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Interview: Robert Erdmann „Es geht immer etwas verloren“

Laut Robert Erdmann, Leiter der Bremer Filmkunsttheater, steigt die Nachfrage nach fremdsprachigen Kinovorstellungen. Im Interview spricht Erdmann über Synchronisationen und das neue OmU-Angebot der Schauburg.
22.07.2019, 08:00 Uhr
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„Es geht immer etwas verloren“
Von Alexandra Knief
Herr Erdmann, vergangenes Jahr kamen mehr als 17 000 Besucher in die Schauburg, um einen fremdsprachigen Film im O-Ton zu sehen. Das ist ein Besucheranteil von etwa 15 Prozent. Ein beachtlicher Anteil.

Robert Erdmann: Die Nachfrage ist auf jeden Fall gestiegen. Aber auch durch die Digitalisierung hat sich vieles verändert. Früher ist es so gewesen, dass die Filme mit Untertiteln nur in den Metropolen verfügbar waren und man erst relativ spät an die Originalversionen rangekommen ist – auch in Bremen. Durch die Digitalisierung hat man viel früher die Möglichkeit auf die Originalversion zuzugreifen. Wir haben das auch schon vorher gemacht, seit der Digitalisierung, mit der wir 2012 begonnen haben, aber verstärkt. In den vergangenen Jahren haben wir in der Schauburg in der Sneak-Preview und vereinzelt sonntags und mittwochs Filme im Original gezeigt.

Und jetzt zeigt die Schauburg montags nur noch Filme im Original mit Untertiteln (OmU).

Genau. Wir haben gemerkt, wie gut die Leute das Angebot wahrnehmen und beobachtet, dass auch in anderen Städten OmU-Tage eingeführt worden sind. Für uns war es an der Zeit, nun auch einen kompletten Tag für die Originalversionen freizuhalten. Im Grunde ist das Ganze vor allem eine Ausweitung des Angebots. Es geht uns aber auch um die Authentizität. Und wir wollen, dass die Leute auch mal die Möglichkeit bekommen, die echte Stimme ihres Lieblingsschauspielers zu hören.

Was denken Sie, warum die Leute heute verstärkt Filme im Original schauen wollen?

Zum einen haben viele durch die Streamingangebote mittlerweile gemerkt, dass man durch Originalversionen ganz andere Dinge kennenlernt, angefangen bei den Stimmen. Zum anderen hat es aber auch viel damit zu tun, dass die Leute heute mehr reisen, Freunde aus anderen Ländern haben. Viele Menschen sprechen neben Deutsch gut Englisch und möchten im Kino dann auch die authentischere Version eines Filmes sehen.

Wenn Sie sagen, das Ganze hat auch mit dem Streamingangebot zu tun, sind es eher jüngere Kinogänge, die das Angebot an Vorführungen im Original wahrnehmen?

Es sind tatsächlich eher die jüngeren Leute, die nach Originalversionen fragen. Da bekommen wir regelmäßig Anfragen, ob wir bestimmte Filme neben der synchronisierten Fassung auch im Original zeigen. Aber es gibt natürlich auch ältere Leute, die gerne Originalversionen gucken.

Sind es immer nur die englischsprachigen Originale, nach denen gefragt wird?

In erster Linie ja. Aber auch nach Französisch und Spanisch wird gefragt, allerdings begrenzt. Italienisch ist auch noch ein bisschen dabei, aber alle anderen Sprachen werden eigentlich gar nicht nachgefragt.

All das decken die Bremer Filmkunsttheater ab. Im Atlantis gibt es einmal im Monat spanische Filme im Original, in der Gondel französische Filme...

...und die französische Sneak-Preview in der Gondel wird sehr gut angenommen! Die Besucherzahlen steigen erfreulicherweise sogar. Meines Wissens sind wir auch die einzige Stadt in Deutschland, die regelmäßig eine französische Sneak-Preview anbietet. Auch unsere spanische Reihe im Atlantis ist in der Regel immer ausverkauft. Da haben wir auch ein entsprechendes Beiprogramm, das Kino wird zum Treffpunkt, wo man vor dem Film noch ein Häppchen isst und nach dem Film entspannt einen Wein trinkt. Einmal im Jahr machen wir im Atlantis ja auch eine Woche lang „Cinema Italia“ mit neuen italienischen Produktionen.

Hängt es auch mit der Qualität der deutschen Synchronisationen zusammen, dass die Nachfrage nach Originalen steigt?

