Welche Berührungspunkte haben Sie und Ihre Bühnenfigur Zora – von der Haarfarbe mal abgesehen?
Mirjam Rast: Zora ist ein mutiges Mädchen, das schon einiges erlebt, ja durchgemacht hat. Sie hat ein entsprechendes Wertesystem entwickelt. Sie ist taff und hat zugleich einen weichen Kern. Diese Mischung finde ich sehr reizvoll.
Sie sind Schweizerin. Das Mädchen, das Sie im Familienstück des Theaters Bremen spielen, hat ebenfalls einen Migrationshintergrund. Woher kommt die rote Zora?In John von Düffels Stückfassung ist über Zoras Herkunft zu erfahren, dass sie mit einem Boot aus Albanien nach Kroatien gekommen ist. Gemeinsam mit den Mitgliedern ihrer Bande sucht sie Zuflucht in der Uskokenburg Nehaj oberhalb von Senj. Für Heranwachsende ein spannendes Versteck.
Der Stoff nach dem Jugendbuchklassiker des deutschen Schriftstellers Kurt Held ist passagenweise so brutal, dass er am Hamburger Thalia-Theater aus guten Gründen erst für Zehnjährige zugänglich ist, am Theater Bremen dagegen bereits für Sechsjährige. Woran liegt das?John von Düffels Stückfassung, die an diesem Sonntag am Goetheplatz uraufgeführt wird, hat in dieser Hinsicht schon viel ausgespart. Überhaupt ist das eigentlich Brutale an der Geschichte weniger physische Gewalt als vielmehr die Zuschreibungsebene. Branko beispielsweise, der beim Einsetzen der Handlung gerade zu einer Waisen geworden ist, wird gesagt, er werde unweigerlich zu einem Dieb.
Branko und Zora haben ein sehr enges Verhältnis. Wie würden Sie die Dynamik zwischen den beiden Charakteren beschreiben?Zora hat die Gesellschaft aufgegeben, und sie fühlt sich ihrerseits von der Gesellschaft aufgegeben. Branko fordert sie in vielfacher Hinsicht heraus. Sie sagt, man müsse stehlen. Er sagt, man müsse differenzieren, wen man aus welchen Gründen bestiehlt. So führt er wichtige Aspekte wie Gerechtigkeit und Solidarität in die Diskussion ein. Zora war immer davon ausgegangen, dass niemand für sie eintritt. Dadurch aber, dass sich der Fischer und der Bäcker für die Bande einsetzen, ändert sich ihr Blick.
Welche Rolle spielt Torsten Kindermanns Musik, die der Gattung Balkan-Pop verpflichtet ist, in Selen Karas Inszenierung des Stückes?Sie leistet zum einen eine intensive atmosphärische Unterstützung. Zum anderen haben wir bei der Kindermatinee erlebt, dass die jüngeren und die ganz jungen Zuschauer auf eine ganz andere Weise zuhören als die Erwachsenen. Sie haben ein viel stärker ausgeprägtes Gefühl für Tod und Verlust.
Die Fragen stellte Hendrik Werner.Mirjam Rast (29)
wurde in Winterthur geboren. Arbeitete als Stuntfrau und absolvierte eine tänzerische Grundausbildung. Schauspielausbildung von 2012 bis 2017 an der Zürcher Hochschule der Künste (Abschluss: Master of Arts). Seit 2017 fest am Theater Bremen engagiert.
Weitere Informationen
Aufführungen im Theater am Goetheplatz:
24. November, 15 Uhr (Premiere); 25., 27. und 28. November, 10 Uhr; 3. bis 6., 9. bis 13. und 15. bis 20. sowie am 26. Dezember, 10 Uhr; 18. Dezember, 18 Uhr.