Frau Kleinschmidt, in „Trüffel, Trüffel, Trüffel“ von Eugène Labiche gibt es dieses junge Paar, Emmeline und Frédéric, die heiraten wollen. Das wird fast von den beiden Müttern verhindert, die sich in einen Wettbewerb um die aufwendigste Aussteuer hineinsteigern. Das klingt wie eine etwas altbackene Geschichte. Welche Kinder lassen sich heute noch derart von Ihren Eltern beeinflussen?
Irene Kleinschmidt: In erster Linie hören sie heute vielleicht nicht auf ihre Eltern. Aber das ist nur die eine Schicht, unter der weitere liegen. Denn wir alle sind sozial und kulturell geprägt, und die Frage ist: Inwieweit ist man bereit, die eigenen erlernten Überzeugungen über Bord zu werfen? Also, die eigene Blase zu verlassen. Man ist doch eigentlich immer sehr stark damit beschäftigt, sich abzugrenzen.
Wie?Mit angehäuftem Wissen oder angehäuften Gütern. Auch mit der eigenen Ästhetik, die man viel cooler findet als die der anderen. Es geht darum, irgendwo dazuzugehören oder zu etwas anderem auf gar keinen Fall dazuzugehören. Das ist nach wie vor sehr aktuell.
Sie spielen Madame Ratinois, eine der Mütter. Was ist das für eine Rolle?Eigentlich spielt niemand eine Rolle im herkömmlichen Sinn, also niemand verkörpert eine Figur, wir sind nicht in den Gefühlen der Charaktere verhaftet. Meine sieben Kollegen und ich spiegeln Mechanismen; dafür stellen wir uns zur Verfügung. Madame Ratinois ist die Frau, die in diesem Wettlauf gewinnen möchte. Wie fast alle anderen auch. Sie ist sehr auf ihre Außendarstellung bedacht, die aber eigentlich ein Fake ist.
Das ist Brecht plus sozusagen.Das stimmt, das ist sicher grundsätzlich kein neuer Hut. Mehr als bei Brecht möchte Felix Rothenhäusler (d. Regisseur, Anm. d. Red.), dass wir mit dem, was wir spiegeln, kommunizieren. Das ist noch etwas anderes als aus einer Figur heraus- und wieder in sie hinein zu treten wie beim Epischen Theater.
Das ist die erste Premiere am Theater Bremen, bei der acht Schauspieler auf der Bühne sind, was in Corona-Zeiten schwierig ist. Wie haben Sie das erlebt?Felix Rothenhäusler ist der perfekte Regisseur für diese Zeiten, weil er körperlich sehr statisch arbeitet. Es geht bei ihm eher um Kopfkino, das war schon lange vor Corona sein Thema. Von daher ist die Inszenierung kein Notnagel; er hätte sie wahrscheinlich grundsätzlich so angelegt.
„Trüffel, Trüffel, Trüffel“ funktioniert vor allem über den Sprachwitz. Gibt es eine besondere Art der Vorbereitung für so eine Rolle?Der Zug, in den wir einsteigen, hat ein rasantes Tempo. Wir versuchen daher alle, den Text so konkret zur Verfügung zu haben, dass es auch schnell gehen kann.
Das Gespräch führte Iris Hetscher.Irene Kleinschmidt
absolvierte ihre Schauspielausbildung in Rostock. Nach Stationen unter anderem in Weimar, Berlin und Bochum ist sie seit 1994 am Theater Bremen engagiert.
Weitere Informationen
„Trüffel, Trüffel, Trüffel“ von Eugène Labiche, Regie: Felix Rothenhäusler. Premiere: Sonnabend, 12. September, 19.30 Uhr, Theater am Goetheplatz.