Ein Großteil der deutschen Bevölkerung ist ja an synchronisierte Filme gewöhnt. Aber wenn man eine andere Sprache beherrscht, und weiß, was im Original gesprochen wird, kommt natürlich auch Kritik an den Synchronisationen auf. Bei Filmen wie „Casablanca“ gibt es auch unterschiedliche Versionen der Synchronisation. Filme werden nie eins zu eins synchronisiert. Und deshalb geht in der Regel immer etwas verloren.

Haben Sie ein Beispiel für eine misslungene Synchronisation?

Es gibt eine spanische Version des Films „Wilkommen bei den Sch'tis“. Der war im spanischen Original sehr witzig und in der deutschen Synchronisation komplett neben der Spur. Bei französischen Filmen und anderen nicht-englischen Produktionen ist oft besonders auffällig, dass die deutsche Synchronisation nicht so toll ist. Die Industrie konzentriert sich eher auf Filme in englischer Sprache.

Und umgekehrt? Gibt es Filme, die einfach eine Übersetzung brauchen, weil sie sonst keinen Spaß machen?

Bei Filmen aus nicht-englischsprachigen Ländern und bei speziellen Kunstfilmen halte ich es auch für schwieriger, die Filme im Original zu zeigen. Genauso, wenn der Zuschauer sich mit der Sprache nicht so gut auskennt oder ein Film sehr textlastig ist. Da ist man so sehr mit dem Lesen beschäftigt, dass man sich auf das eigentliche Bild gar nicht mehr konzentrieren kann. Deshalb gibt es sogar Regisseure, die es komplett ablehnen, dass ihre Filme untertitelt gezeigt werden.

In anderen Ländern, in Skandinavien oder den Niederlanden zum Beispiel, ist es die Regel, dass ausländische Filme im Original mit Untertitel gezeigt werden. Warum ist das in Deutschland noch eher die Ausnahme?

Es ist ein großer Kostenfaktor, Filme zu synchronisieren. Kleinere Länder sind nicht in der Lage, das zu leisten. Darum laufen die Filme dort vielfach nur im Original mit Untertiteln. In Deutschland hat sich allerdings seit den 1930er-Jahren eine richtige Industrie entwickelt, die für das Synchronisieren von Filmen zuständig ist.

Sie bieten auch eigene Vorstellungen für Schulklassen an. Ist dort die Nachfrage nach synchronisierten Filmen oder Originalversionen höher?

Wir haben unsere beiden Filmreihen „Britfilms“ und „Cinéfête“. Die Besucherzahlen für die beiden Filmreihen stagnieren leider. Denn die Lehrer sind heute auch in der Lage, sich bestimmte Filme als Blu-ray oder per Stream zu besorgen, anstatt ins Kino zu gehen. Bei den normalen Schulvorstellungen ist das oft filmabhängig. „Blackkklansman“ zum Beispiel wurde verstärkt im Original nachgefragt. Es hängt natürlich auch immer davon ab, welche Lehrer bei uns anfragen. Englischlehrer wählen die Originalversion, Geschichtslehrer eher nicht.

Das Gespräch führte Alexandra Knief.

Zur Person

Zur Person

Robert Erdmann (62)

ist Theaterleiter der Bremer Filmkunsttheater. Seit Kurzem zeigt die Schauburg zusätzlich zu einzelnen Vorführungen jeden Montag ausschließlich Filme im Original mit Untertitel. Der Grund ist eine gestiegene Nachfrage.

Info

Zur Sache

Kino in der Originalsprache

Auch die anderen Bremer Kinos zeigen Filme im Original. Im City 46 läuft grundsätzlich ein großer Teil der gezeigten Filme im Original. Im Cinema Ostertor gibt es am Dienstag, 23. Juli, um 17.20 Uhr eine Vorpremiere des Films „Nome di Donna“ im italienischen Original mit deutschen Untertiteln. Auch die großen Multiplexkinos bieten regelmäßig fremdsprachige Filme ohne Synchronisation an. Im Cinemaxx laufen aktuell „Der König der Löwen“ und „Spider-Man: Far from Home“ auch in englischer Sprache. Im Cinespace gibt es montags regelmäßig Originale in der Sneak-Preview zu sehen, sowie aktuell einige Vorstellungen von „Der König der Löwen“ und „Fast and Furious: Hobbs and Shaw“. Das Cinestar zeigt jeden Sonntag einen Film in Originalsprache. Auch hier steht aktuell „Der König der Löwen“ auf dem Programm. In der Schauburg gibt es außer dem OmU-Montag auch mittwochs und sonntags weiterhin vereinzelte OmU-Vorstellungen. Infos und Vorstellungen unter www.bremerfilmkunsttheater.de.

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