Die Kelly Family polarisiert – sowohl damals als auch heute. Man liebt oder man hasst die wohl bekannteste Musikerfamilie der 90er-Jahre. Nach ihrem großen Comeback 2017 touren Kathy, Particia, Paul, Jimmy, John und Joey Kelly wieder durch Deutschland. Die aktuelle Tour ist aber keine normale Tour, sondern steht ganz im Zeichen des Fests der Liebe – Weihnachten. Am Dienstag spielten die sechs Familienmitglieder in der Bremer ÖVB-Arena. Wer dort allerdings ausschließlich besinnliche Klänge und Chorgesang erwartet hatte, war bei dieser Show der Kelly Family fehl am Platz. Das Konzert war bunt, liebevoll, aber stellenweise auch wild zusammengestellt.
Mit nur sechs Minuten Verspätung, um 19.36 Uhr, eröffnen die verbliebenen Mitglieder der Band The Kelly Family am Dienstag ihre Weihnachtsshow in Bremen. Der Bass dröhnt durch die Halle, Kunstschnee rieselt von der Decke. In den ersten Reihen sind einige eingefleischte Fans bereits von ihren Sitzen aufgesprungen. Zum ersten Lied, "One More Happy Christmas" vom neuen Weihnachtsalbum, wird bereits frenetisch geklatscht.
Das Publikum hat den Auftritt der sechs Geschwister merklich herbeigesehnt. Vorfreude liegt in der Luft. Unter den Konzertbesuchern sind auch Kathie Kreib und ihre Tochter Sarah Baytekin. "Wir finden die Kelly Family irgendwie cool", sagen die beiden vor der Show. "Ich verbinde mit den Kellys die Kindheit meiner Tochter", sagt Kreib. "Als Sarah neun Jahre alt war, wollte sie unbedingt auf ein Konzert der Band – da konnte sie aber noch nicht alleine hin, deshalb sind wir zusammen gegangen." Seitdem sind zwar ein paar Jahre vergangen, die Euphorie für die Musik der Kelly Family scheint aber bei beiden geblieben zu sein.
Das starke Band zwischen Band und Fans
Nach einem Medley bekannter Weihnachtslieder – bei dem es die ein oder andere kleine Unstimmigkeit hinsichtlich des Timings auf der Bühne gibt – ist Joey Kelly als Leadsänger an der Reihe. Der 49-Jährige singt "No More Christmas", ein rockigeres Lied vom neuen Weihnachtsalbum "Christmas Party", in dem es darum geht, dass Joey seinen Geschwistern die Geschenke klaut und verkauft. Der Sänger trägt seine langen Haare in zwei geflochtenen Zöpfen, die unter einem schwarzen Hut hervorragen – trotz der rockigen Aufmachung wirkt er zu diesem Zeitpunkt noch etwas steif auf der Bühne. Selbiges gilt aber nicht für seine Geschwister Patricia, Jimmy und John: Alle drei sind von Anfang an kaum auf einem Fleck zu halten und singen ihre Songs inbrünstig.
Weiter geht es mit einem Mix aus alten Kelly-Family-Songs, weiteren Liedern vom Weihnachtsalbum der Band und bekannten Weihnachtsliedern. Eines der emotionalen Highlights des Abends ist das Stück "Peace On Earth", das Jimmy Kelly spielt. "Corona, Krieg, Inflation – trotz allem kauft ihr unsere Karten", sagt Jimmy Kelly sichtlich berührt. "Wir geben unseres Bestes, euer Geld, eure Liebe, eure Treue und eure Freundschaft wert zu sein." Die Verbindung der Band mit ihren Fans scheint etwas ganz Besonderes zu sein. "Die Kelly Family ist so toll, weil sie jedem etwas gibt", sagt Anna-Maria Brink, die am Dienstag zusammen mit Dagmar Hentschel das Konzert besuchte. Beide sind schon seit ihrer Kindheit Fans. "Die Kelly Family stach schon immer raus und das ist toll", sagte Hentschel.
Zwischen Emotionen und Wolfsgeheul
Auf den Hit "Burning Free", den Kathy Kelly mit gewohnt beeindruckend starker Stimme darbietet, singt Jimmy "Take my Hand" für die im April 2021 verstorbene Kelly-Schwester Barbara Ann, genannt Barby. "Der Tod meiner Schwester hat mich hart getroffen, ich lag fünf Wochen im Bett und habe weiße Haare bekommen", sagt Jimmy Kelly, der zwar an diesem Abend der Spaßvogel der Truppe ist, in diesem Moment aber immer noch bedrückt über den Tod von Barby wirkt. "Wir sind froh, dass ihr da seid", ruft es darauf aus dem Publikum. Danach geht es mit "Fairytale of New York" weiter, das Kathy mit ihrem Bruder Paul singt, und - wie zu erwarten - mit weiteren Weihnachtsliedern und Kelly-Family-Klassikern.
An diesem Abend sticht neben den emotionalen Höhepunkten aber besonders die Rock-Einlage von Joey Kelly hervor. Sein Gesang zum Lied "The Wolf" erinnert fast an den Sänger der britischen Heavy-Metal-Band Judas Priest. Passend zum Songtitel heult er außerdem wie ein Wolf. Danach folgt eine rockige Version von "Why Why Why", die Joey nicht nur singt, sondern auch auf der E-Gitarre begleitet. Davon, dass er zu Beginn des Abends noch etwas steif wirkte, ist mittlerweile nichts mehr zu sehen. Bei beiden Songs, die aus dem 1994 erschienen Album "Over the Hump" stammen, performt der 49-Jährige sehr gut, auch, wenn die zwei Nummern nicht so ganz zum Rest des Abends passen. Zumal auf die beiden rockigen Lieder direkt der sanfte Hit "Angel" folgte - ein harter Bruch.
Als Zugabe, nach rund zwei Stunden Kelly-Power-Show, singen die sechs Kellys "Stille Nacht", in Englisch, Spanisch und Deutsch. Die zweite deutsche Strophe singt das Publikum dann auch stellenweise allein, was dem wilden Konzertabend einen festlichen Ausklang verschafft.