Für nahezu 30 Jahre Geschichte auf dem Bandbuckel sind die Fantastischen Vier noch ganz schön rege. In der bestens besuchten Bremer ÖVB-Arena zündet das HipHop-Quartett aus Stuttgart am Mittwochabend ein gut zweistündiges Feuerwerk aus jüngeren Stücken und älteren Über-Hits. Der trefflich inszenierte Auftritt zeigt einmal mehr: Die mit viel Selbstironie und noch mehr Taktgefühl gesegneten Deutschrapper sind in ihrer klassischen Phase angekommen. Die Menge feiert sie entsprechend ausgelassen.
Der Sound ist satt, die musikalische Begleitung um zwei agile Gitarristen aufgestockt und das vorrätige Songmaterial so immens, dass Smudo, Thomas D, Michi Beck alias Dee Jott Hausmarke und And.Ypsilon gelegentlich der verbreiteten Unart zuneigen, Lieder in Medley-Manier miteinander zu verschneiden. Das führt naturgemäß dazu, dass nicht immer klar ist, wann ein Stück endet, wann ein weiteres beginnt und wann der zugehörige Applaus einsetzen kann. Geschmackssache. Wie auch der Umstand, dass sich die drei Sänger bisweilen in ihren lustig gemeinten Moderationstexten verzetteln, die unter anderem von potenziellen HipHop-Altersheimen an der Weser oder anderswo handeln. Bremen sei „immer für einen Witz gut“, heißt es in beglaubigender Absicht wie in anderen Arenen mutmaßlich auch. Nun ja.
Die dezenten Defizite, zu denen auch die sporadische Schwerverständlichkeit der flink vorgetragenen Texte zählt, können indes die Güte dieses Konzerts nicht beschädigen, das im optischen Zeichen der aktuellen „Captain Fantastic“-Tour steht: Nach Art eines Triptychons arrangierte Videoprojektionen zeigen unter dem prägnanten Logo die in dralle Farben und psychedelische Muster getauchten Wegbereiter des deutschen Sprechgesangs in vorwiegend wirbelnder Bühnen-Aktion. Humorvoll zurückgenommen wird der Superhelden-Gestus der Darbietung indes durch Details der Arbeitskleidung: Auf dem schwarzen Shirt von Smudo, dem am wenigsten drahtigen Sänger, prangt das Wort Pizza. Thomas D, den unlängst 50 gewordenen Spaßvogel der Combo, ziert der Schriftzug „Out of Office“, und die Brust von Michi Beck reckt keck den Sponti-Spruch „Bring back 2089“ gen Auditorium.
Fanta Vier sind begnadete Animateure
Apropos: „Bring It Back The Old Stuttgart Rap“, ein gewitztes Stück vom Album „Viel“ (2004), zählt ebenso zu den kraftvoll vorgetragenen Eröffnungsliedern wie der programmatische neue Song „Fantanamera“ und die gut abgehangene Partyhymne „Was geht“ vom 1995er-Opus „Lauschgift“. Die ohrenscheinlich gut gestimmten Fans in der Mehrzweckhalle quittieren das Hochgeschwindigkeitsvorspiel mit gellendem Jubel – und demonstrieren an diesem Abend nicht nur bei umjubelten Gassenhauern wie „Die da“ ihre Textsicherheit („die freitags nicht kann“). Thomas D, kahlköpfiger Ex-Friseur und mit dem Optiker-Ehrentitel „Brillenträger des Jahres 2012, trägt zu dieser frühen Rap-Preziose aus deutschen Landen übrigens nach eigenem Bekunden ein historisches Utensil: jene ganz in Weiß gefasste Sehhilfe aus dem Hause MCM, die ihn schon beim Videodreh anno 1992 schmückte, als das Album „4 gewinnt“, das zweite der schwäbischen Sprechgesangsvirtuosen, durch die sogenannte Decke ging.
Abgesehen von überdosiertem Palaver sind Fanta Vier begnadete Animateure. Vor allem der energiegeladene Thomas D hüpft und gestikuliert, dass es eine freudvolle Art hat. Einerseits. Andererseits führt die Band auf ihrem zehnten Studioalbum auf pointierte Weise vor, dass sie sich mehr als bloß Spaß auf ihre politisierten Fahnen geschrieben hat. Entsprechend lanciert Smudo ein mit viel Zustimmung aufgenommenes Anti-AfD-Statement („Das ist Faschismus – Nazis raus!“). Der Rest ist Schwelgen. In immergrünen Liedern wie „Gebt uns ruhig die Schuld, „Yeah Yeah Yeah“, „Die Stadt, die es nicht gibt“ und dem dezent geleierten „Sie ist weg“. Und in der immergrünen Hoffnung, dass diese bemerkenswerte Band ein weiteres Jahrzehnt deutscher Sprechgesangsgeschichte prägen wird.