten Arvo Pärt. In ihnen wird die Gast-Solistin Arabella Steinbacher aufspielen. Außerdem übernimmt die Harfenistin der Philhamoniker, Amandine Carbuccia, das Solo im Claude Debussys Harfenkonzert „Deux Danses für Harfe und Streicher“.
Alle vier Teile sollen auf der Website der Philharmoniker und über deren Social-Media-Auftritte auf Youtube und Facebook ausgespielt werden. Der Veröffentlichungstermin wird noch bekannt gegeben.