Frau Natenzan, Frau Dalinghaus, mit der Gruppe „New Perceptions“ arbeiten Sie an einer Ausstellung für die Kunsthalle Bremen. Wie sind Sie auf das Projekt aufmerksam geworden?
Eva Natenzan: Ich bin der Kunsthalle auf Instagram gefolgt und hab dann einen Post zu „New Perceptions“ gesehen. Als ich gelesen habe, dass es ein Jugendclub ist und man da mitmachen kann, war ich sofort interessiert. Dann habe ich eine Nachricht geschrieben, die haben mir geantwortet und seitdem bin ich dabei.
Wer und wie viele junge Kuratorinnen und Kuratoren sind beteiligt?
Marleen Dalinghaus: Insgesamt sind wir knapp über 20, die Kerngruppe sind so circa acht Leute aus und um Bremen. Das hat sich mit der Zeit aber auch etwas verändert - das Konzept haben zum Beispiel noch Leute entwickelt, die mittlerweile für das Studium umgezogen sind, die sind in unserer WhatsApp-Gruppe dabei und denken auch noch mit, sind aber nicht mehr aktiver Teil der Kerngruppe.
Was genau gehört zu den Aufgaben dieser Kerngruppe?
Natenzan: Wir treffen uns jeden Dienstag und bearbeiten schrittweise die Ausstellung. Im Herbst 2021 startete alles. Als ich dazu kam, waren wir gerade dabei, Kunstwerke auszusuchen. Das heißt, jeder konnte aus seiner eigenen Welt Werke heraussuchen, die seiner Meinung nach zu den Themen passen, die wir in der Ausstellung behandeln wollen. Zusätzlich haben uns auch die Kuratorinnen im Haus Kunstwerke vorgeschlagen. Um zu entscheiden, welche Kunstwerke wir in die Ausstellung nehmen wollen, haben wir Punkte verteilt. Da waren alle Beteiligten gleichberechtigt.
Können Sie Beispiele geben, wie die Ausstellung konkret gestaltet ist?
Dalinghaus: In der nächsten Woche zeigt sich, inwieweit unsere Ideen in der Ausstellungsgestaltung umsetzbar sind. Die Leihanfragen laufen gerade. Bei der Ausstellung wollen wir die Möglichkeit haben, sowohl Triggerwarnungen zu setzen und Werke so zugänglich zu machen, dass man vorher entscheiden kann, ob man das Werk sehen möchte oder nicht. Die Ausstellung wird multimedial: Illustrationen, Bilder, textile Arbeiten, Skulpturen, digitale Kunst wie Instagram-Reels. Wir planen auch eine Playlist, die Leute während der Ausstellung hören können, aber auch Mitmachaktionen.
Sie sprachen bereits von verschiedenen Themen, die in der Ausstellung behandelt werden sollen. Welche sind das?
Natenzan: Es geht darum, womit sich die Jugend gerade befasst.
Dalinghaus: Die Oberbegriffe sind Body Images (Körperbilder), Safe Spaces (Schutzräume) und Public Spaces (Öffentliche Räume) - das sind Elemente, die uns als Jugendliche überall im Alltag begegnen. In der Werkauswahl sieht man dann auch unsere Einflüsse, auch wenn wir die Themen nicht alleine gesetzt haben.
Natenzan: Auch weitere wichtige Themen wie psychische Gesundheit sind inbegriffen – wir wollen auch queer und inklusiv sein.
Wird bei der Auswahl und Umsetzung viel gestritten?
Dalinghaus: Ich habe noch nie erlebt, dass wir mit geballten Fäusten gestritten haben. Natürlich haben wir verschiedene Meinungen - es sind ja auch Themen, die dazu einladen, in den Diskurs zu kommen. Aber uns als Gruppe ist es wichtig, dass wir uns gegenseitig respektieren.
Natenzan: Da eines der Themen eben auch Safe Spaces ist, habe ich das Gefühl, dass alle sehr aufeinander achten und dass alle sehr offen für andere Meinungen sind.
Sie haben große Themen aufgerufen: von Körperbildern über Schutzräume - wie wollen Sie das begreifbar machen?
Dalinghaus: Über Kunst. Mit ganz verschiedenen Ansätzen. Vieles davon ist aus unserer jugendlichen Perspektive. Wir sind über unterschiedliche Wege auf die Künstlerinnen und Künstler aufmerksam gemacht worden - zum Beispiel auch über soziale Medien. Wir als Kuratorinnen und Kuratoren wählen Werke aus, die unsere Werte widerspiegeln. Zu ausgewählten Werken haben wir dann Kommentare oder etwas Persönliches geliefert. Einige haben Gedichte geschrieben oder Songtexte rausgesucht. Darin erläutern wir unseren eigenen Zugang zu den Arbeiten und die Botschaften, die wir mit ihnen vermitteln wollen.
Was erhofft Sie sich von der Ausstellung?
Natenzan: Sie behandelt Themen, die uns am Herzen liegen. Das Spannende daran ist, dass wir als Jugendliche das erste Mal die Möglichkeit haben, uns zu beteiligen und etwas für die Kunsthalle auszusuchen.
Dalinghaus: Wir wollen auch den Gästen die Möglichkeit geben, zu erfahren, wie unsere Generation so ist. Und wir erhoffen uns auch, anderen Jugendlichen - die noch keine Berührungspunkte mit der Kunsthalle oder Kunst generell hatten - zu zeigen: Kunst kann auch jung sein. Und dass wir uns freuen würden, wenn darauf mehr Jugendliche Lust hätten.