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Premiere Zu banal, zu langatmig: "Sonne Luft" am Theater Bremen

Die Bühne des Theaters Bremen wird bei "Sonne Luft" von Elfriede Jelinek zum Schauplatz der Klimakatastrophe. Warum Text und Inszenierung nicht überzeugen.
05.05.2024, 14:07 Uhr
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Zu banal, zu langatmig:
Von Iris Hetscher

Der Weltuntergang ist da, der Mensch ist schuld, zu retten ist nichts mehr. Oder auch: "Wir sind die Schlimmsten und stolz darauf". Diesen Satz sagt Schauspielerin Nadine Geyersbach im zweiten Teil von "Sonne Luft", das am Sonnabend im Kleinen Haus des Theaters Bremen Premiere hatte. Ein Satz, der die Haltung seiner Autorin Elfriede Jelinek gut zusammenfasst. Die österreichische Literaturnobelpreisträgerin und Vielschreiberin knöpft sich immer wieder aktuelle Katastrophen oder Skandale vor, baut sie zu Apokalypsen aus und lässt sich dazu Textkaskaden einfallen, die dann auf Bühnen landauf landab landen.

Wer also auf ein Theaterstück mit Handlung hofft, ist hier falsch. "Sonne Luft", entstanden 2022, ist eine Auseinandersetzung mit der Klimakatastrophe, aufgeteilt auf diverse Sprecherinnen- und Sprecherrollen. Im ersten Teil hat die Sonne das Wort. Der Himmelskörper schaut mit Wut und Abscheu herab auf die vor sich hinwuselnde Menschheit. Es gibt, wer hätte das gedacht, Seitenhiebe auf sonnenhungrige Massentouristen und Konsumwahn; es werden drohende Natur- und Hungerkatastrophen beschworen. Die Sonne will nicht mehr so nett sein und für Fruchtbarkeit sorgen.

Kalauer statt Wortspiele

Das alles sind Banalitäten, hochgejazzt zu mäandernden Kunstsätzen. Vielleicht ist der Text von 2022 auch einfach überholt – wie es um das Klima steht, weiß inzwischen jeder aus dem ZDF-Wetterbericht oder dem vollgelaufenen Keller im Eigenheim. Deren Besitzer bekommen natürlich auch ihr Fett weg, als hätte Jelinek Punkte auf einer Liste abgehakt. Die Autorin wiederholt sich zudem oft und gerne, und Wortspiele wie "sie sind besorgt; ich werde es ihnen besorgen", oder ein "Feld der Ehre", das zum "Feld der Ähre" wird, sind einfach nur Kalauer. Keine leichte Aufgabe für die Regie.

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Regisseurin Christiane Pohle und das Ensemble schlagen sich tapfer und mit viel Action und Einsatz; mitunter wirkt das aber bemüht. Pohle lässt Irene Kleinschmidt, Shirin Eissa, Karin Enzler und Nadine Geyersbach Jelineks mit wenig Originalität versehenes Konvolut im Wechsel und mit Tempo vortragen und sorgt so immerhin für Rhythmus. Später gesellt sich Matthieu Svetchine zum Frauenquartett hinzu. Der Musiker Philipp Haagen nimmt sich die in Jelineks Text zitierte Musik vor, nutzt einen präparierten Flügel, ein Harmonium und eine Tuba und verfremdet und fragmentiert so auch mal Bach. Von einem Plattenspieler erklingt romantisches Liedgut, auch das ist allerdings in seiner Symbolhaftigkeit ziemlich dick aufgetragen.

Turnen auf dem Konferenztisch

Über der Bühne von Dorothee Curio schwebt eine goldene Kapsel, die im zweiten Teil, als sich nach der Sonne die Luft Gedanken zum Zustand der Erde macht, zu einer Art Iglu wird. Es gibt einen runden Konferenztisch, auf dem auch mal geturnt wird, eine abgesperrte Baustelle, kleine Löcher überall. Dazwischen taucht das Ensemble in immer neuen bunten Hingucker-Kostümen auf, auch mal in Expeditionsanzügen, die vom Alfred-Wegener-Institut ausgeliehen wurden.

Plastikabfälle im Wasser, die willkürliche Bestimmung von Grenzen, obwohl die Luft doch überall allen gehört, schmutzige, zu wenig oder gar keine Luft – all das möchte irgendwie bebildert werden, damit das Publikum im zweiten, sehr ausgedehnten Teil, nicht wegnickt. Und wer Klimakatastrophe sagt, muss offenbar unbedingt auch Eisbären, und, hach, einen Dinosaurier über die Bühne schicken. Neue Erkenntnisse gewinnt man durch "Sonne Luft" nicht. Mit zwei Stunden und 45 Minuten ist der Abend außerdem deutlich zu lang geraten.

Info

Die nächsten Termine: 12. Mai, 18.30 Uhr; 18. und 30. Mai, 20 Uhr.
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