Frau Fazilat, Sie spielen die Hauptrolle in "Nico", waren aber gleichzeitig auch Produzentin und Co-Drehbuchautorin. Wie war diese Dreierrolle für Sie?
Sara Fazilat: Ich komme ja aus dem Schauspiel, habe mich aber irgendwann an der Filmhochschule in Berlin beworben, um Filmproduktion zu studieren, weil ich die Inhalte mitgestalten wollte. Denn: Wenn man Schauspielangebote bekommt, sind die oft sehr klischeebelastet. Und die Geschichten kann ich als Schauspielerin ja einfach nicht inhaltlich beeinflussen. Das war mit aber wichtig, denn es gibt so viele Menschen und Stimmen, die in der Branche einfach nicht gehört werden. Also bin ich zur Filmhochschule und war eigentlich von Anfang an auch inhaltlich an meinen Projekten beteiligt. "Nico" ist mein Abschlussfilm, den ich gemeinsam mit Regisseurin und Co-Autorin Eline Gehring und Francy Fabritz als Kamerafrau und dritte Co-Autorin umgesetzt habe.
Wenn Sie sagen, die Rollen seien oft zu stereotyp, was genau war Ihnen bei Ihrem eigenen Film dann besonders wichtig?
Uns war es wichtig, dass wir selbstverständlich ganz verschiedene Menschen abbilden, und zwar bezogen auf Haarfarbe, Hautfarbe, Herkunft, Sprache, Körperform, Alter, sexuelle Orientierung und so weiter. Wenn diese Themen vorkommen, dann werden sie, was Frauen angeht, in Filmen immer gleich problematisiert. Das wollten wir nicht. Vielfalt und Gleichstellung liegen mir am Herzen, und es gibt Statistiken, die zeigen: Frauen ab 35 sind im Film entweder unsichtbar, halb tot oder halb nackt. Bei uns treten die unterschiedlichsten Frauen auf, denn Frauen können alles sein. Auch über die Bilder wollten wir bestimmte Dinge erzählen.
Haben Sie ein Beispiel?
Es gibt zum Beispiel eine Drogendealerin im Park - weiß-blond, über 50. Die meisten Menschen denken, es sind immer schwarze Männer, die Drogen verkaufen. Damit wollten wir brechen.
Der Film handelt auch von Rassismus. Sie selbst wurden in Teheran geboren, sind in Bremen aufgewachsen. Haben Sie auch schon einmal ähnliche Erfahrungen gemacht wie Nico im Film?
Natürlich habe ich diverse Male rassistische Erfahrungen gemacht. Der Film beruht nicht eins zu eins auf persönlichen Erlebnissen, aber es fließen schon Erfahrungswerte mit ein. Ich kann diese Themen erzählen, weil ich vieles davon kenne. In der Filmbranche bekomme ich zum Beispiel auch immer wieder Rollen angeboten, wo ich in gebrochenem Deutsch sprechen soll, obwohl die Figur in Deutschland sozialisiert ist.
Beim Dreh wurden Sie und ihr Team von einem Mann angebrüllt, dass Sie in Deutschland gefälligst Deutsch sprechen sollen...
Ja. Es war erschreckend, wie oft unsere Filmrealität zu unserer eigenen Realität wurde. Wir hatten das sogar auf Kamera und wollten es erst in den Film mit reinnehmen. Bei ersten Auswertungsgesprächen zum Film dachten aber viele Leute, dass wir das inszeniert hätten und fanden es unrealistisch. Darum haben wir es rausgenommen.
Der Film wirkt an vielen Stellen sehr authentisch, fast schon improvisiert. Inwieweit haben Sie tatsächlich improvisatorisch gedreht?
Wir wussten emotional und inhaltlich schon ganz genau, welche Themen wir berühren wollen, aber wir haben nicht eins zu eins vorgegeben, was die Spielenden sagen sollen. Wir haben nur den Inhalt, ein paar Wörter oder auch mal Sätze vorgegeben. Ansonsten haben wir ihnen den Freiraum gelassen, alles so in ihre Sprache einzubinden, wie sie es für die Rolle wollten.
Wie sehr freuen Sie sich darauf, den Film in Ihrer alten Heimat Bremen zu präsentieren?
Sehr! Der Film lief schon auf dem Filmfest Bremen, und ich war neulich schon in der Stadt, weil ich mit Werder Bremen ein Screening gemacht habe. Ich versuche immer, meine Sichtbarkeit und die des Filmes zu nutzen, um ein Zeichen gegen Rassismus und Homophobie zu setzen. Und Werder war da sofort auch engagiert. Das hat mich total gefreut, gerade, weil Fußball ja noch immer ein total männlich dominierter Bereich ist und es in Stadien auch immer wieder Rassismus und Homophobie gibt.
Welche Projekte stehen aktuell bei Ihnen an?
Aktuell habe ich als Produzentin zwei Filme in der Postproduktion. Ein Spielfilm und eine Serie sind in der Entwicklung. Die Serie befasst sich mit einer Gruppe von Menschen, die ihre vermeintlichen Schwächen als Superpower neu definieren. Als Schauspielerin kommen demnächst ein paar Filme ins Kino, unter anderem "Tausend Zeilen" von Michael "Bully" Herbig. Und ich werde mit dem Film "Holy Spider", in dem ich mitspiele, in Cannes in der Sektion Competition dabei sein. Außerdem bin ich in der Kampagne "Face to Face with German Films" dabei. Das ist superaufregend! Ich bin froh, diese Sichtbarkeit zu bekommen und so meine Geschichten erzählen zu können!
Das Gespräch führte Alexandra Knief.