"Wiesu denn blus?“ Diesen Satz haben viele Erwachsene vielleicht noch aus Kindertagen im Ohr, wenn sie den 1984 erschienenen schwedischen Film "Ronja Räubertochter" gesehen haben. In dem Film nach dem gleichnamigen Buch von Astrid Lindgren stellen die Rumpelwichte diese Frage häufiger, zum Beispiel, weil sie nicht verstehen, warum die elfjährige Räubertochter so laut im Wald herumbrüllen muss.
Im Theater Bremen sind die Rumpelwichte - die sich als Pilze tarnen - sehr erbost darüber, dass Ronja (Shirin Eissa) beim Tollen im Wald Grashalme zertreten hat. "Wiesu denn blus?" fragen sie völlig schockiert und entscheiden sich, das Räuberkind zur Strafe nicht vor den Wilddruden zu retten. Ganz schön gemein.
Doch zum Glück ist da noch Birk (Ferdinand Lehmann). Ronjas Bruder, zumindest im Herzen. Beide wurden in einer Gewitternacht geboren, beide stammen aus einer Räuberfamilie (Kostüme: Karen Simon). Doch - Shakespeare lässt grüßen - die beiden Familien sind verfeindet. Auf der einen Seite sind da Ronjas Eltern Mattis und Lovis (Alexander Swoboda und Franziska Schubert) mit ihrer Bande, darunter Klein-Klipp (Helge Tramsen), Pelje (Carolyne Mutua) und der alte, weise Glatzen-Per (Guido Gallmann). Auf der anderen Seite stehen Birks Eltern Borka und Undis (Patrick Balaraj Yogarajan und Karin Enzler) mit ihren Räubern. Dass die anderen "Hosenschisser" sind, von denen man sich bloß fernhalten soll, lernen Birk und Ronja wie andere das Alphabet. Und so müssen auch sie nach dem ersten Kennenlernen einige Vorurteile und Streitereien überwinden, bevor sie Freunde werden. Dabei wird auch mal geflucht. Bei Astrid Lindgren heißt das dann: "Scher dich zum Donnerdrummel!"
Die Kinder lehnen sich auf
Als die Mattis-Räuber Birk gefangen nehmen, springt Ronja freiwillig über den Höllenschlund, der die Burg, in der beide Banden leben, in zwei Hälften teilt, und begibt sich in die Fänge der Borka-Räuber. Für ihren Vater ist sie von diesem Moment an gestorben. Also beschließen Birk und Ronja, in die Bärenhöhle im Wald zu ziehen - weit weg von ihren räubernden Familien. Denn in deren Fußstapfen treten und Menschen bestehlen, das wollen sie eh nicht.
Unter der Regie von Klaus Schumacher (Dramaturgie: Stefan Bläske) hat sich das Theater Bremen mit "Ronja Räubertochter" (für die Bühne bearbeitet von Christian Schönfelder) an einen Stoff herangewagt, der wohl zu den bekanntesten Klassikern in der Kinderliteratur zählt.
Der 1981 erschienene Roman ist das letzte größere Werk der 2002 verstorbenen Lindgren. Es ist eine Geschichte über Freundschaft, Familie und Freiheit, die Rollenklischees und Männlichkeits-Getue mit viel Ironie begegnet und trotz ihres Alters zeitlos bleibt. Besondere Aktualität gewinnt das Stück durch seine Botschaft, rücksichtsvoll miteinander und vor allem auch mit der Natur umzugehen.

Glatzen-Per (Guido Gallmann) hilft seiner Räuberbande, wo er nur kann.
Verträumt wirkendes Bühnenbild
Denn: Wer will schon etwas zerstören, das so schön aussieht wie die träumerisch-fantastische Welt, die Katrin Plötzky auf die Bühne gezaubert hat? Der gekippte Bühnenboden wird zu einer moosigen Waldlandschaft, die je nach Jahreszeit mal mit kleineren Gewächsen, mal mit überlebensgroßen Pflanzenranken, Farnen und Pilzen übersät ist, die ins richtige Licht getaucht (Christian Kemmetmüller) wirklich etwas Magisches haben.
Guido Gallmann sorgt als liebenswert-humorvoller Glatzen-Per dafür, dass auch die Schauplatzwechsel - Mattisburg, Bärenhöhle, Wald und Höllenschlund - sowie die damit verbundenen Umbauarbeiten zu kleinen, geschickt integrierten Zaubermomenten werden. Andy Einhorn, Marlene Glaß und Matthias Schinkopf liefern mit mittelalterlich anmutenden Klängen das passende musikalische Ambiente.
Shirin Eissa gibt eine Ronja, die vor Mut, Energie und Lebensfreude nur so strotzt. Die ihren eigenen Weg geht und die Männer um sich herum manchmal ziemlich alt aussehen lässt. Swoboda überzeugt als Mattis, der sich zwar gerne mal selbst überschätzt und prahlt, was für ein toller Räuber er ist, tief im Inneren aber sehr sensibel ist und das Herz am rechten Fleck hat.
Sie und die anderen Darsteller machen "Ronja Räubertochter" zu einer gelungenen Inszenierung für Menschen ab sechs Jahren. Das Ensemble findet die richtige Balance zwischen Spaß und Ernsthaftigkeit. Insgesamt bleibt die Bühnenversion recht nah an der originalen Geschichte, was Fans und Kenner freuen wird. Und so ist "Ronja Räubertochter" ein Stück, an dem erwachsene Theaterbesucher ebenso ihre Freude haben werden wie die kleinen.