Gustav Pauli war nicht unbedingt lange Direktor der Kunsthalle Bremen: Er wirkte 15 Jahre am Ostertorsteinweg, von 1899 bis 1914. Eine vergleichsweise knappe Zeitspanne, legt man zugrunde, dass Kunstverein und Kunsthalle in diesem Jahr 200 Jahre bestehen. Doch Pauli sollte in diesen Jahren die Weichen stellen für die Kunsthalle, wie die Bremer und ihre Gäste sie heute kennen und schätzen.
Denn der Kunsthistoriker sorgte dafür, dass die Moderne Einzug hielt in das Museum; dabei konnte er sich auf viele Mitstreiter und Mitstreiterinnen verlassen, musste aber ebenso mit Widerstand und Anfeindungen fertig werden. Eine große, hochkarätig bestückte Ausstellung widmet sich ab Sonnabend in acht Räumen im Erdgeschoss diesem Thema: "Geburtstagsgäste. Monet bis van Gogh". 70 Werke, die die Entwicklung der französischen Moderne spiegeln, sind zu sehen, darunter viele Leihgaben aus anderen Museen.
Gustav Pauli und der Frischekick
Als Gustav Pauli die Direktion der Kunsthalle übernahm, beherrschte eine dekorative, repräsentative Kunst die Szene. In Bremen tat sich der Maler und Dichter Arthur Fitger mit seinen monumentalen, ans Barocke gemahnenden Wandbildern hervor. Gleich zu Beginn des Rundgangs sind "Der getreue Eckart" und die "Europa" gehängt – und Gustav Pauli, dem es nicht um plumpe Abbildung, sondern um stilistische Finesse ging, brauchte nicht lange, um sich Fitger zum Feind zu machen.
Denn Pauli schätzte die Maler der Worpsweder Künstlerkolonie, und er sicherte der Kunsthalle Werke des Naturalisten Gustave Courbet, beispielsweise 1905 die "Brandungswelle" (1869). So begann er, "aus einer Sammlung ohne klares Profil eine mit Charakter" zu formen, erläutert Kuratorin Dorothee Hansen. Dazu gehörte nicht nur der Ankauf von Gemälden, sondern schnell auch der von Skulpturen. Pauli erwarb von 1905 bis 1911 sechs Werke Auguste Rodins, des Erneuerers der Plastik, darunter "Das eherne Zeitalter" (1876) und "Johannes der Täufer" (1878-80).
"Die goldene Wolke" kommt auf den Geschmack
Gustav Pauli gab den Takt vor – und die "goldene Wolke", ein Kreis vermögender Bremer Sammler und Sammlerinnen folgte ihm und ermöglichte durch Ankäufe und Leihgaben wegweisende Ausstellungen. Die Geburtstagsschau verweist immer wieder auf sie, würdigt ihre Rolle, zeigt zudem auf großflächigen Fotografien und in Videos, wie und wo die Bilder in ihren modern eingerichteten Wohnungen hingen.
Der Mäzen Leopold Biermann kaufte beispielsweise "Kalla und Treibhauspflanzen" (1864) von Auguste Renoir; Meta Schütte, Witwe des Petroleummagnaten Franz Ernst Schütte, erwarb Claude Monets "Jean Monet in seiner Wiege" (1867). Ein ganzer Raum ist Alfred Heymel, der "schillerndsten Figur unter den Bremer Sammlern", so Dorothee Hansen, gewidmet. Heymel kaufte mit großer Leidenschaft Gemälde von Edgar Degas, dessen teuer erworbene "Tänzerin" er der Kunsthalle schenkte, und Grafiken von Henri de Toulouse-Lautrec. Darunter fanden sich viele, die damals als so anstößig galten, dass sie nicht öffentlich ausgestellt werden durften. Sie zeigten Prostituierte und Szene aus den Pariser Varietés.
Viele dieser Sammlungen wurden später, oft notgedrungen, aufgelöst. Die Bilder hängen mittlerweile in Museen in aller Welt und sind nun als Leihgaben für die Ausstellung nach Bremen zurückgekehrt. Hier sind sie in trauter Eintracht neben Bildern aus der Sammlung wie Monets "Camille" (1866) und Cézannes "Dorf hinter Bäumen" (1898), zu bewundern. Als wären sie nie weggewesen.
Impressionismus in Bremen und anderswo
Gustav Pauli kaufte für die Bremer Kunsthalle zunehmend impressionistische Werke, seine Kollegen an den Museen anderer deutscher Städte taten es ihm gleich, manchmal wählten sie sogar ein ähnliches Motiv desselben Malers (wie bei Courbets "Brandungswelle") oder einen weiteren Abguss von Rodins "Das eherne Zeitalter". Doch die Ankäufe waren nicht immer wohl gelitten, weiß Dorothee Hansen. Manet, Monet oder Renoir waren weit davon entfernt, vorbehaltlos akzeptiert zu werden.
Und so lag es, wie in Bremen, an mutigen Museumsleitern wie Harry Graf Kessler, der für Weimar Monets "Die Kathedrale von Rouen" (1894) erwarb. Wenig später wurde er als Direktor abgelöst, weil er eine Ausstellung mit Aktmalerei von Auguste Renoir organisiert hatte. Ein anderes Beispiel ist Hugo von Tschudi, Direktor der Berliner Nationalgalerie, der wegen seiner fortschrittlichen Ankaufspolitik von Berlin nach München wechseln musste. Leihgaben, mit denen andere Museumsleiter damals Paulis Ausstellungen unterstützten, finden sich ebenfalls unter den "Geburtstagsgästen".
Der Streit um die Kunst
1911 knallte es. Gustav Pauli kaufte das post-impressionistische "Mohnfeld" von Vincent van Gogh als erstes Bild des Künstlers für ein deutsches Museum. Das löste, ausgehend von dem Worpsweder Maler Carl Vinnen, einen erbitterten, schließlich deutschlandweit ausgetragenen Kunststreit aus. Anstatt französischer Modernisten sollten deutsche Künstler von den Museen unterstützt und gezeigt werden, hieß es. Aber auch über den "jüdischen Kunsthandel" wurde hergezogen. Es war eine unappetitliche Debatte, aber Pauli und seine Weggefährten gingen gestärkt aus ihr hervor.
Über dieses Thema hat die Kunsthalle sich vor 20 Jahren in der Ausstellung "Van Gogh: Felder" Gedanken gemacht, gruppiert rund um das "Mohnfeld". Diesem wichtigsten Ankauf Paulis sowie Werken von Cézanne und Gauguin ist der finale Raum der Schau gewidmet. Gustav Pauli wurde 1914 von der Kunsthalle Hamburg abgeworben, da galt er als "neuer Typus des modernen Galerieleiters", sagt Dorothee Hansen. Auch, weil er sich nie hat beirren lassen.